Mobilität

Lieferkette – neu gedacht

Kommt es zu Engpässen in der Lieferkette, stehen Produktionsanlagen der durchgetakteten Industrie schnell still. Mit dem Datenökosystem Catena-X will sich die Automobilindustrie deshalb besser gegen Krisen wappnen. Catena-X soll auch Kosten reduzieren, die Qualität erhöhen, für mehr Nachhaltigkeit sorgen und zu neuen Geschäftsmodellen führen. Im Porsche Consulting Magazin erklären drei Experten, was Catena-X leistet und wie schon bald auch viele kleinere Unternehmen und andere Branchen davon profitieren.

12/2023

Mehrwert durch Kooperation: Mit Catena-X schafft die Automobilindustrie ein gemeinsames Datenökosystem und Industrienetzwerk, dessen Dateninteroperabilität und Transparenz Vorteile für alle Teilnehmer bringt – von der Mine bis zum Recycling. Vor allem in vier Themengebieten erwarten die Catena-X-Architekten positive Effekte: Bei der Nachhaltigkeit, der Resilienz, bei den Kosten und der Möglichkeit, neue Geschäftsmodelle zu entwickeln.Porsche Consulting/Clara Nabi

Als „indus­trie­po­li­ti­sches Leucht­turm­pro­jekt für die Digi­ta­li­sie­rung der Lie­fer­ket­ten“ hat der deut­sche Bun­des­wirt­schafts­mi­nis­ter Dr. Robert Habeck Catena‑X bei einem Digi­tal-Gip­fel im Dezem­ber 2022 bezeich­net. Damit dürf­te der Poli­ti­ker nicht zu hoch gegrif­fen haben. Von dem neuen, erwei­ter­ba­ren Daten­öko­sys­tem erhofft sich die Auto­mo­bil­in­dus­trie nicht nur wider­stands­fä­hi­ge­re, nach­hal­ti­ge­re und kos­ten­güns­ti­ge­re Struk­tu­ren in der Lie­fer­ket­te, son­dern auch neue Geschäfts­mo­del­le in der Zukunft. Wäh­rend immer mehr Unter­neh­men aus der Auto­mo­bil­in­dus­trie, aber auch Händ­ler und Aus­rüs­ter im gemein­sa­men Daten­raum koope­rie­ren, wird Catena‑X zudem zur Blau­pau­se für ent­spre­chen­de Platt­for­men in ande­ren Bran­chen. Der Grund: Die durch Catena‑X ent­wi­ckel­ten Prin­zi­pi­en, Anwen­dun­gen und Stan­dards sind wei­test­ge­hend uni­ver­sell anwend­bar und las­sen sich so leicht an die Wert­schöp­fungs­pro­zes­se ande­rer Wirt­schafts­sek­to­ren anpassen.

Die welt­wei­te Arbeits­tei­lung birgt Risi­ken, ins­be­son­de­re bei der Ver­sor­gung mit Vor­pro­duk­ten oder Roh­stof­fen aus dem Aus­land. Sinn­bild hier­für war die unbe­ab­sich­tig­te Blo­cka­de des Suez­ka­nals durch das aus dem Ruder gelau­fe­ne Fracht­schiff „Ever Given“ im März 2021. Der Hava­rist legte so eine wich­ti­ge Ader der See­fracht lahm. Frank Göl­ler, Head of Digi­tal Pro­duc­tion & Pro­ces­ses bei der Volks­wa­gen AG, kennt die Kon­se­quen­zen sol­cher Eng­päs­se: „Wenn ich zum Bei­spiel fest­stel­len muss, dass 20.000 Elek­tro­nik-Bau­tei­le nicht plan­mä­ßig gelie­fert wer­den, ver­kau­fe ich im schlimms­ten Fall 20.000 Autos weniger.“

Transparenz von der Rohstoffquelle bis zur Wiederverwertung

Die Zwangs­sper­rung des Suez­ka­nals, die Coro­na-Pan­de­mie, die Aus­wir­kun­gen des rus­si­schen Angriffs­kriegs in der Ukrai­ne – es sind diese nicht vor­her­seh­ba­ren Ereig­nis­se, die zei­gen: Im Ernst­fall war bis­lang ein schnel­ler Kapa­zi­täts­ab­gleich jen­seits eta­blier­ter Lie­fer­struk­tu­ren kaum mög­lich. Grund sind in vie­len Fäl­len große Lücken in der Daten­ver­füg­bar­keit. So rei­chen die meis­ten Unter­neh­men ihre Infor­ma­tio­nen tra­di­tio­nell nur an ihren nächs­ten Kun­den bezie­hungs­wei­se direk­ten Lie­fe­ran­ten wei­ter. In kom­ple­xen Bau­tei­len ste­cken jedoch oft Pro­duk­te zahl­rei­cher Vor­lie­fe­ran­ten. Doch eine schnel­le, unmit­tel­ba­re Rück­ver­fol­gung lässt der bis­he­ri­ge Daten­strom kaum zu.

