Mobilität

Wie Gigafactories ein Giga-Geschäft werden

Beim Elektroauto kommt es auf die Batterie an – eines der wichtigsten und teuersten Bauteile: Nur der Hersteller, der ihre Technik beherrscht und zu konkurrenzfähigen Preisen produzieren kann, überlebt. Die Batterieexperten von Porsche Consulting kennen die Wege, wie sich die begehrten Stromspeicher in großen Mengen herstellen lassen – zum halben Preis.

06/2021

Die Batteriezellen sind die Herzstücke einer Batterie. In ihrem Gehäuse befinden sich Kathode, Anode, Separator und Elektrolyt. Die Zellkosten lassen sich durch Optimierung des eingesetzten Materials, effizientere Verfahren bei der Herstellung, intelligente Skalierung sowie die Wahl eines geeigneten Standorts von 95 Euro pro Kilowattstunde auf 55 Euro bis zum Jahr 2030 reduzieren.Porsche Consulting/Florian Müller

Die Zahl der Men­schen, die sich für Elek­tro­fahr­zeu­ge ent­schei­den, steigt kon­ti­nu­ier­lich, auch dank zusätz­li­cher Anrei­ze für Neu­wa­gen­kun­den. Nun muss die Indus­trie han­deln und schnell Fabri­ken für die Akku­mu­la­to­ren bauen, auch in Euro­pa. Diese soge­nann­ten Giga­fac­to­ries erfor­dern gigan­ti­sche Inves­ti­tio­nen. Doch wie und wo wird dar­aus ein ren­ta­bles Geschäft? In einer umfas­sen­den Ana­ly­se hat ein Exper­ten­team von Por­sche Con­sul­ting Chan­cen und Risi­ken gegen­über­ge­stellt. Im Fokus: moder­ne Bat­te­rie­tech­no­lo­gien, effi­zi­en­te Pro­duk­ti­ons­pro­zes­se, der pas­sen­de Stand­ort und die rich­ti­ge Ska­lie­rung für eine nach­hal­ti­ge Pro­duk­ti­on in Europa.

EU-Länder setzen auf Elektromobilität

Was im kon­ven­tio­nel­len Fahr­zeug der Motor ist, ist im Elek­tro­au­to die Bat­te­rie. Sie hat gro­ßen Ein­fluss auf Reich­wei­te und Schnell­la­de­ver­hal­ten. Beim Gesamt­preis des Fahr­zeugs schla­gen die Bat­te­rie­kos­ten im Jahr 2021 mit bis zu 40 Pro­zent zu Buche. Das macht die Elek­tro­mo­bi­li­tät bis­lang ver­gleichs­wei­se teu­rer. Außer­dem sind die Bat­te­rie­grö­ße und damit die Reich­wei­te des Fahr­zeugs wich­ti­ge Kauf­kri­te­ri­en für die Kun­den. Den­noch: Im Vor­jahr 2020 stieg die Zahl der in der Euro­päi­schen Union (EU) neu zuge­las­se­nen Elek­tro­fahr­zeu­ge auf ein Rekord­hoch von mehr als einer Mil­li­on, ermit­tel­te der euro­päi­sche Bran­chen­ver­band ACEA. Noch locken Kauf­prä­mi­en die Kun­den. Der Grund: Ins­be­son­de­re die EU-Län­der set­zen auf Elek­tro­mo­bi­li­tät, um die Ende 2019 im „Green Deal“ gesteck­ten Kli­ma­zie­le zu erfüllen.

Übli­cher­wei­se haben reine Elek­tro­fahr­zeu­ge Bat­te­rie­grö­ßen von 50 bis 100 Kilo­watt­stun­den. Umge­rech­net heißt das: Bis 2030 ist eine Pro­duk­ti­ons­ka­pa­zi­tät von mehr als 1.000 Giga­watt­stun­den not­wen­dig, um die euro­päi­schen Auto­mo­bil­her­stel­ler zu ver­sor­gen. Die Indus­trie steht daher vor der Her­aus­for­de­rung, Kos­ten zu sen­ken und gleich­zei­tig große Bat­te­rie­fa­bri­ken in Euro­pa auf­zu­bau­en. Diese Giga­fac­to­ries müs­sen wirt­schaft­lich und nach­hal­tig betrie­ben wer­den. Nur so kön­nen in jedem Preis­seg­ment Elek­tro­fahr­zeu­ge in aus­rei­chen­der Menge ange­bo­ten werden.

