Industriegüter

Neue Jobs
für Roboter

Der Einsatz von Robotern in Industrie, Service und Handel weitet sich seit Jahren kontinuierlich aus. Ein Ende des Booms scheint allein deshalb nicht in Sicht, weil Hersteller wie ABB immer neue Jobs für ihre Roboter finden.

11/2022

Leonardo Leani, Division Manager Robotics & Discrete Automation bei ABB (links), und Claudio Brusatori, Partner bei Porsche Consulting Italia, diskutieren das Potential des kollaborativen ABB-Roboters Yumi. Porsche Consulting/Gabriele Zanon

Sie schwei­ßen, löten, lackie­ren, trans­por­tie­ren und arbei­ten viel­fach mit Men­schen Hand in Hand: Die Rede ist von Robo­tern. In Indus­trie und Ser­vice sind sie kaum mehr weg­zu­den­ken. Wel­chen Stel­len­wert die tech­ni­schen Hel­fer vor allem in der Indus­trie haben, macht schon ein Blick auf die Zah­len deut­lich: So waren laut Bran­chen­ver­band IFR 2010 welt­weit rund 1 Mil­li­on Robo­ter im Ein­satz. Im Jahr 2020 hat sich der Wert ver­drei­facht: auf über 3 Mil­lio­nen Robo­ter. Leo­nar­do Leani, Divi­si­on Mana­ger für Robo­tics & Descrete Auto­ma­ti­on bei ABB in Ita­li­en, wun­dert diese Ent­wick­lung nicht: „Mit dem Ein­satz von Robo­tern opti­mie­ren Unter­neh­men ihre Pro­duk­ti­vi­tät, sen­ken die Kos­ten und stei­gern so ihre Gewin­ne. Damit ver­bes­sern sie unterm Strich ihre Wett­be­werbs­si­tua­ti­on – und zwar nachhaltig.“

Tat­säch­lich kom­men Robo­ter in immer mehr Berei­chen zur Anwen­dung. So hat der E‑Com­mer­ce-Boom der ver­gan­ge­nen Jahre den Ein­satz von Robo­tern beim auto­no­men, intel­li­gen­ten und siche­ren Be- und Ent­la­den von Pake­ten beflü­gelt. An ande­rer Stel­le führt die E‑Mobilität zu neuen Anwen­dungs­fäl­len für die auto­no­men Hel­fer. So wer­den zum Bei­spiel vie­ler­orts Lade­ro­bo­ter für das Auf­tan­ken von Elek­tro­fahr­zeu­gen ein­ge­setzt. Gemein­sam mit dem US-ame­ri­ka­ni­schen Auto­mo­bil­zu­lie­fe­rer Dor­man ist es ABB gelun­gen, das Recy­cling von Elek­tro­au­to-Bat­te­rien zu auto­ma­ti­sie­ren – und das mit beein­dru­cken­den Zah­len. So konn­te durch den Ein­satz von Robo­tern die Fer­ti­gungs­zeit der Bat­te­rien um 66 Pro­zent ver­kürzt und die Tages­pro­duk­ti­on der „bat­tery packs“ ver­drei­facht werden.

Über eine Million Roboter kommen weltweit allein in der Industrie zur Anwendung. Leani (links) und Brusatori verschaffen sich bei ihrem Rundgang durch das ABB Robotics Technology Center in Vittuone einen Überblick über das Einsatzspektrum der intelligenten Maschinen. Porsche Consulting/Gabriele Zanon

Zudem grei­fen Robo­ter ver­stärkt auf Inno­va­tio­nen angren­zen­der Tech­no­lo­gien zurück, wie etwa Künst­li­che Intel­li­genz, maschi­nel­les Ler­nen, Cloud Com­pu­ting und Lösun­gen, die den Mobil­funk­stan­dard 5G nut­zen. Da 5G rund zehn­mal schnel­ler ist als 4G, kön­nen große Daten­men­gen ohne Zeit­ver­zö­ge­rung über­tra­gen wer­den. Das führt zu neuen Lösun­gen im Bereich Indus­trie 4.0 und ermög­licht zum Bei­spiel auch den Ein­satz von Robo­tern bei Teleoperationen.

Produktiveres Arbeiten dank Robotik

Trotz der Vor­zü­ge, die moder­ne Robo­tik heute bie­tet: Zu Beginn ihres Ein­sat­zes in der Indus­trie bestand die Sorge, Maschi­nen könn­ten mensch­li­che Arbeits­kraft ein­mal mar­gi­na­li­sie­ren, erin­nert sich Clau­dio Brusa­to­ri, der als Part­ner bei Por­sche Con­sul­ting Ita­lia den Kun­den ABB betreut. Doch statt einer Ver­drän­gung seien immer mehr indus­tri­el­le Kon­zep­te ent­stan­den, in denen Mensch und Robo­ter zusam­men­ar­bei­te­ten. „Kol­la­bo­ra­ti­ve, ein­fach zu bedie­nen­de, leich­te, wen­di­ge und reak­ti­ons­schnel­le Robo­ter sind heute für eine enge Zusam­men­ar­beit mit dem Men­schen kon­zi­piert“, so Brusa­to­ri. „Sie wer­den so nicht nur zu einem rei­nen Arbeits­mit­tel, son­dern zu hoch­ent­wi­ckel­ten und kol­la­bo­ra­ti­ven Maschi­nen, die Pro­zes­se ver­bes­sern und das Wohl­erge­hen der Mit­ar­bei­ten­den fördern.“