Da zudem eine Viel­zahl unter­schied­li­cher Soft­ware­lö­sun­gen in Gebrauch sind und jedes Unter­neh­men seine eige­nen Daten­stan­dards defi­niert, sind vor­han­de­ne Infor­ma­tio­nen oft nicht mit­ein­an­der kom­pa­ti­bel. Dar­über hin­aus betrei­ben eini­ge Unter­neh­men not­wen­di­ge Schnitt­stel­len auch heute noch immer manu­ell. Der Daten­ab­gleich in der Wert­schöp­fungs­ket­te eines Vor­pro­dukts ist des­halb nahe­zu unmög­lich. Die Trans­pa­renz, die es bräuch­te, um schnell auf Kri­sen zu reagie­ren, gibt es nicht.

Genau das will die Auto­mo­bil­in­dus­trie jetzt ändern: Catena‑X soll die kom­plet­ten Wert­schöp­fungs­ket­ten aus­leuch­ten – von der Roh­stoff­mi­ne über die Kom­po­nen­ten­zu­lie­fe­rer bis hin zum Fahr­zeug­her­stel­ler. Und sogar dar­über hin­aus bis zu den Recy­cling­un­ter­neh­men, um den Kreis­lauf von Wert­stof­fen voll­stän­dig doku­men­tie­ren zu kön­nen. Auf die­ser Basis wer­den dann auch neue Lösun­gen beim Bedarfs- und Kapa­zi­täts­ma­nage­ment in der Sup­p­ly Chain mög­lich. So arbei­ten die Cate­na-X-Ent­wick­lungs­teams an leicht bedien­ba­ren Apps, die eine Echt­zeit­er­ken­nung von Kapa­zi­täts­stö­run­gen ermög­li­chen sol­len. „Wenn die Lie­fer­ket­te durch Catena‑X erst ein­mal kom­plett trans­pa­rent ist, dann sehe ich, wel­che Kapa­zi­tä­ten wo ver­füg­bar sind und wel­che drin­gend benö­tig­ten Teile ich in einer Son­der­si­tua­ti­on umrou­ten kann“, erklärt Göller.

Gleich­wohl geht es bei Catena‑X um mehr als eine höhe­re Resi­li­enz. Es geht auch um hand­fes­te Kos­ten­ein­spa­run­gen, neue Busi­ness-Model­le, nach­hal­ti­ge­res Wirt­schaf­ten, effi­zi­en­te­re Abläu­fe und ein opti­mier­tes Qua­li­täts­ma­nage­ment. Um die ehr­gei­zi­gen Ziele in die­sen Funk­ti­ons­fel­dern zu errei­chen, braucht es aller­dings nicht weni­ger als den größt­mög­li­chen Schul­ter­schluss in der Bran­che – auch unter Wett­be­wer­bern. Gera­de bei den heik­len The­men Daten­trans­fer und Daten­sou­ve­rä­ni­tät ist das kein leich­tes Unterfangen.

NachhaltigkeitUmwelt schützen mit mehr Informationen

Im Rahmen von Catena-X werden alle wichtigen Informationen über die Nachhaltigkeit eines Produkts gesammelt: verwendete Materialien, CO2-Werte, Risikostoffe, Zertifikate, Anteil recycelter oder recycelbarer Stoffe und vieles mehr. Eine Anwendung, die sich diese Daten bereits zunutze macht, ist der Battery Passport. Über alle Wertschöpfungsstufen hinweg werden hier Daten zur Batterie zusammengetragen: Die Materialversorger, Minen und Veredler (Insel 1) liefern Informationen über Anteile von Kobalt, Blei, Lithium und dergleichen.

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Nachhaltigkeit

Die Hersteller von Vorprodukten (Insel 2) leiten ihre Daten über den Batterietyp, seine Zusammensetzung und beispielsweise den Anteil der Rezyklate weiter. Von den Batterieherstellern (Insel 3) kommen die Verhaltensparameter der Batterie im verbauten Endprodukt. Und aus dem Bereich Aftersales und Recycling (Insel 4) werden Informationen über eine mögliche Zweitnutzung oder zum Thema Recycling zugeliefert. So können Verbraucherinnen und Verbraucher mit einem Blick erkennen, welche Batterien in ihrem Fahrzeug verbaut sind, wie sie hergestellt wurden und wie nachhaltig ihre Nutzung ist. Zudem können Unternehmen mit dem Battery Passport die Anforderungen der neuen EU-Batterieverordnung einhalten.