Um den Batteriebedarf lokal zu decken, sind allein in Europa 20 Gigafactories bis 2030 notwendig.

Frank Seuster Frank Seuster
Partner bei Porsche Consulting,
Experte für die Themen Produkt und Technologie

„Der welt­wei­te Bedarf an Antriebs­bat­te­rien wird sich bis zum Jahr 2030 vor­aus­sicht­lich mehr als ver­zehn­fa­chen“, hat Frank Seus­ter, Part­ner für Pro­dukt und Tech­no­lo­gie bei Por­sche Con­sul­ting, mit sei­nem Exper­ten­team hoch­ge­rech­net. „Um den Bat­te­rie­be­darf lokal zu decken, sind allein in Euro­pa 20 Giga­fac­to­ries bis 2030 not­wen­dig“, sagt Seus­ter. Für den Geschäfts­er­folg von Unter­neh­men und Inves­to­ren wird ent­schei­dend sein, wel­che Bat­te­rie­tech­no­lo­gien sie mit wel­chen Pro­duk­ti­ons­pro­zes­sen an wel­chem Stand­ort her­stel­len. Denn allein für die Bat­te­rie­zell­fer­ti­gung seien euro­pa­weit bis 2030 Inves­ti­tio­nen von über 50 Mil­li­ar­den Euro erfor­der­lich, so der Berater.

Welche Batterietechnologie ist die Richtige?

Aus Kun­den­sicht müs­sen sich Elek­tro­fahr­zeu­ge an kon­ven­tio­nel­len Model­len mit Ver­bren­nungs­mo­tor mes­sen las­sen. Vor­tei­le bie­ten viele Elek­tro­au­tos bei­spiels­wei­se bei Beschleu­ni­gung und Fahr­kom­fort. Aller­dings wün­schen sich die meis­ten Kun­den der­zeit vor allem, sel­te­ner Lade­sta­tio­nen ansteu­ern zu müs­sen, um Zwangs­pau­sen auf Lang­stre­cken zu ver­mei­den. Ein Weg dahin sind leis­tungs­fä­hi­ge­re Bat­te­rien mit höhe­rer Ener­gie­dich­te. Bei gleich­blei­ben­den Dimen­sio­nen kann der Akku dem Fahr­zeug also mehr Reich­wei­te ermög­li­chen. Mehr Ener­gie, aber nicht mehr Platz­be­darf für die Bat­te­rie, lau­tet das enga­gier­te Ent­wick­lungs­ziel. Oben­drein muss der Preis sin­ken. Bei­des kann durch tech­no­lo­gi­schen Fort­schritt gelingen.

Her­stel­ler und Zulie­fe­rer arbei­ten daher inten­siv daran, die aktu­el­le Lithi­um-Ionen-Tech­no­lo­gie zu ver­bes­sern. In den ver­gan­ge­nen zwei Jahr­zehn­ten konn­ten die Bat­te­rie­kos­ten um rund 80 Pro­zent gesenkt wer­den. Einen gro­ßen Anteil daran hat der schritt­wei­se Ersatz von teu­rem Kobalt durch Nickel. Beide Metal­le bin­den das Lithi­um in die Schicht­struk­tur der Katho­de ein. Der höhe­re Nickel­ge­halt hat auch dazu bei­getra­gen, die Ener­gie­dich­te – ver­ant­wort­lich für Größe und Gewicht der Bat­te­rie – im glei­chen Zeit­raum zu ver­drei­fa­chen. Um die Reich­wei­ten wei­ter zu erhö­hen, for­schen eine Reihe von Her­stel­lern daran, die Che­mie nickel­rei­cher Zel­len wei­ter zu ver­bes­sern. Dabei wird beson­de­res Augen­merk auf Sicher­heit und Lang­le­big­keit gelegt.

