Von heute auf morgen:
Telearbeit überall
Als quasi über Nacht eine Pandemie die Form der Arbeit grundlegend veränderte, mussten die Berater von Porsche Consulting sich etwas Kluges einfallen lassen, um ihre Kunden nicht im Stich zu lassen und deren Projekte zu Ende zu führen.
09/2020
Die Corona-Pandemie hat zwar den weltweiten Reiseverkehr zum Erliegen gebracht, aber nicht die Geschäftsbeziehungen zwischen Unternehmen – und auch nicht die laufenden Kundenprojekte, die Porsche Consulting betreut. In der Konsequenz musste allerdings die von der Unternehmensberatung bevorzugte Form der Zusammenarbeit – praxisbezogen, persönlich und mit intensiven Arbeitstreffen – nun den Reiseverboten und den Regeln der sozialen Distanz angepasst werden.
Drei Beispiele von Kanada bis Chile zeigen, wie die Berater und ihre Kunden die notwendigen Veränderungen angegangen sind und die Projekte trotz einer abrupten Umstellung auf Telearbeit erfolgreich bewältigen konnten. Die Erfahrungen daraus lassen erkennen, dass Einfallsreichtum und digitale Zusammenarbeit den Bedarf an Kundenbesuchen einerseits zukünftig verringern, die persönliche Note aber nicht verdrängen werden.
Mentalität geändert: Codelco
Codelco ist der größte Kupferproduzent weltweit. Das staatliche Unternehmen betreibt in Chile sieben Bergwerke und acht Erzaufbereitungsanlagen, die bis zum Jahr 2019 jeweils eigene Logistik- und Beschaffungsabteilungen unterhielten.
Mit dem Ziel konzernweiter Einspareffekte beschloss Codelco die standortferne Zusammenlegung des Einkaufs und die unternehmensweite Einführung der Telearbeit. Laut dem Supply Chain Corporate Manager Ricardo Reyes waren sowohl die Führungskräfte als auch die Belegschaft nur schwer davon zu überzeugen, dass die Verlagerung funktionieren würde. „Der Bergbau ist eine stark von Traditionen geprägte Branche, in der persönliche Beziehungen eine große Rolle spielen“, so Reyes. „Die Werksleitungen haben sich vehement dafür eingesetzt, ihr Personal am jeweiligen Standort zu belassen.“
Der Bergbau ist eine stark von Traditionen geprägte Branche, in der persönliche Beziehungen eine große Rolle spielen.
Porsche Consulting wurde beauftragt, an der Ausarbeitung und Einführung neuer Telearbeitsprozesse mitzuwirken. „Der Ausbruch der Coronakrise hat dazu beigetragen, die Denkweise der Menschen an den betroffenen Standorten zu verändern“, so Francisco Fuentealba, Manager bei Porsche Consulting. Telearbeit stellte plötzlich die sicherste Option dar und erwies sich als in großem Maßstab praktikabel – auch für die Berater. Statt persönlich zu weit entfernten Bergwerken in Chile und wieder zurückzureisen, führten sie ihre Gespräche mit betroffenen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern im Rahmen regelmäßiger Videokonferenzen.
Beinahe über Nacht wurden Präsenztreffen und Konferenzen mit bis zu achtzig Teilnehmenden durch Formen der digitalen Zusammenarbeit und Microsoft-Teams-Sitzungen ersetzt. Auf einmal wurden die seit mehr als drei Jahren laufenden Bemühungen des Unternehmens zur Einführung einer effizienten Telearbeit im Beschaffungswesen in besonderem Maße wertgeschätzt. Bei einem Erstversuch bewirkte die Umstellung auf eine zentrale Beschaffung eine Verkürzung der Genehmigungsdauer für Kaufaufträge um 50 Prozent und eine Optimierung des Arbeitspensums.