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ResilienzKrisen managen mit transparenten Lieferketten

Lieferengpässe, etwa bei den für die Industrie so wichtigen Mikrochips, lassen sich durch transparente Lieferketten deutlich besser managen. So werden durch den Zugriff auf Geschäftspartner-Stammdaten sowie Kapazitäts- und Bedarfsdaten einzelner Wertschöpfungsketten-Partner Engpässe schneller identifizierbar. Die Industrie kann dann frühzeitig Ausweichoptionen einleiten. Die Materialversorger und Veredler (Insel 1) sind durch die Analyse von Daten aus der Wertschöpfungskette in der Lage, alternative Beschaffungsstrategien zu entwickeln, um die Auswirkungen einer erneuten Chip-Krise zu minimieren.

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Resilienz

Sie können Daten über die Verfügbarkeit von Rohstoffen, Produktionszeiten für Batterien oder Lagerbestände der nachgelagerten Wertschöpfungsketten-Partner (Insel 2/ Insel 3) nutzen, um Lieferzeiten zu optimieren. Auch die Zulieferer (Insel 2) spielen eine wichtige Rolle: Durch den Zugriff auf Daten der Hersteller (Insel 3) können sie die Nachfrage nach Mikrochips besser prognostizieren und die Verteilung der Ressourcen priorisieren. Auch die Hersteller selbst (Insel 3) können durch Catena-X besser reagieren. Durch frühzeitiges Erkennen von Lieferengpässen auf der Basis der Kapazitätsdaten ihrer Modulzulieferer treffen sie schneller strategische (Ausweich-)Entscheidungen. Aber auch ein Blick auf die Kundendaten kann in einer solchen Situation hilfreich sein. Denn durch entsprechende Analysen, etwa zur Bestellhistorie, zu Nutzungsmustern oder Verkaufsprognosen, lässt sich eine validere Nachfrageprognose erstellen.

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Kostenreduktion Kosten minimieren durch Qualitäts-
management

Unvorhergesehene Kosten entstehen oft bei der Herstellung und durch Qualitätsprobleme bereits im Markt befindlicher Produkte. In beiden Fällen ist es wichtig, Lieferanten, Bauteile und Herstellprozessschritte in der Wertschöpfungskette schnell zuordnen zu können. Auf diese Weise können die Hersteller Maßnahmen einleiten, um die Fehler zu beseitigen. Durch ein Frühwarnsystem entlang der Lieferkette lässt sich die Produktion zeitnah anpassen, um Stillstandzeiten zu minimieren. Durch den Austausch über Qualitätsthemen über die Inseln der Lieferkette hinweg wird die Qualität von Vorprodukten auch langfristig verbessert.

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Kostenreduktion

Durch Catena-X werden Hersteller (Insel 3) künftig frühzeitig Hinweise erhalten, wenn Rohstoffe in Vorprodukten Probleme verursachen (Insel 1/Insel 2). Langfristig kann durch den Austausch mit den Materialversorgern (Insel 1) kontinuierlich an der Qualitätsverbesserung der Rohstoffe und den Rohstoffverarbeitungsprozessen gearbeitet werden. Tauschen die Automobilhersteller (Insel 3) zudem Informationen über die Anzahl und Art der auftretenden Fehler mit ihren Lieferanten (Insel 2) aus, lassen sich Muster und Ursachen von Qualitätsproblemen schneller erkennen. Der Zulieferer ergreift dann gezielt Maßnahmen, um die Fehler- und Ausfallraten zu reduzieren und die Produktqualität zu verbessern. Genauso bedeutsam ist der Informationstransfer zwischen Originalhersteller (Insel 3) und Recyclingunternehmen (Insel 4): Kann der Recycler auf Felddaten zugreifen, lassen sich schnellere und validere Urteile über die weitere Verwertbarkeit der Batterien treffen.

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Neue Geschäftsmodelle Business-Ideen mit Daten aus der Lieferkette

Die Catena-X-Experten sind sich einig: Die Nutzung der Daten aus der Wertschöpfungskette wird zu neuen Geschäftsmodellen führen, an die heute noch keiner denkt. Diese müssen nicht zwangsläufig von den etablierten Unternehmen in der Automobilindustrie initiiert werden, auch Start-ups könnten hier mit Ideen für neue Apps Umsätze realisieren. In einem ersten Schritt ist es aber wahrscheinlicher, dass Daten monetarisiert werden, die für die Partner im Netzwerk einen direkten Zusatznutzen haben.

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Neue Geschäftsmodelle

So könnten Rohstoffproduzenten (Insel 1) ihre Produktionsprozesse bedarfsgerechter ausrichten und die Qualität ihrer Materialien besser bewerten, wenn ihnen die Feld- und Werkstattdaten der Original- oder Vorprodukte-Hersteller (Insel 2/Insel 3) zur Verfügung stünden. Wenn sie hierdurch Kosten einsparen und die Kundenbindung steigern, sollten sie bereit sein, die entsprechenden Daten auch zu kaufen. Aus der gleichen Logik heraus dürften auch die Zulieferer (Insel 2) an Daten interessiert sein, welche die Fahrzeuge im Feld und im Rahmen von Werkstattreparaturen sammeln. Die Hersteller selbst (Insel 3) dürfte es hingegen interessieren, welche Komponenten die Recyclingunternehmen (Insel 4) erfolgreich weiterverwenden können. Auf diese Weise wären die Hersteller in der Lage, ihre Produktentwicklungs- und Produktionsprozesse stärker auf Nachhaltigkeit auszurichten.