Beim Kurzstreckenverkehr können Lithium-Eisenphosphat-Zellen die Wende zur Elektromobilität beschleunigen.

Lukas Mauler Lukas Mauler
Manager bei Porsche Consulting, Experte für die Themen Batterietechnologien und Batteriemarkt

„Ener­gie­dich­ten las­sen sich durch einen höhe­ren Sili­zi­um-Anteil in der Anode wei­ter stei­gern. Die Tech­no­lo­gie­for­schung kon­zen­triert sich hier dar­auf, eine aus­rei­chen­de Lebens­dau­er der Bat­te­rien sicher­zu­stel­len“, sagt Exper­te Lukas Mau­ler, Mana­ger bei Por­sche Con­sul­ting. Sein Spe­zi­al­ge­biet sind die Bat­te­rie­tech­no­lo­gien und der Markt für die gefrag­ten Ener­gie­spei­cher. Mau­ler betont, dass je nach Fahr­zeug­seg­ment auch der Ein­satz ande­rer che­mi­scher Zusam­men­set­zun­gen von Lithi­um-Ionen-Zel­len sinn­voll sein kann: „Beim Kurz­stre­cken­ver­kehr kön­nen Lithi­um-Eisen­phos­phat-Zel­len die Wende zur Elek­tro­mo­bi­li­tät beschleu­ni­gen. Denn der Kos­ten­vor­teil die­ser Tech­no­lo­gie über­zeugt Auto­käu­fer, die stark auf den Preis ach­ten.“ Die Lang­le­big­keit sei außer­dem auch für Nutz­fahr­zeu­ge und den gewerb­li­chen Ein­satz attrak­tiv. Wer eine Giga­fac­to­ry baut, soll­te des­halb die Wahl der geeig­ne­ten, zukunfts­fä­hi­gen Tech­no­lo­gie abhän­gig machen von dem Fahr­zeug­seg­ment, das bedient wer­den soll. Uner­läss­lich, so Mau­ler, sei eine fle­xi­bel aus­ge­rich­te­te Ange­bots­pa­let­te, mit der auf dyna­mi­sche Markt­ent­wick­lun­gen reagiert wer­den kann. Dies betrifft auch zukünf­ti­ge, soge­nann­te Post-Lithi­um-Ionen-Tech­no­lo­gien wie die Fest­stoff­bat­te­rie. Deren indus­tri­el­le Her­stel­lung wird noch in die­sem Jahr­zehnt erwartet.

Batteriekosten halbieren – das ist möglich

Porsche Consulting prognostiziert den Einfluss von Innovationen und Marktentwicklungen auf die Batteriekosten. Basierend auf eigenen Bewertungsmodellen, die technische und kaufmännische Einflussfaktoren berücksichtigen, werden zukünftige Batteriekosten abgeleitet. Liegen heute die im Rahmen einer Fallstudie ermittelten Batteriekosten auf Zellebene bei 95 Euro pro Kilowattstunde, können diese durch Optimierung der Zelle und des Herstellungsprozesses sowie durch eine geeignete Standortwahl und Standortgröße bis 2030 auf 55 Euro reduziert werden.