Die Mitwirkung von Porsche Consulting an dem Projekt endete zwar im Juni dieses Jahres, ist aber nach wie vor weit über die wichtigen Erfolgsindikatoren wie etwa schnellerer Warenumschlag, niedrigere Kosten und geringerer Personalbedarf hinaus spürbar. Reyes und sein Team halten weiterhin jeden Donnerstag um 15 Uhr eine Onlinesitzung ab. „Das ist zu einem Ritual geworden“, sagt er lachend, „und eine Folge der Arbeitsdisziplin, die Porsche Consulting mitgebracht hat – auch nach Projektabschluss wird weiter nach Optimierungsmöglichkeiten gesucht.“
Codelco …
Aus der Ferne zugeschaut: Sto Panel
Die Firma Sto ist ein bedeutender Hersteller von Fertigelementen für die Bauwirtschaft. Unter dem Namen Sto Panel ermöglicht sie einem Partnernetzwerk von Subunternehmern und Herstellern, qualitativ hochwertige vorgefertigte Außenwände zu produzieren. Im Jahr 2019 erhielt Porsche Consulting den Auftrag, die Produktionsprozesse beim kanadischen Sto Panel-Partner Skyrise in Pickering, Ontario, effizienter zu machen. Die Produktionsstätte von Skyrise stieß mit ihren dreißig Beschäftigten an ihre Grenzen und suchte nach einer Möglichkeit, die Ausbringungsmenge ohne Erweiterung der vorhandenen Anlagen zu steigern.
Nach einer Werksanalyse Ende 2019 reisten die Berater von Porsche Consulting Anfang März 2020 erneut nach Kanada, um die erarbeiteten Lösungen in die betriebliche Praxis umzusetzen. Nur zwei Wochen später jedoch traten die coronabedingten Reisebeschränkungen in Kraft, sodass sie das Projekt nicht persönlich bis zum Abschluss begleiten konnten. Stattdessen mussten die Berater sich zügig etwas einfallen lassen, um das Projekt auf Kurs zu halten. Sie ersetzten Flipchart und Papier durch Tools für die virtuelle Zusammenarbeit: von da an fanden die Besprechungen mit den Beschäftigten des SkyRise-Werks unter Anwendung von Konferenz- und Messenger-Apps statt. „Das Projekt gemeinsam mit unserem Kunden zu realisieren, ist ein wesentlicher Bestandteil unserer Arbeit“, sagt Jean Collard, Manager bei Porsche Consulting. „Deshalb haben wir versucht, anwesend zu sein, ohne wirklich vor Ort zu sein.“
Die Evaluierung der Videos aus dieser Perspektive war ein großer Vorteil. Wir haben dadurch viel Zeit gespart.
Patrick Kehrer, Manufacturing and On-Site Solutions Manager bei Sto, zeigte sich insbesondere vom Einfallsreichtum der Experten von Porsche Consulting auf der Suche nach Problemlösungen mitten in der Coronakrise beeindruckt. Eine ungewöhnliche Idee fiel besonders aus dem Rahmen: Da die Berater die neu eingeführten Prozesse und Arbeitsabläufe nicht persönlich in Augenschein nehmen konnten, machten sie sich die Überwachungskameras im Betrieb zunutze und konnten so im Schnelldurchlauf besser verstehen, an welchen Stellen sich der Produktionsfluss noch optimieren ließ. „Die Evaluierung der Videos aus dieser Perspektive war ein großer Vorteil“, so Kehrer. „Wir haben dadurch viel Zeit gespart.“ Die Kreativität zahlte sich aus, das Produktionsvolumen wuchs um mehr als das Zweifache.
Damit werden persönliche Standortbesuche allerdings nicht überflüssig, vor allem dann nicht, wenn es bei einem Projekt auch darum geht, die Belegschaft für sich zu gewinnen. „Mit der physischen Anwesenheit erreicht man bei den Beschäftigten etwas, das sich virtuell nicht bewerkstelligen lässt“, so Kehrer. „Wenn man jemanden zuerst persönlich kennenlernt, stellt der Übergang zur digitalen Zusammenarbeit kein Problem mehr dar.“
Sto …
Schritt für Schritt: Edenred
Das auf Prepaid-Servicedienste spezialisierte brasilianische Unternehmen Ticket Log hält seine Kunden gut in Bewegung: Mehr als 30.000 von ihnen verlassen sich auf das Unternehmen, um die Betankung und Wartung ihrer Unternehmensflotten mit insgesamt rund einer Million Fahrzeugen zu verwalten. Das entspricht 2,5 Milliarden Liter Treibstoff und sieben Millionen Ersatzteilen jährlich.