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Vertrauen durch europäische Werte

Sicher­heit schafft hier zual­ler­erst, dass viele der Grund­sät­ze von Catena‑X gar nicht so neu sind, wie sie erschei­nen mögen. Sie haben sich bereits an ande­rer Stel­le bewährt. So for­mu­lier­te die Brüs­se­ler Non-Pro­fit-Orga­ni­sa­ti­on Gaia‑X Asso­cia­ti­on schon 2020 erste weg­wei­sen­de Prin­zi­pi­en zum Daten­trans­fer. 350 Unter­neh­men einig­ten sich auf die Grund­sät­ze einer gleich­be­rech­tig­ten Zusam­men­ar­beit, der Inter­ope­ra­bi­li­tät, auf den Ein­satz von Open-Source-Soft­ware und vor allem auf das Prin­zip der Datensouveränität.

Es sind genau diese all­ge­mein aner­kann­ten Nor­men, auf die sich auch Catena‑X bezieht. Um das wich­ti­ge Prin­zip der Daten­sou­ve­rä­ni­tät mit Leben zu fül­len, ver­zich­tet Catena‑X kom­plett auf den Ein­satz einer zen­tra­len Cloud. „Die Daten blei­ben aus­nahms­los bei den Unter­neh­men, es wer­den ledig­lich kon­text­be­zo­ge­ne Zugriffs­rech­te gezielt für spe­zi­fi­sche Anwen­dun­gen gewährt“, sagt Dr. Jür­gen Sturm, der als CIO des deut­schen Auto­mo­bil­zu­lie­fe­rers ZF-Group zu den Pio­nie­ren von Catena‑X gehört. „Statt alle Infor­ma­ti­ons­strän­ge bei einem Inter­me­di­är zu bün­deln, set­zen wir auf eine dezen­tra­le Lösung – das redu­ziert die Miss­brauchs­mög­lich­kei­ten erheblich.“

Es waren diese Leit­li­ni­en, die der Idee eines gemein­sa­men Daten­aus­tauschs immer mehr Anhän­ger ver­schaff­ten. Im Früh­jahr 2021 schlos­sen sich auf der Basis die­ser „euro­päi­schen Werte“ 28 Unter­neh­men zum Cate­na-X-Kon­sor­ti­um zusam­men. Geför­dert mit rund 110 Mil­lio­nen Euro aus dem deut­schen Wirt­schafts­mi­nis­te­ri­um ent­stand hier die erste Open-Source-Soft­ware zum Betrieb des gemein­sa­men Daten­raums. Zwei wei­te­re Orga­ne kom­plet­tie­ren heute die Struk­tur. Der Ver­ein Catena‑X Auto­mo­ti­ve Net­work spannt gewis­ser­ma­ßen den gemein­sa­men Schirm über seine mitt­ler­wei­le 170 Mit­glie­der: Er defi­niert die Gover­nan­ce, legt die Daten­stan­dards fest und zer­ti­fi­ziert die Anwen­dun­gen, mit denen die Mit­glie­der Daten bear­bei­ten kön­nen. Die Betrei­ber­ge­sell­schaft Cofinity‑X ver­schafft inter­es­sier­ten Unter­neh­men Zugang zum Netz­werk und stellt einen App-Markt­platz zur Ver­fü­gung, auf dem sie sich bedie­nen, auf dem sie aber auch selbst Apps anbie­ten können.

Die Ent­wick­lung des Pro­jekts ver­lief seit sei­ner Grün­dung rasant – was nicht zuletzt auf die über 100 Pro­gram­mie­re­rin­nen und Pro­gram­mie­rer zurück­zu­füh­ren ist, die sowohl Open-Source-Code als auch gemein­sa­me Daten­stan­dards ent­wi­ckelt haben. So konn­te das Kon­sor­ti­um seine Platt­form bereits im April 2023 auf der nord­deut­schen Indus­trie­leit­mes­se „Han­no­ver Messe“ in einer Pilot­ver­si­on prä­sen­tie­ren. Der nächs­te Mei­len­stein ist auch schon erreicht: Der Go-live von Cate­na-X-Ser­vices und KITs – den defi­nier­ten Stan­dards, etwa zur Ent­wick­lung und Ver­wen­dung von Daten – durch Cofinity‑X erfolg­te im Okto­ber 2023. Mit­hil­fe der Tools aus dem Cofi­ni­ty-X-App-Markt­platz sol­len die Unter­neh­men dann in zahl­rei­chen Anwen­dungs­ge­bie­ten Daten aus der Lie­fer­ket­te ana­ly­sie­ren können.