Und wenn Robo­ter die Arbei­ten­den tat­säch­lich ein­mal erset­zen, dann dort, wo Men­schen ohne­hin nichts ver­lo­ren haben, erklärt Brusa­to­ri: „Robo­ter sprin­gen für den Men­schen in gefähr­li­chen Situa­tio­nen bezie­hungs­wei­se toxi­schen Umge­bun­gen ein: Unter wid­ri­gen Bedin­gun­gen heben sie schwe­re Las­ten und las­sen sich hier­bei auch von gif­ti­gen Sub­stan­zen nicht aus der Ruhe brin­gen.“ Die Vor­tei­le der Robo­tik für ein nach­hal­ti­ges und pro­duk­ti­ves Arbei­ten wer­den mitt­ler­wei­le auch von den frü­hen Zweif­lern aner­kannt. Die Skep­sis von einst ist einer neuen Auf­bruchs­stim­mung gewichen.

Paradigmenwechsel bei Produktionsabläufen

„Wir erle­ben bei den Pro­duk­ti­ons­ab­läu­fen einen ech­ten Para­dig­men­wech­sel“, unter­streicht ABB-Mana­ger Leani. „Die Robo­tik hat sich hier indus­trie­über­grei­fend als ein­fa­che und viel­sei­ti­ge Lösung erwie­sen, um Qua­li­tät und Pro­duk­ti­vi­tät zu stei­gern.“ Auch wenn immer mehr Unter­neh­men von den Vor­zü­gen der moder­nen Robo­tik pro­fi­tie­ren wol­len – nicht immer sind sie auch bereit die hohen Sum­men für die hoch­wer­ti­ge Tech­nik tat­säch­lich zu inves­tie­ren. Auf die­sen Umstand haben sich Her­stel­ler wie ABB Robo­tics mitt­ler­wei­le ein­ge­stellt. Mit neuen Ver­triebs­mo­del­len – ein­schließ­lich der Ver­mie­tung der Robo­ter über fest­ge­leg­te Zeit­räu­me – gewin­nen sie auch Kun­den, die auf einen hohen Cash-Flow im eige­nen Unter­neh­men bedacht sind.

Enrico Cassani, Supervisor am ABB Robotics Technology Center in Vittuone, erklärt Brusatori, wie es dem Roboter Yumi gelingt, sich optimal auf die Zusammenarbeit mit dem Menschen einzustellen.Porsche Consulting/Gabriele Zanon
Die Präzision des Yumi ist erstaunlich: Mit seinen zwei Greifarmen gelingt es ihm, selbst feinmotorische Aufgaben spielend leicht zu bewältigen – auch das Bedienen eines Zauberwürfels ist für ihn kein Problem. Porsche Consulting/Gabriele Zanon
Nach der gemeinsamen Arbeit von Mensch und Maschine braucht der Yumi keine Pause – und kann seinem Partner auf Wunsch einen guten italienischen Kaffee servieren. Porsche Consulting/Gabriele Zanon
Brusatori und Leani begutachten den GoFa CRB 15000, einen Prototyp für kollaboratives Schweißen. Der GoFa ist mit speziellen Sensoren ausgestattet und ermöglicht es, die Leistung eines Industrieroboters mit der Sicherheit und Ergonomie eines kollaborativen Roboters zu kombinieren. Porsche Consulting/Gabriele Zanon

Lang­fris­ti­ge Ent­wick­lun­gen, wie der Man­gel an qua­li­fi­zier­ten Arbeits­kräf­ten in Euro­pa, stim­men Leani zuver­sicht­lich, dass sich der Trend zu immer mehr „Robo­ter-Kol­le­gen“ in der Beleg­schaft der Unter­neh­men ver­fes­tigt. Auch eine Umfra­ge von ABB und dem Markt­for­schungs­in­sti­tut 3Gem Glo­bal Mar­ket aus dem Janu­ar 2021 unter 1.650 inter­na­tio­na­len Ent­schei­dungs­trä­gern in der Indus­trie unter­streicht die Ent­wick­lung. Dem­nach sehen 85 Pro­zent der Befrag­ten in der Coro­na-Pan­de­mie einen Kata­ly­sa­tor für eine ver­stärk­te Ver­brei­tung von Auto­ma­ti­sie­rungs­tech­no­lo­gien. Fast eben­so viele (84 Pro­zent) sind der Ansicht, dass sie in den nächs­ten zehn Jah­ren erst­mals Robo­ter oder ande­re Auto­ma­ti­sie­rungs­lö­sun­gen ein­set­zen, bezie­hungs­wei­se ihren Bestand an Robo­tern in die­sem Zeit­rah­men wei­ter aus­bau­en werden.