Zellkosten lassen sich durch Optimierung der eingesetzten Materialien verringern. Eine vielversprechende Strategie stellt die schrittweise Reduktion von kostspieligem Kobalt dar. Im Gegenzug werden vermehrt Nickel und Mangan eingesetzt. Das ermöglicht eine günstigere chemische Zusammensetzung der Zellen. Ein höherer Silizium-Anteil steigert den Energieinhalt der Zellen und führt so zu einer effizienteren Nutzung sonstiger Batteriematerialien. In beiden Fällen arbeiten Forscher heute noch intensiv an einer ausreichenden Langlebigkeit der Batterie. Weiterhin können Verbesserungen an Zell- und Elektrodendesign die Batteriekosten zusätzlich verringern. Innovationen im Herstellungsprozess tragen zu einer weiteren Reduktion der Zellkosten bei. Neuartige Verfahren zur Trockenbeschichtung der Elektroden verzichten auf umweltschädliche Lösemittel. Damit können teure und energieintensive Trocknungsstrecken entfallen, die einen Großteil der Energiekosten einer Batteriefabrik ausmachen. Um den kostspieligen Ausschuss von Batterien zu verringern, helfen innovative Smart-Factory-Ansätze, Ursachen zu erkennen und zu beseitigen, bevor Fehler entstehen. Beschleunigte Prozessgeschwindigkeiten in zahlreichen Fertigungsschritten helfen zusätzlich bei der besseren Nutzung teurer Maschinen und Anlagen.

Batteriekosten können außerdem durch die Nutzung standortbezogener Kostenvorteile gesenkt werden. Standorte mit niedrigen Energie-, Lohn- und Baukosten bieten hier Potenzial. Das muss jedoch unternehmensspezifisch abgewogen werden hinsichtlich weiterer Kriterien wie nachhaltiger Energieversorgung und Verfügbarkeit von Fachkräften. Die steigende Batterienachfrage gibt Herstellern weiterhin Spielraum, Batteriefabriken intelligent zu skalieren, und hilft, „Economies of Scale“ zu erzielen. Eine höhere Produktionskapazität ermöglicht es, unterschiedliche Anlagen besser aufeinander abzustimmen und so die hohen erforderlichen Investitionen effizienter zu nutzen.

Produktionsprozesse effizient und flexibel gestalten

Auf den Pro­duk­ti­ons­flä­chen einer Giga­fac­to­ry, wo in zahl­rei­chen Schrit­ten Elek­tro­den her­ge­stellt, in Zel­len­form mon­tiert und für die spä­te­re Nut­zung akti­viert wer­den, voll­zieht sich stets eine dyna­mi­sche Ent­wick­lung. Für den Auf­bau einer Giga­fac­to­ry ist daher viel Kapi­tal not­wen­dig. Je nach­dem, wie viele Fahr­zeug­bat­te­rien im Jahr her­ge­stellt wer­den sol­len, liegt die Grö­ßen­ord­nung zwi­schen zwei und vier Mil­li­ar­den Euro. Die höchs­ten Ein­zel­in­ves­ti­tio­nen ent­fal­len auf Maschi­nen und Anla­gen und machen rund 10 Pro­zent der Bat­te­rie­kos­ten aus, wie Por­sche Con­sul­ting in sei­nem tech­no­lo­gie­ba­sier­ten Bat­te­rie­kos­ten­mo­dell vorrechnet.

Bereits in der Ver­gan­gen­heit senk­ten höhe­re Pro­zess­ge­schwin­dig­kei­ten die Pro­duk­ti­ons­kos­ten. So konn­ten die Giga­fac­to­ries wirt­schaft­li­cher genutzt wer­den. In naher Zukunft sind wei­te­re Effek­te zu erwar­ten. Neu­ar­ti­ge Pro­zess­tech­no­lo­gien wie die Tro­cken­be­schich­tung der Elek­tro­den ver­spre­chen wei­te­re Kos­ten­sen­kun­gen. „Durch den Weg­fall umwelt­schäd­li­cher Löse­mit­tel kön­nen teure Trock­nungs­stre­cken, die viel Ener­gie benö­ti­gen, ein­ge­spart wer­den. Das senkt die Kos­ten und ver­bes­sert gleich­zei­tig die Öko­bi­lanz von Elek­tro­fahr­zeu­gen. Ein wert­vol­ler Dop­pel­ef­fekt“, sagt Dr. Fabi­an Duff­ner, Seni­or Mana­ger bei Por­sche Con­sul­ting. Er ist der Pro­duk­ti­ons- und Kos­ten­spe­zia­list im Expertenteam.