Fortschritt für die Nachhaltigkeit

Nicht allen Fel­dern kommt bei den Akteu­ren der Auto­mo­bil­in­dus­trie die glei­che Bedeu­tung zu. „Getrie­ben wird die Dis­kus­si­on rund um die Lie­fer­ket­te aktu­ell sehr stark von Nach­hal­tig­keits­the­men“, sagt Dr. Andre­as Woll­ny, Seni­or Mana­ger Digi­ta­liza­ti­on beim deut­schen Che­mie­gi­gan­ten BASF. Einer der Grün­de für das Inter­es­se der Unter­neh­men an den grü­nen und sozia­len The­men dürf­te in neuen, gesetz­li­chen Report­ing-Regeln zu fin­den sein. So sieht das seit 2022 in Deutsch­land gel­ten­de Lie­fer­ket­ten­sorg­falts­pflich­ten­ge­setz (LkSG) vor, dass grö­ße­re Unter­neh­men die Ein­hal­tung von Nach­hal­tig­keits­stan­dards über die gesam­te Wert­schöp­fungs­ket­te hin­weg gewähr­leis­ten und doku­men­tie­ren müs­sen. Natür­lich gehe Bericht­erstat­tung auch ohne digi­ta­len Daten­raum, gesteht Volks­wa­gen-Mann Göl­ler, „aber wenn ich ein sol­ches Report­ing hän­disch und mit Excel erstel­len muss, frisst das nicht nur enor­me Zeit, es wird mit Sicher­heit auch ziem­lich unge­nau.“ 

Das Thema „Nach­hal­tig­keits­be­richt­erstat­tung“ dürf­te in den kom­men­den Jah­ren an Rele­vanz gewin­nen: Ab 2024 müs­sen alle Unter­neh­men mit über 1.000 Ange­stell­ten zei­gen, wie sie die sozia­len und öko­lo­gi­schen Stan­dards gewähr­leis­ten – und zwar von der Roh­stoff­quel­le bis zum End­pro­dukt im Auto­haus. Noch im sel­ben Jahr greift zudem eine ähn­li­che Vor­schrift auf EU-Ebene. Natür­lich gel­ten die Report­ing-Pflich­ten nicht nur für die Auto­mo­bil­in­dus­trie, son­dern für Unter­neh­men aus allen Wirt­schafts­be­rei­chen. „Unse­re Lösun­gen sind des­halb für alle Unter­neh­men inter­es­sant, die Daten zur Nach­hal­tig­keit erhe­ben und mit ihren Kun­den und Part­nern tei­len wol­len“, ist sich Woll­ny sicher.  

Catena-X – ein Erfolgsmodell auch für andere Branchen?

Tat­säch­lich haben die ers­ten Ver­bän­de ande­rer Indus­trie­be­rei­che inzwi­schen beim Catena‑X Auto­mo­ti­ve Net­work ange­klopft, um sich Tipps zum Auf­bau eines Sys­tems für die eige­ne Bran­che abzu­ho­len. Am wei­tes­ten dürf­ten die Mache­rin­nen und Macher der Indus­trie-Initia­ti­ve Manufacturing‑X sein. Damit soll ein­mal die Wert­schöp­fung der gesam­ten Fer­ti­gungs­in­dus­trie abge­bil­det wer­den kön­nen. Dass ande­re Indus­trien von den Erfah­run­gen bei Catena‑X pro­fi­tie­ren, steht für die Exper­ten außer Frage. Denn die hier defi­nier­ten Prin­zi­pi­en, Anwen­dun­gen und Stan­dards gel­ten wei­test­ge­hend als uni­ver­sell. An die jewei­li­gen Wert­schöp­fungs­pro­zes­se ande­rer Bran­chen ange­passt, könn­ten diese schnell und sicher von den Vor­tei­len pro­fi­tie­ren, die Catena‑X bietet.

Jetzt kleinere Unternehmen weltweit überzeugen

„Für den Erfolg von Catena‑X ist es wich­tig, die eige­ne Indus­trie noch stär­ker für das Pro­jekt zu begeis­tern. Hier­bei gilt es auch inter­na­tio­nal zu den­ken“, sagt Sturm: „Die deut­sche Auto­mo­bil­in­dus­trie kann nur glo­bal erfolg­reich sein. Wir wol­len des­halb, dass unse­re Stan­dards welt­weit zur Anwen­dung kom­men.“ Als Vice Pre­si­dent Inter­na­tio­na­liza­ti­on bei Catena‑X ist es vor allem Göl­ler, der auf den wich­tigs­ten Auto­mo­bil­märk­ten für die­ses Ziel trom­melt. Und das mit Erfolg: So ist bereits ein Cate­na-X-Hub in Frank­reich ent­stan­den und auch die Ver­hand­lun­gen in den USA, Japan und China ver­lau­fen viel­ver­spre­chend. Auch wenn Göl­ler zu Beginn sei­ner Gesprä­che oft auf Skep­sis stößt, am Ende ist es nicht nur Göl­lers gewin­nen­de Art, die die Kri­ti­ker über­zeugt – es sind die Argu­men­te. „Irgend­wann ver­steht ein­fach jeder, dass er einen immensen Vor­teil hat, wenn er Teil die­ses funk­tio­nie­ren­den Öko­sys­tems wird“, sagt Göller.

