Einblick

„Dieser Schatz ist unbezahlbar“

Unternehmen müssen sich auch außerhalb reiner Kennzahlen messen lassen, vielleicht mehr denn je. Von Mitarbeitenden, bei der Personalsuche, von Geschäftspartnern und der Gesellschaft insgesamt. Werte zu verankern und vor allem zu leben, trägt zu einer positiven Unternehmenskultur bei.

11/2023

Wofür steht ein Unternehmen? Was sind seine Ideale? Das wollen viele Menschen wissen – schon lange bevor sie erstmals mit einer Firma in persönlichen Kontakt treten.

Die Attrak­ti­vi­tät des Arbeit­ge­bers ist ein Schlüs­sel­fak­tor, wenn Unter­neh­mer das beste Per­so­nal gewin­nen und hal­ten wol­len. Men­schen sind moti­vier­ter, wenn sie sich mit ihren Auf­ga­ben und vor allem mit dem Unter­neh­men iden­ti­fi­zie­ren kön­nen. Aber woran lässt sich der pas­sen­de Arbeit­ge­ber auf einen Blick erken­nen? Ein Indi­ka­tor sind die Werte, denen sich ein Unter­neh­men ver­pflich­tet fühlt.

„Aller­dings reicht es nicht, Werte auf­zu­schrei­ben. Sie müs­sen als grund­le­gen­de Hal­tung gelebt und behut­sam wei­ter­ent­wi­ckelt wer­den. Dann sind sie ein unbe­zahl­ba­rer Schatz“, sagt Dr. Wolf­gang Frei­bich­ler. Der Manage­ment­be­ra­ter ist Part­ner bei Por­sche Con­sul­ting und beschäf­tigt sich seit vie­len Jah­ren mit der Rolle des Men­schen im Berufs­le­ben und sei­nen Ansprü­chen. Er nimmt das Top-Manage­ment und das Füh­rungs­per­so­nal in die Ver­ant­wor­tung: „Sie sind es, die durch Vor­le­ben für Klima, Atmo­sphä­re und Image ver­ant­wort­lich sind. Diese Kul­tur soll­te noch viel mehr in den Fokus und ins Bewusst­sein rücken.“

Beson­ders gut abzu­le­sen sind „geleb­te Werte“ oft bei tra­di­ti­ons­rei­chen Fami­li­en­un­ter­neh­men. Mit­tel­ständ­ler, die aus klei­nen Anfän­gen über Gene­ra­tio­nen Gro­ßes geschaf­fen haben, hal­ten an der Idee und den Vor­stel­lun­gen ihres Grün­ders fest, ent­wi­ckeln sie wei­ter und pas­sen sie im Ide­al­fall heu­ti­gen Anfor­de­run­gen an. Der „Unter­neh­mens­kern“ gibt allen betei­lig­ten Men­schen Halt, Sicher­heit und bie­tet Orientierung.

„Führungskräfte müssen die aktive Verantwortung für Klima, Atmosphäre und Image übernehmen. Vorleben ist dafür der beste Weg“, sagt Dr. Wolfgang Freibichler, Partner bei der Managementberatung Porsche Consulting. Porsche Consulting/Jörg Eberl

Das deut­sche Unter­neh­men Trumpf – inter­na­tio­nal füh­rend im Bau von Werk­zeug­ma­schi­nen und Spe­zia­list für Laser­tech­nik – for­mu­liert in Bezug auf das gesell­schaft­li­che Umfeld seine Wer­te­ori­en­tie­rung so: „Als Fami­li­en­un­ter­neh­men sind uns öko­no­mi­sche wie öko­lo­gi­sche Nach­hal­tig­keit als Lebens­grund­la­ge kom­men­der Gene­ra­tio­nen beson­ders wich­tig.“ Exper­te Frei­bich­ler sieht in der Ver­ant­wor­tung für die Zukunft ein wich­ti­ges Signal. Seine Pro­gno­se: „Die Wer­te­ori­en­tie­rung wird in den kom­men­den Jah­ren an Bedeu­tung wei­ter zuneh­men. Was auf der Web­site eines Unter­neh­mens steht, wird kri­tisch hin­ter­fragt. Die Glaub­wür­dig­keit steht auf dem Prüf­stand. Denn zum Bei­spiel beim Recrui­ting schau­en Stel­len­be­wer­ber genau, ob das Selbst­ver­ständ­nis des poten­zi­el­len Arbeit­ge­bers mit ihren Vor­stel­lun­gen har­mo­niert. Das ist hoch­sen­si­bel. Eben­so wer­den Geschäfts­part­ner und Kun­den sol­che Unter­neh­men vor­zie­hen, die bei Nach­hal­tig­keit, Ethik, Com­pli­ance und sozia­ler Ver­ant­wor­tung aus eige­nem Antrieb vor­bild­lich han­deln. Ehr­lich­keit und Bestän­dig­keit spie­len dabei große Rollen.“