Die Ver­triebs­da­ten, die der Bran­chen­ver­band IFR vor­ge­legt hat, trü­ben den Aus­blick aller­dings ein wenig. So ist die Anzahl der instal­lier­ten Indus­trie­ro­bo­ter in den Jah­ren 2019 und 2020 im Ver­gleich zu 2018 deut­lich rück­läu­fig: Wurde 2018 noch ein Rekord­wert von 422 Anla­gen instal­liert, waren es im Fol­ge­jahr nur noch 382. Immer­hin blieb die Zahl der gelie­fer­ten Robo­ter im Coro­na­jahr 2020 mit 384 Anla­gen stabil.

Auch ande­re Fak­to­ren könn­ten zu Unsi­cher­hei­ten im Markt füh­ren. So hat es im Jahr 2020 eine tek­to­ni­sche Plat­ten­ver­schie­bung in der Kun­den­struk­tur bei Indus­trie­ro­bo­tern gege­ben. Seit der erste Indus­trie­ro­bo­ter 1961 an Gene­ral Motors ver­kauft und in sei­nem Werk im US-Bun­des­staat New Jer­sey instal­liert wurde, war die Auto­mo­bil­in­dus­trie immer der wich­tigs­te Abneh­mer von Robo­ter­tech­no­lo­gien. Im Jahr 2020 wurde die Auto­mo­bil­in­dus­trie erst­mals von der Elek­tro­nik-Indus­trie als neuem Pre­mi­um-Kun­den abge­löst. Wel­che Aus­wir­kun­gen die­ser Wach­wech­sel haben wird, lässt sich aktu­ell noch nicht mit Gewiss­heit sagen.

In der Steuerungszentrale bei ABB hat Leani alles im Blick. Der ABB-Manager muss dabei mit steigender Nachfrage rechnen, denn die Umsätze im Roboter-Markt sollen bis 2030 kräftig steigen. Porsche Consulting/Gabriele Zanon

ABB will CO2-Emissionen seiner Kunden deutlich senken

Nicht nur beim Umsatz zie­len Leani und seine Kol­le­gin­nen und Kol­le­gen auf Nach­hal­tig­keit ab. ABB will auch sei­ner Ver­ant­wor­tung gerecht wer­den und einen Bei­trag zur Reduk­ti­on des CO2-Aus­sto­ßes leis­ten. Leani hat sich ehr­gei­zi­ge Ziele gesetzt: Er möch­te seine Kun­den dabei unter­stüt­zen, ihre jähr­li­chen CO2-Emis­sio­nen bis 2030 um min­des­tens 100 Mega­ton­nen zu redu­zie­ren. Das ent­spricht in etwa den jähr­li­chen Emis­sio­nen von 30 Mil­lio­nen Autos oder 40 Koh­le­kraft­wer­ken. „Auf diese Weise kön­nen wir in all unse­ren Betrie­ben Koh­len­stoff­neu­tra­li­tät errei­chen und die Emis­sio­nen ent­lang der gesam­ten Lie­fer­ket­te reduzieren.“

Auch in ande­ren Berei­chen ist Leani auf Moder­ni­sie­rungs­kurs. So hat er sich nicht nur die Mit­ar­bei­ter- und Auf­trag­neh­mer­zu­frie­den­heit auf die Fah­nen geschrie­ben, son­dern auch die Viel­falt und Gleich­stel­lung der Geschlech­ter, Alters­grup­pen und der LGBTQ+-Community im Unter­neh­men. „Was die Gleich­stel­lung der Geschlech­ter betrifft, stre­ben wir bis 2030 ein aus­ge­wo­ge­nes Ver­hält­nis sowohl bei der Beleg­schaft als auch in Füh­rungs­po­si­tio­nen an.“ Ein gutes Unter­neh­mens­kli­ma zu för­dern, scheint in Zei­ten des Fach­kräf­te­man­gels durch­aus Sinn zu machen – vor allem in Berei­chen, in denen noch keine Robo­ter ein­ge­setzt wer­den können.

Die ABB Group

Die 1988 gegründete ABB Group blickt auf eine über 130-jährige Erfolgsgeschichte in der Welt der Innovation zurück. Das Unternehmen hat seinen Ursprung in der Fusion zweier historischer Unternehmen, ASEA und BBC, die 1883 bzw. 1891 gegründet wurden. ABB Robotics ist in über 100 Ländern vertreten und in den Bereichen Robotik, Energie und Automation tätig. Diese sind in vier Makrobereiche unterteilt: Elektrifizierung, Prozessautomation, Antriebstechnik und Robotics. Bedeutende Markterfolge erzielte ABB mit dem 1998 eingeführten Verpackungsroboter FlexPicker dem 2015 unter dem Namen YuMi gelaunchten ersten wirklich kollaborativen Roboter der Welt und mit dem 2017 eigenführten ABB Ability – einem branchenführenden digitalen Lösungsangebot, das Kunden mit dem industriellen Internet der Dinge verbindet.
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