Durch den Wegfall umweltschädlicher Lösemittel können teure Trocknungsstrecken, die viel Energie benötigen, eingespart werden.

Dr. Fabian Duffner Dr. Fabian Duffner
Senior Manager bei Porsche Consulting, Experte für die Themen Batterieherstellung und Batteriekostenanalyse

Noch effi­zi­en­ter und nach­hal­ti­ger wird jede Her­stel­lung, wenn unnö­ti­ger Aus­schuss in der Fer­ti­gung ver­mie­den wird. Das gilt auch für die Män­gel­quo­te in Bat­te­rie­fa­bri­ken. Die Lösung: Früh­erken­nungs­sys­te­me. Sie ver­hin­dern, dass Feh­ler über­haupt ent­ste­hen. Dafür eig­nen sich Smart-Fac­to­ry-Ansät­ze. Der Vor­teil: Die digi­ta­le Ver­net­zung aller Maschi­nen und Anla­gen ermög­licht zuver­läs­si­ge Pro­gno­sen. Wenn Her­stel­ler beim Bau einer Giga­fac­to­ry sol­che Pro­zess­ver­bes­se­run­gen von Anfang an mit ein­pla­nen und mit Inno­va­tio­nen kom­bi­nie­ren, leis­ten sie einen Bei­trag für erschwing­li­che und umwelt­freund­li­che Elek­tro­mo­bi­li­tät, redu­zie­ren die Inves­ti­ti­ons­kos­ten und blei­ben lang­fris­tig wett­be­werbs­fä­hig. So hat Por­sche Con­sul­ting den süd­ko­rea­ni­schen Bat­te­rie­her­stel­ler LG Chem, einer der glo­ba­len Markt­füh­rer, beim Neu­an­lauf sei­ner Bat­te­rie­fa­brik in Polen bera­ten: „Mit dem Instand­hal­tungs­kon­zept von Por­sche Con­sul­ting kön­nen wir die Pro­duk­ti­on um 14 Pro­zent stei­gern“, so Kyong Deuk Jeong, Prä­si­dent von LG Chem Wro­cław Energy.

Die Zellfabriken der Zukunft werden zu den größten Produktionsgebäuden der Welt gehören: Auf mehr als 500.000 m² werden die Batterien automatisiert gefertigt – in neun Produktionsschritten vom Mischen der Materialien über das Schneiden und Trocknen der Kollektorfolien bis hin zum Verschweißen der Elektroden, der Aktivierung des Zellmaterials und der finalen Kontrolle.Porsche Consulting/Clara Philippzig

Welcher Standort hat welche Vor- und Nachteile?

Die Zell­fa­bri­ken der Zukunft wer­den zu den größ­ten Pro­duk­ti­ons­ge­bäu­den der Welt gehö­ren. Die ein­zel­nen Unter­neh­men favo­ri­sie­ren für ihre Invest­ments unter­schied­li­che Stand­or­te: North­volt hat sich für Schwe­den, Volks­wa­gen für Deutsch­land und LG Chem für Polen ent­schie­den. Bei der Stand­ort­wahl spie­len neben der Nähe zur EU-weit ver­streu­ten Fahr­zeug­pro­duk­ti­on wei­te­re Fak­to­ren eine Rolle. Wo gibt es genü­gend Fach­kräf­te, wel­che Kos­ten müs­sen für Ener­gie und Per­so­nal ein­ge­plant wer­den, wo ist rege­ne­ra­tiv erzeug­ter „grü­ner“ Strom verfügbar?