Nicht den Überblick bei der Betreuung dieser enormen Anzahl an Fahrzeugen zu verlieren, stellt eine Herkulesaufgabe dar, deren Bewältigung Ticket Log – eine Tochtergesellschaft des multinationalen französischen Konzerns Edenred – effizienter gestalten wollte. Durch den Einsatz von Entscheidungsfindungs-Software und Künstlicher Intelligenz erhoffte sich Ticket Log günstigere Preise für seine Kunden und bessere Ergebnisse seiner 18.000 Vertragswerkstätten. In letzter Konsequenz wollte man die Anzahl der an Entscheidungen beteiligten Personen verringern und die Kunden befähigen, Fuhrparkprobleme punktgenau zu benennen.
Edenred beauftragte Porsche Consulting mit einer durchgängigen Überprüfung der Automatisierungsprozesse. Besprechungen und Workshops wurden in Präsenzform durchgeführt, die Berater flogen wöchentlich für ganztägige Besuche in die Stadt Rio Grande do Sul, dem brasilianischen Stammsitz von Ticket Log. Diese Vorgehensweise wurde mit der coronabedingten Stilllegung des Flugverkehrs im März hinfällig. Die Zusammenarbeit musste virtuell weitergeführt werden – mit Erfolg, sagt Eduardo Fleck, Leiter Fleet Maintenance & Mobility Solutions bei Edenred Brasilien. „Wir haben erkannt, dass man auch virtuell sehr tatkräftig zusammenarbeiten kann und das Projekt davon stark profitiert.“
Es war beeindruckend, wie wir unter Telearbeitsbedingungen diese Verbesserungen in das Projekt einbringen konnten.
Dafür aber mussten die Berater ihre Arbeitsweise überdenken. Es lag auf der Hand, dass die ganztägigen Besprechungen, die Edenred von Porsche Consulting mittlerweile erwartete, sich nicht gut in eine virtuelle Form bringen ließen: Onlinesitzungen von drei oder vier Stunden Dauer ohne Pause waren nicht praktikabel. „Wenn eine Onlinesitzung länger als zwei Stunden dauert, lässt die Konzentration nach“, sagt William Kang, Senior Expert bei Porsche Consulting. Daher teilten die Berater die zu besprechenden Themen in kleinere Einheiten auf, um die Sitzungen zu verkürzen. Sie änderten auch ihre Vorbereitung und trafen sich täglich zu „Vorfeldsitzungen“, in denen sie ihre Vorschläge genauer ausarbeiteten und mögliche Diskussionspunkte bereits durchgingen. Mit den so entwickelten Lösungsvorschlägen konnten sie später die Besprechungen mit ihren Gesprächspartnern bei Edenred beschleunigen und zügig Ergebnisse erzielen wie etwa die Vereinfachung des Bestellsystems zu dem Zweck, automatische Genehmigungen zu erleichtern. „Es war beeindruckend, wie wir unter Telearbeitsbedingungen diese Verbesserungen in das Projekt einbringen konnten“, betont Eduardo Fleck. „Vor der Pandemie hätten wir das nicht für möglich gehalten.“
Die geänderte Vorgehensweise stützte sich auf eine virtuelle Projektumgebung, aus der alle notwendigen Schritte zum Erreichen der Ziele von Ticket Log ersichtlich waren. Durch Fokussierung des jeweils zur Diskussion stehenden Schrittes konnten sich die Sitzungsteilnehmer problemlos orientieren und nachvollziehen, was sie bereits erreicht hatten und was noch vor ihnen lag. „Das hat uns geholfen, nicht vom Thema abzuweichen“, so Kang, „denn jeder wusste ja, dass die übrigen Fragen nicht vergessen worden waren, sondern in einer anderen Sitzung zur Sprache kommen würden.“