Oft sind es die gro­ßen Play­er, die den Mehr­wert von Catena‑X als Ers­tes erken­nen. „Die Akzep­tanz beim Mit­tel­stand ist aktu­ell noch eine Her­aus­for­de­rung“, räumt Woll­ny ein. Da hoch­spe­zia­li­sier­te klei­ne und mitt­le­re Unter­neh­men (KMU) wesent­li­che Play­er in der Auto­mo­bil­pro­duk­ti­on sind, geht es auf lange Sicht nicht ohne sie. Woll­ny und Kol­le­gen ent­wi­ckeln ihre Tools des­halb gezielt mit Blick auf die Bedürf­nis­se der KMU wei­ter. So soll es noch nied­rig­schwel­li­ge­re Ange­bo­te geben, noch ein­fa­che­re Lösun­gen, die auch ohne eige­nen Sys­tem­ad­mi­nis­tra­tor umge­setzt wer­den kön­nen. Sturm spricht sogar von „Anwen­dun­gen nach dem Prin­zip Plug-and-Play“.

Neue Business-Ideen – Investitionen in die Zukunft

Doch auch wenn die leich­te­re Hand­ha­bung der Tools eine nöti­ge Vor­aus­set­zung ist, um Catena‑X für brei­te­re Ziel­grup­pen zu öff­nen – es dürf­te letzt­lich der unter­neh­me­ri­sche Mehr­wert sein, der die Ent­schei­der über­zeu­gen wird. Gestei­ger­te Qua­li­tät, gerin­ge­re Kos­ten, Stär­kung der Unter­neh­mens­re­si­li­enz, schnel­le­res und effi­zi­en­te­res Daten­hand­ling sowie eine bes­se­re Abstim­mung des Bedarfs mit den Kun­den – es gibt viele gute Grün­de, um ein Teil des gro­ßen Gan­zen zu wer­den. Auch stra­te­gi­sche Erwä­gun­gen soll­ten poten­zi­el­le Cate­na-X-Nut­zer in ihrem Kal­kül berück­sich­ti­gen. So sind sich die Exper­tin­nen und Exper­ten einig, dass es durch die Ver­net­zung schon bald neue Busi­ness-Kon­zep­te geben wird, an die heute noch kei­ner denkt. Es ist somit auch das enor­me Zukunfts­po­ten­zi­al, das Catena‑X aus­macht. Für Woll­ny steht des­halb fest, dass Catena‑X trotz aller Erfol­ge noch ganz am Anfang steht: „Mit Catena‑X ver­fügt die indus­tri­el­le Welt über eine neue, ska­lier­ba­re Zukunfts­tech­no­lo­gie, die glo­bal in immer mehr Bran­chen ste­tig an Rele­vanz gewin­nen wird.“


Dr. Jürgen Sturm: „Von ‚Ego-Systemen‘ zum Eco-System“

ZF Friedrichshafen

Dr. Jür­gen Sturm lei­tet als CIO und Seni­or Vice Pre­si­dent den Bereich Cor­po­ra­te Infor­ma­ti­on Tech­no­lo­gy beim inter­na­tio­na­len Tech­no­lo­gie­kon­zern ZF Group. Als Vor­stands­mit­glied des Catena‑X Auto­mo­ti­ve Net­work ist er zudem ein Cate­na-X-Pio­nier der ers­ten Stun­de. Bevor Sturm 2015 zu ZF stieß, war er 16 Jahre als CIO in der Con­su­mer Indus­trie tätig. Er ver­ant­wor­te­te hier die Digi­ta­le Trans­for­ma­ti­on bei den deut­schen Unter­neh­men BSH Bosch und Sie­mens Haus­ge­rä­te und Grun­dig. Der Maschi­nen­bau-Inge­nieur begann seine Kar­rie­re 1995 beim deut­schen Auto­her­stel­ler Daim­ler, zunächst als Lei­ter Busi­ness Pro­cess Reen­gi­nee­ring und spä­ter als Bereichs­lei­ter Glo­bal Sup­p­ly Chain Manage­ment bei der Daim­ler-Toch­ter TEMIC Semi­con­duc­tors.