Der große Stand­ort­ver­gleich von Por­sche Con­sul­ting hat erge­ben: Wäh­rend eini­ge EU-Län­der bei zwei die­ser Kri­te­ri­en beson­ders gut abschnei­den, erreicht der­zeit noch kein Land über­all einen Spit­zen­platz. Die Her­stel­ler tref­fen daher eine Abwä­gung zur Stand­ort­wahl anhand ihrer Markt­po­si­ti­on und Stra­te­gie: „New­co­mer bevor­zu­gen Län­der mit aus­rei­chend Bat­te­rie­ex­per­ten, um Tech­no­lo­gie­kom­pe­tenz auf­zu­ho­len. Eta­blier­te Markt­füh­rer set­zen teil­wei­se auf Kos­ten­vor­tei­le bei Lohn und Ener­gie“, sagt Dr. Fabi­an Duff­ner. Wei­ter­hin nut­zen Zell­her­stel­ler rege­ne­ra­tiv erzeug­ten Strom für ihre Giga­fac­to­ries als Dif­fe­ren­zie­rungs­merk­mal. Das schafft zusätz­li­che Wett­be­werbs­vor­tei­le: „Kun­den und die Öffent­lich­keit gene­rell erwar­ten neben dem emis­si­ons­frei­en Betrieb eine res­sour­cen­scho­nen­de Her­stel­lung ihres Fahr­zeugs, die maß­geb­lich von der Bat­te­rie­pro­duk­ti­on beein­flusst wird“, so Dr. Duffner.

Batterieproduktion:
Wer
 kann was in Europa?
 

Porsche Consulting hat die Länder der EU auf ihre Eignung als Standort für eine Batteriefabrik hin untersucht. In den drei Kategorien Nachhaltigkeit, Kompetenz und Kosten fasst die Analyse verschiedene Indikatoren zusammen: länderspezifische Forschungsaktivitäten, die Verfügbarkeit relevanter Fachkräfte und Investitionen in Bildung, länderabhängige Energie-, Lohn- und Baukosten sowie den Anteil regenerativ erzeugten Stroms am Bruttostromverbrauch. Einige Länder vereinen schon zwei Vorteile, manche einen. Noch kein EU-Land kann bisher in allen drei Kategorien gleichzeitig glänzen.
„Grüne Energie“, verfügbare Fachkräfte, Standortkosten – für den Bau und Betrieb einer Gigafactory bieten die Länder der Europäischen Union unterschiedliche Vorteile. Welches Land womit punkten kann, zeigt die Analyse von Porsche Consulting.Porsche Consulting/Florian Müller

Prognosemodelle helfen beim Weichenstellen

Kön­nen Giga­fac­to­ries tat­säch­lich ihrer Schlüs­sel­rol­le für kli­ma­neu­tra­len Antrieb nach­kom­men und so schon bald zu einem Giga-Geschäft wer­den? Für Inves­to­ren und Her­stel­ler, die jetzt vor­aus­schau­end und stra­te­gisch über­legt han­deln, eröff­nen sich tat­säch­lich her­vor­ra­gen­de Per­spek­ti­ven. „Die dyna­mi­sche Ent­wick­lung der Bat­te­rie­tech­no­lo­gie schafft bran­chen­über­grei­fend enor­me Markt­po­ten­zia­le. Davon kön­nen außer der Auto­in­dus­trie ins­be­son­de­re auch der Maschi­nen- und Anla­gen­bau durch ganz neue Chan­cen pro­fi­tie­ren“, sagt Exper­te Lukas Mau­ler. Um Inno­va­tio­nen ganz­heit­lich ein­zu­schät­zen, koope­rie­ren die Por­sche-Bera­ter mit einem Netz­werk aus Indus­trie­ex­per­ten und For­schern. Gemein­sam bewer­ten die Fach­leu­te Markt­po­ten­zia­le anhand selbst ent­wi­ckel­ter, zuver­läs­si­ger Pro­gno­se­mo­del­le. „Wenn die Indus­trie jetzt die rich­ti­gen Wei­chen für den Auf­bau der Bat­te­rie­fa­bri­ken stellt, wird das Elek­tro­au­to bis 2025 güns­ti­ger sein als der Ver­bren­ner“, erwar­tet Mau­ler auf Basis sei­ner neu­es­ten Berechnungen.