Auch beim 1951 gegrün­de­ten Her­ren­hem­den­her­stel­ler Olymp steht „Cor­po­ra­te Respon­si­bi­li­ty“ im Mit­tel­punkt. Mark Bez­ner, Fami­li­en­un­ter­neh­mer in zwei­ter Gene­ra­ti­on, for­mu­liert aus, was das kon­kret bedeu­tet: „Nur Men­schen, die sich wohl­füh­len, kön­nen hoch­wer­ti­ge Pro­duk­te fer­ti­gen. Als inzwi­schen glo­bal agie­ren­des Unter­neh­men hat Olymp sein Werte-Ideal aus­ge­wei­tet und sieht sich für Umwelt, Klima und Gesell­schaft in der unter­neh­me­ri­schen Verantwortung.“

Beson­ders in Pha­sen der Trans­for­ma­ti­on sta­bi­li­siert ein soli­des Wer­te­ge­rüst. „In vie­len Unter­neh­men bleibt gera­de kein Stein auf dem ande­ren. Por­sche Con­sul­ting hat Füh­rungs­kräf­te in den 100 größ­ten Unter­neh­men in ganz Deutsch­land befragt. 66 Pro­zent der befrag­ten Unter­neh­men wol­len sich in den nächs­ten zwei Jah­ren grund­sätz­lich neu auf­stel­len“, sagt Frei­bich­ler und resü­miert: „Unse­re Ana­ly­sen zei­gen, dass Werte dabei ein wesent­li­ches Ele­ment bil­den. Ihre ver­ant­wor­tungs­vol­le Anwen­dung kann dabei hel­fen, dass Men­schen vom Wan­del weder über­rascht noch über­for­dert wer­den.“ Werte, so der Exper­te, „die­nen als Kom­pass für die Ori­en­tie­rung der Mit­ar­bei­ten­den. Werte wie Nach­hal­tig­keit, Ver­ant­wor­tung, Qua­li­tät und Kun­den­ori­en­tie­rung sind aber auch wich­ti­ge Maß­stä­be in der Transformation“.

Gera­de die Nach­hal­tig­keit ist als star­ker Wert in aller Munde. Aber was gehört alles zur Nach­hal­tig­keit? Eine ein­gren­zen­de Defi­ni­ti­on scheint kaum mög­lich. „Wich­ti­ger ist aber die Inter­pre­ta­ti­on die­ses Begriffs, die jedes Unter­neh­men für sich indi­vi­du­ell tref­fen und sorg­fäl­tig for­mu­lie­ren soll­te“, sagt Frei­bich­ler. Als über­ge­ord­net gel­ten­de Bei­spie­le nennt der Bera­ter den Umgang mit älte­ren Kol­le­gen, die Wert­schät­zung gegen­über den Mit­ar­bei­te­rin­nen und Mit­ar­bei­tern, dem Pro­dukt, den Kun­den, den Lie­fe­ran­ten und auch gegen­über der Welt. „Wir müs­sen ins­ge­samt sorg­fäl­ti­ger mit­ein­an­der, mit dem Berufs­le­ben und mit unse­rer gesam­ten Umwelt umge­hen“, so Frei­bich­ler. Das sei den meis­ten Unter­neh­mens­lei­tun­gen auch bewusst: „In unse­rer Umfra­ge haben 83 Pro­zent der Füh­rungs­kräf­te gesagt, dass sich ihr Unter­neh­men in punc­to Nach­hal­tig­keit grund­sätz­lich neu auf­stel­len wird. Getoppt wurde die­ser Wert nur vom Mega­the­ma Digitalisierung.“

Die Werte eines Unter­neh­mens müs­sen in Schlüs­sel­mo­men­ten erleb­bar sein, for­dert Manage­ment­be­ra­ter Frei­bich­ler: „Damit meine ich die bewuss­te Gestal­tung bedeu­ten­der Situa­tio­nen im Arbeits­all­tag, zum Bei­spiel bei tur­nus­mä­ßi­gen Mit­ar­bei­ter­ge­sprä­chen zwi­schen Vor­ge­setz­ten und Team­mit­glie­dern. Men­schen brau­chen einen Kom­pass, an dem sie sich ori­en­tie­ren kön­nen. Und die­ser Kom­pass muss im Unter­neh­men ein­heit­lich aus­ge­rich­tet sein. Werte soll­ten lang­fris­tig gel­ten und dür­fen nicht alle paar Jahre leicht­fer­tig geän­dert wer­den. Behut­sa­me Wei­ter­ent­wick­lung ist jedoch wich­tig. Und dabei zählt auch, was Men­schen, die neu ins Unter­neh­men kom­men, prio­ri­sie­ren.“ Das, so beob­ach­tet Frei­bich­ler in sei­ner Bera­ter­pra­xis, „kann heute durch­aus ziem­lich weit ent­fernt von mone­tä­ren Aspek­ten und rei­nem Gewinn­stre­ben sein“.

Zum nächsten Thema gehenNachhaltigkeit 2024: Darauf schaut das
Top-Management