Dr. Jürgen Sturm erinnert sich noch gut an die Visionen vor vier, fünf Jahren. „Jedes große Unternehmen wollte damals seine eigene Cloud aufbauen und diese dann für andere Unternehmen bereitstellen“, fasst der CIO und Senior Vice President des Bereichs Corporate Information Technology der ZF Group, die damaligen Vorstellungen zusammen. Die unternehmenseigene Cloud griff jedoch zu kurz. Zumal die Konzepte vom Denkmodell her stets als zentralisierte Plattformen, also mit einer Cloud-Infrastruktur in der Rolle eines zentralen Intermediärs angelegt waren. Als eine Instanz also, bei der alle Informationen zentralisiert zusammenliefen und die diese Daten universell auslesen und für alle bereitstellen sollte. In der Rolle dieses Intermediärs sahen die meisten Visionäre natürlich das eigene Unternehmen. Sturm erkannte damals schnell: „Das kann nicht funktionieren – diese Ansätze sind alle zum Scheitern verurteilt.“
Für Jürgen Sturm, CIO und Senior Vice President Corporate Information Technology bei der ZF Group sowie Vorstandsmitglied des Catena-X Automotive Network, ist Catena-X ein echter Paradigmenwechsel.Porsche Consulting/Jörg Eberl

Der Gedan­ken­feh­ler der frü­hen Visio­nä­re: Die Lie­fer­ket­ten sind zu ver­zweigt, als dass ein Unter­neh­men alle ande­ren in einem zen­tra­len Cloud-Ansatz inte­grie­ren könn­te. Kein Unter­neh­men kann die Stan­dards für alle for­mu­lie­ren – vor allem nicht in einer so inter­na­tio­na­li­sier­ten Bran­che wie der Auto­mo­bil­in­dus­trie. Des wei­te­ren gibt es gute Grün­de, sein wich­tigs­tes Gut, näm­lich die Daten eben nicht in einer Hand zusam­men­zu­füh­ren. Viel bes­ser ist es, die Daten­ho­heit bei den jewei­li­gen Eigen­tü­mern zu belas­sen und eben nur genau die­je­ni­gen Daten aus­zu­tau­schen, die für einen spe­zi­fi­schen Anwen­dungs­fall not­wen­dig sind. „Es muss­te in den Köp­fen aller Betei­lig­ten des­halb zuerst einen Klick geben: Wir muss­ten begrei­fen, dass Koope­ra­ti­on für alle der bes­se­re Weg ist“, sagt Sturm. „Alle gemein­sam müs­sen wir uns von indi­vi­dua­li­sier­ten Ego-Sys­te­men tren­nen und zu einem über­grei­fen­den Eco-Sys­tem entwickeln.“

Es brauch­te also Zusam­men­ar­beit und es brauch­te auch tech­ni­sche Lösun­gen, um die Ängs­te der Koope­rie­ren­den zu zer­streu­en. Die Angst zu glä­sern zu wer­den bei­spiels­wei­se, vor allem für die Kon­kur­renz. Mei­len­stei­ne auf dem Weg zum gemein­sa­men Öko­sys­tem waren die Prin­zi­pi­en von Gaia‑X, auf deren Basis eine Hand­voll Unter­neh­men 2021 Catena‑X für die Auto­mo­bil­in­dus­trie grün­de­ten. „Ein ech­ter Para­dig­men­wech­sel“, wie Sturm fin­det. So hät­ten die Part­ner vom Pro­blem-State­ment – was wol­len wir gemein­sam errei­chen? – bis hin zu den Lösungs­kon­zep­ten von Anfang an alles gemein­sam ent­wi­ckelt. „Im vor­wett­be­werb­li­chen Mit­ein­an­der ent­stand ein ech­tes Vertrauensfundament.“

Daten teilen ohne Risiko?

Um die Sou­ve­rä­ni­tät der Daten bei den Unter­neh­men zu belas­sen, wer­den diese nur „kon­text­sen­si­tiv mit­ein­an­der ver­schal­tet“, wie Sturm erklärt. Herz­stück des neuen Daten­raums ist der soge­nann­te Eclip­se Data­space Conec­tor (EDC). Er ist auf zwei Ebe­nen ange­legt: Auf der Ver­hand­lungs­ebe­ne (con­trol plane) han­deln die betei­lig­ten Unter­neh­men in der jewei­li­gen Lie­fer­ket­te aus, wel­che Daten für den aktu­el­len Use Case benö­tigt wer­den. Auf der Daten­ebe­ne (data plane) zeigt das Tool im Anschluss die spe­zi­fi­schen Daten an – und nur diese. Der Clou des Sys­tems: Die Teil­neh­mer der Lie­fer­ket­te schlie­ßen bei der Wei­ter­ga­be von Daten jeweils ein­zel­ne, auf den spe­zi­fi­schen Daten­satz bezo­ge­ne Ver­trä­ge mit­ein­an­der ab und schlie­ßen damit infor­ma­tio­nel­len Miss­brauch von vorn­hin­ein aus. In Catena‑X wird das Prin­zip „1 up and 1 down“ in der Daten­ket­te ange­wen­det. Das bedeu­tet: Der Teil­neh­mer sieht nur seine direk­ten Zulie­fe­rer und Kun­den, nicht aber Unter­neh­men dar­über hin­aus. Der Daten­aus­tausch fin­det hier­bei immer direkt zwi­schen den Unter­neh­men statt ohne einen zen­tra­len Intermediär.