10 wichtige Fragen zur Batterie

1. Gibt es ausreichend Rohstoffe für die Batterien aller Elektroautos?

Grundsätzlich reichen die weltweiten Vorkommen für Rohstoffe wie Lithium, Nickel und Kobalt aus. Eine Herausforderung stellt der rechtzeitige Aufbau von Lieferketten dar, die den Nachhaltigkeitskriterien von Herstellern und Kunden genügen. Fahrzeughersteller schließen langfristige Versorgungsverträge mit zertifizierten Rohstoffunternehmen. Die direkte Investition in Rohstoffminen ist eine weitere strategische Option, um sowohl die Mengen- als auch Preisrisiken abzusichern. Künftig können zunehmende Anteile des Rohstoffbedarfs mit Materialien gedeckt werden, die über Recyclingverfahren zurückgewonnen und dem Kreislauf wieder zugeführt werden.

2. Wie können Batteriebestandteile wiederverwendet werden?

Batterien enthalten große Mengen wertvoller wiederverwendbarer Metalle. Das Ziel der Industrie ist, einen „Closed Loop“ zu etablieren, um die in Minen abgebauten Materialien zu reduzieren. Fahrzeughersteller arbeiten gemeinsam mit Rohstofflieferanten an pyro- und hydrometallurgischen Verfahren, mit denen eine wirtschaftliche Rückgewinnung großer Teile des enthaltenen Kobalts und Nickels möglich wird. Die EU hat im Dezember 2020 im Rahmen der Europäischen Batterie-Allianz zudem eine Verordnung auf den Weg gebracht, die verbindliche Vorgaben für das Batterierecycling einschließt: Ab 2026 müssen 90 Prozent des Kobalts, Nickels und Kupfers sowie 35 Prozent des Lithiums aus alten Antriebsbatterien wiederaufbereitet werden. Von 2030 an erhöhen sich die Werte auf 95 Prozent respektive 70 Prozent. Erste Recycling-Pilotanlagen sind in Europa bereits in Betrieb, zum Beispiel die Volkswagen-Anlage im niedersächsischen Salzgitter. Dort sollen pro Jahr rund 3.600 Autobatterien verarbeitet werden. Höhere Volumen sind voraussichtlich ab dem Jahr 2025 zu erwarten, wenn größere Zahlen von Batterien gealtert sein werden. 

3. Wie oft brauchen Elektroautos einen Batteriewechsel?

Als Faustformel gilt, dass eine Antriebsbatterie nach 1.000 vollen Lade- und Entladezyklen noch mindestens 70 Prozent ihrer ursprünglichen Kapazität aufweist. Für handelsübliche E-Fahrzeuge bedeutet das eine Fahrleistung von mehr als 200.000 Kilometern, was etwa der Lebensdauer eines Verbrennungsmotors entspricht. Für Fahrzeuge mit besonders stabilen Lithium-Eisenphosphat-Batterien sind sogar Fahrleistungen über 500.000 Kilometern erreichbar. Führende Fahrzeughersteller garantieren derzeit Laufleistungen von mindestens 160.000 Kilometern oder bieten die Batterie im Rahmen eines Leasingmodells an. 

4. Was wird als „zweites Leben“ einer Batterie bezeichnet?

Das sogenannte zweite Leben einer Batterie ist ein Zweitnutzungsmodell. Stellt der Akku nur noch weniger als 70 Prozent seiner ursprünglichen Energie bereit, können wenig gealterte Zellen als Ersatzteile in Fahrzeugen genutzt werden. Auch stationär können Batterien ein „zweites Leben“ beginnen: in der Stabilisierung von Stromnetzen oder in der Zwischenspeicherung von erneuerbarer Energie für Tageszeiten ohne Wind und Sonnenschein. So leisten Batterien nicht nur einen Beitrag zur Verkehrswende, sondern auch zur Energiewende. 

