Neue Jobs
für Roboter
Der Einsatz von Robotern in Industrie, Service und Handel weitet sich seit Jahren kontinuierlich aus. Ein Ende des Booms scheint allein deshalb nicht in Sicht, weil Hersteller wie ABB immer neue Jobs für ihre Roboter finden.
11/2022
Sie schweißen, löten, lackieren, transportieren und arbeiten vielfach mit Menschen Hand in Hand: Die Rede ist von Robotern. In Industrie und Service sind sie kaum mehr wegzudenken. Welchen Stellenwert die technischen Helfer vor allem in der Industrie haben, macht schon ein Blick auf die Zahlen deutlich: So waren laut Branchenverband IFR 2010 weltweit rund 1 Million Roboter im Einsatz. Im Jahr 2020 hat sich der Wert verdreifacht: auf über 3 Millionen Roboter. Leonardo Leani, Division Manager für Robotics & Descrete Automation bei ABB in Italien, wundert diese Entwicklung nicht: „Mit dem Einsatz von Robotern optimieren Unternehmen ihre Produktivität, senken die Kosten und steigern so ihre Gewinne. Damit verbessern sie unterm Strich ihre Wettbewerbssituation – und zwar nachhaltig.“
Tatsächlich kommen Roboter in immer mehr Bereichen zur Anwendung. So hat der E-Commerce-Boom der vergangenen Jahre den Einsatz von Robotern beim autonomen, intelligenten und sicheren Be- und Entladen von Paketen beflügelt. An anderer Stelle führt die E-Mobilität zu neuen Anwendungsfällen für die autonomen Helfer. So werden zum Beispiel vielerorts Laderoboter für das Auftanken von Elektrofahrzeugen eingesetzt. Gemeinsam mit dem US-amerikanischen Automobilzulieferer Dorman ist es ABB gelungen, das Recycling von Elektroauto-Batterien zu automatisieren – und das mit beeindruckenden Zahlen. So konnte durch den Einsatz von Robotern die Fertigungszeit der Batterien um 66 Prozent verkürzt und die Tagesproduktion der „battery packs“ verdreifacht werden.
Zudem greifen Roboter verstärkt auf Innovationen angrenzender Technologien zurück, wie etwa Künstliche Intelligenz, maschinelles Lernen, Cloud Computing und Lösungen, die den Mobilfunkstandard 5G nutzen. Da 5G rund zehnmal schneller ist als 4G, können große Datenmengen ohne Zeitverzögerung übertragen werden. Das führt zu neuen Lösungen im Bereich Industrie 4.0 und ermöglicht zum Beispiel auch den Einsatz von Robotern bei Teleoperationen.
Produktiveres Arbeiten dank Robotik
Trotz der Vorzüge, die moderne Robotik heute bietet: Zu Beginn ihres Einsatzes in der Industrie bestand die Sorge, Maschinen könnten menschliche Arbeitskraft einmal marginalisieren, erinnert sich Claudio Brusatori, der als Partner bei Porsche Consulting Italia den Kunden ABB betreut. Doch statt einer Verdrängung seien immer mehr industrielle Konzepte entstanden, in denen Mensch und Roboter zusammenarbeiteten. „Kollaborative, einfach zu bedienende, leichte, wendige und reaktionsschnelle Roboter sind heute für eine enge Zusammenarbeit mit dem Menschen konzipiert“, so Brusatori. „Sie werden so nicht nur zu einem reinen Arbeitsmittel, sondern zu hochentwickelten und kollaborativen Maschinen, die Prozesse verbessern und das Wohlergehen der Mitarbeitenden fördern.“
Und wenn Roboter die Arbeitenden tatsächlich einmal ersetzen, dann dort, wo Menschen ohnehin nichts verloren haben, erklärt Brusatori: „Roboter springen für den Menschen in gefährlichen Situationen beziehungsweise toxischen Umgebungen ein: Unter widrigen Bedingungen heben sie schwere Lasten und lassen sich hierbei auch von giftigen Substanzen nicht aus der Ruhe bringen.“ Die Vorteile der Robotik für ein nachhaltiges und produktives Arbeiten werden mittlerweile auch von den frühen Zweiflern anerkannt. Die Skepsis von einst ist einer neuen Aufbruchsstimmung gewichen.
Paradigmenwechsel bei Produktionsabläufen
„Wir erleben bei den Produktionsabläufen einen echten Paradigmenwechsel“, unterstreicht ABB-Manager Leani. „Die Robotik hat sich hier industrieübergreifend als einfache und vielseitige Lösung erwiesen, um Qualität und Produktivität zu steigern.“ Auch wenn immer mehr Unternehmen von den Vorzügen der modernen Robotik profitieren wollen – nicht immer sind sie auch bereit die hohen Summen für die hochwertige Technik tatsächlich zu investieren. Auf diesen Umstand haben sich Hersteller wie ABB Robotics mittlerweile eingestellt. Mit neuen Vertriebsmodellen – einschließlich der Vermietung der Roboter über festgelegte Zeiträume – gewinnen sie auch Kunden, die auf einen hohen Cash-Flow im eigenen Unternehmen bedacht sind.
Langfristige Entwicklungen, wie der Mangel an qualifizierten Arbeitskräften in Europa, stimmen Leani zuversichtlich, dass sich der Trend zu immer mehr „Roboter-Kollegen“ in der Belegschaft der Unternehmen verfestigt. Auch eine Umfrage von ABB und dem Marktforschungsinstitut 3Gem Global Market aus dem Januar 2021 unter 1.650 internationalen Entscheidungsträgern in der Industrie unterstreicht die Entwicklung. Demnach sehen 85 Prozent der Befragten in der Corona-Pandemie einen Katalysator für eine verstärkte Verbreitung von Automatisierungstechnologien. Fast ebenso viele (84 Prozent) sind der Ansicht, dass sie in den nächsten zehn Jahren erstmals Roboter oder andere Automatisierungslösungen einsetzen, beziehungsweise ihren Bestand an Robotern in diesem Zeitrahmen weiter ausbauen werden.
Die Vertriebsdaten, die der Branchenverband IFR vorgelegt hat, trüben den Ausblick allerdings ein wenig. So ist die Anzahl der installierten Industrieroboter in den Jahren 2019 und 2020 im Vergleich zu 2018 deutlich rückläufig: Wurde 2018 noch ein Rekordwert von 422 Anlagen installiert, waren es im Folgejahr nur noch 382. Immerhin blieb die Zahl der gelieferten Roboter im Coronajahr 2020 mit 384 Anlagen stabil.
Auch andere Faktoren könnten zu Unsicherheiten im Markt führen. So hat es im Jahr 2020 eine tektonische Plattenverschiebung in der Kundenstruktur bei Industrierobotern gegeben. Seit der erste Industrieroboter 1961 an General Motors verkauft und in seinem Werk im US-Bundesstaat New Jersey installiert wurde, war die Automobilindustrie immer der wichtigste Abnehmer von Robotertechnologien. Im Jahr 2020 wurde die Automobilindustrie erstmals von der Elektronik-Industrie als neuem Premium-Kunden abgelöst. Welche Auswirkungen dieser Wachwechsel haben wird, lässt sich aktuell noch nicht mit Gewissheit sagen.
ABB will CO2-Emissionen seiner Kunden deutlich senken
Nicht nur beim Umsatz zielen Leani und seine Kolleginnen und Kollegen auf Nachhaltigkeit ab. ABB will auch seiner Verantwortung gerecht werden und einen Beitrag zur Reduktion des CO2-Ausstoßes leisten. Leani hat sich ehrgeizige Ziele gesetzt: Er möchte seine Kunden dabei unterstützen, ihre jährlichen CO2-Emissionen bis 2030 um mindestens 100 Megatonnen zu reduzieren. Das entspricht in etwa den jährlichen Emissionen von 30 Millionen Autos oder 40 Kohlekraftwerken. „Auf diese Weise können wir in all unseren Betrieben Kohlenstoffneutralität erreichen und die Emissionen entlang der gesamten Lieferkette reduzieren.“
Auch in anderen Bereichen ist Leani auf Modernisierungskurs. So hat er sich nicht nur die Mitarbeiter- und Auftragnehmerzufriedenheit auf die Fahnen geschrieben, sondern auch die Vielfalt und Gleichstellung der Geschlechter, Altersgruppen und der LGBTQ+-Community im Unternehmen. „Was die Gleichstellung der Geschlechter betrifft, streben wir bis 2030 ein ausgewogenes Verhältnis sowohl bei der Belegschaft als auch in Führungspositionen an.“ Ein gutes Unternehmensklima zu fördern, scheint in Zeiten des Fachkräftemangels durchaus Sinn zu machen – vor allem in Bereichen, in denen noch keine Roboter eingesetzt werden können.