5. Wie wirkt die Batterie auf die Ökobilanz eines Elektroautos?

Die Batterie verursacht mehr als die Hälfte der CO2-Emissionen bei der Herstellung eines Elektrofahrzeugs. Diesen „Treibhausgas-Rucksack“ gegenüber konventionellen Fahrzeugen kann ein batteriebetriebenes Fahrzeug erst während seiner Nutzungsphase ausgleichen. Einer Studie des ADAC zufolge muss daher ein Elektrofahrzeug, auch wenn es mit regenerativ erzeugtem Strom geladen wird, für den Ausgleich rund 40.000 Kilometer fahren. Erfolgt die Batterieherstellung ebenfalls mit Grünstrom, ist der „Rucksack“ deutlich kleiner und der Ausgleich bereits früher erreicht.

6. Wie lange braucht die Batterie zum Aufladen?

Für die Ladezeit der Batterie sind mehrere Faktoren relevant, unter anderem die Leistung der Ladesäule, die Schnellladefähigkeit und die technischen Voraussetzungen des E-Fahrzeuges sowie der aktuelle Ladezustand der Batterie. Stehen unterwegs starke HPC-Ladesäulen (High Power Charging) zur Verfügung, kann beispielsweise die Batterie eines Porsche Taycan in weniger als einer halben Stunde von fünf auf 80 Prozent aufgeladen werden. Für zu Hause wird Ladeequipment angeboten, das ein Aufladen über Nacht ermöglicht. 

7. Wo können Batterien aufgeladen werden?

Neben dem Heimladen und öffentlichen Ladesäulen im niedrigeren Leistungsbereich stehen in Europa bereits heute (Stand Frühjahr 2021) ungefähr 3.500 öffentlich zugängliche HPC-Ladesäulen bereit. Dieses Netzwerk wird in den nächsten Jahren zügig ausgebaut werden. So plant Volkswagen gemeinsam mit Ionity und weiteren Partnern eine Ausweitung auf rund 18.000 solcher Ladesäulen in Europa bis 2025.

8. Hat Europa genug eigene technologische Kompetenz beim Thema Batterie?

In den letzten Jahrzehnten haben vor allem asiatische Hersteller die industrialisierte Massenfertigung von Batterien vorangetrieben und so einen Wissensvorsprung aufgebaut. Seit einigen Jahren arbeitet die europäische Industrie daran, diesen aufzuholen. Nahezu alle Fahrzeughersteller haben inzwischen Entwicklungszentren für Batterien gegründet. Und einige, darunter die Volkswagen AG und die französische Groupe PSA, planen eigene Batteriezellfertigungen. Der europäische Kompetenzaufbau wird auch von einem starken Maschinen- und Anlagenbau vorangetrieben: So ist die Bühler Group führend bei der Mischtechnologie für Batteriematerialien und die Manz AG bietet schlüsselfertige Lösungen zur Produktion von Batteriezellen an.

9. Welche Batterietechnologie kann sich durchsetzen?

Für heutige Fahrzeuge setzen alle großen Hersteller auf die Lithium-Ionen-Technologie. Heute kann diese Technologie die Kundenanforderungen am besten erfüllen. Für die Zukunft versprechen neuartige, sogenannte Post-Lithium-Ionen-Technologien weitere Verbesserungen. Darunter fallen Feststoff-, Lithium-Luft- und Lithium-Schwefel-Batterien. Sie befinden sich heute allerdings noch im Forschungsstadium. Es wird erwartet, dass Feststoffbatterien in diesem Jahrzehnt in einzelnen Fahrzeugsegmenten industriell produziert werden.

10. Wo ist der Batterieeinsatz noch sinnvoll – außer im Auto?

Die dynamische Verbesserung der Batterietechnologie macht die Elektrifizierung zusätzlicher Branchen attraktiv. Neben dem Straßenverkehr und der stationären Energiespeicherung wird an ihrem Einsatz im Agrar- und Bausektor, im Schienenverkehr ohne Oberleitung, im Schiffsverkehr und in der Luftfahrt geforscht. Die technischen und wirtschaftlichen Anforderungen an Batterien unterscheiden sich dabei enorm zwischen den Produkten. Ein Einsatz ist vom technologischen Fortschritt abhängig und zu unterschiedlichen Zeitpunkten sinnvoll.
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