Das Kon­zept von Catena‑X ist so aus­ge­legt, dass es eine Viel­zahl von Unter­neh­men unter­schied­li­cher Größe inte­grie­ren kann. „Catena‑X ist somit keine deut­sche oder euro­päi­sche Ange­le­gen­heit“, stellt Sturm fest. „Die euro­päi­sche Auto­mo­bil­in­dus­trie kann nur glo­bal erfolg­reich sein – über­grei­fen­de Stan­dards müs­sen daher welt­weit zur Anwen­dung kom­men.“ Doch die Initia­to­ren haben nicht nur groß gedacht, auch klei­ne und mit­tel­stän­di­sche Unter­neh­men (KMU) soll­ten von Anfang an dabei sein. „Das ist wich­tig, denn diese Unter­neh­men machen den Groß­teil der Lie­fer­ket­te aus – auf sie kann nicht ver­zich­tet wer­den, will man mit Catena‑X erfolg­reich sein.“

Was also tun, um diese Unter­neh­men zur Koope­ra­ti­on zu bewe­gen? Druck ist jeden­falls nicht die rich­ti­ge Stra­te­gie, davon ist Sturm über­zeugt. Statt­des­sen müsse man ihnen den Mehr­wert von Catena‑X auf­zei­gen. Zudem soll­ten die bereit­ge­stell­ten Anwen­dun­gen mög­lichst nach den Prin­zip Plug-and-Play funk­tio­nie­ren. Denn anders als die Gro­ßen der Bran­che hät­ten die klei­ne­ren Unter­neh­men oft keine IT-Fach­leu­te, die eine kom­ple­xe Sys­tem­in­te­gra­ti­on umset­zen könn­ten. „Wir brau­chen des­halb nied­rig­schwel­li­ge Ange­bo­te mit gerin­gen Zugangs­bar­rie­ren, sonst gewin­nen wir diese Unter­neh­men nicht für die gemein­sa­me Sache.“

Ein Teil des Nut­zens für die KMU ergibt sich aus den bereit­ge­stell­ten Anwen­dun­gen. So lässt sich durch Catena‑X bei­spiels­wei­se das Geschäfts­part­ner­da­ten­ma­nage­ment opti­mie­ren und ver­ein­fa­chen. Und noch ein Grund bin­det auch klei­ne­re Unter­neh­men ein: Die Lie­fer­ab­ru­fe. Soll­te es Catena‑X gelin­gen, das ein­heit­li­che Instru­ment zum Kapa­zi­täts­ab­gleich in der Lie­fer­ket­te zu wer­den, durch das die Her­stel­ler ihren Bedarf mit Zulie­fe­rern abstim­men, dann wird die Moti­va­ti­on zur Zusam­men­ar­beit bei allen Par­tei­en noch ein­mal deut­lich stei­gen. Ein wei­te­rer Vor­teil ist die Inter­ope­ra­bi­li­tät der Anwen­dun­gen. Egal wel­cher Anbie­ter oder wel­che Open Source Anwen­dung ver­wen­det wird, die Anwen­dun­gen sind durch die glei­che Seman­tik und Berech­nungs­me­tho­de, wel­che durch die Catena‑X Stan­dards defi­niert wer­den, kompatibel.

Die Großen brauchen die Kleineren

ZF jeden­falls kann und will nicht auf die klei­nen Zulie­fe­rer bei Catena‑X ver­zich­ten. „Wir wol­len spä­tes­tens 2040 kli­ma­neu­tral wer­den“, sagt Sturm. „Wie schnell wir die­ses ver­bind­li­che Ziel errei­chen und dies auch ent­spre­chend nach­wei­sen und doku­men­tie­ren kön­nen, steht und fällt immer auch mit den Daten­ket­ten.“ Und zu die­sen Daten­ket­ten gehö­ren KMUs inte­gral mit dazu. Gera­de in der Phase der Daten­ag­gre­ga­ti­on ver­lie­ren viele Unter­neh­men aus Sicht Sturms schon heute deut­lich zu viel Zeit. Dabei sei es doch so: „Wenn es gelingt, not­wen­di­ge Daten schnel­ler zu erhe­ben, kann ich mehr Zeit auf die Daten­ana­ly­se und schließ­lich auf Maß­nah­men ver­wen­den, um Pro­ble­me zu behe­ben oder Pro­zes­se durch Opti­mie­run­gen kos­ten­güns­ti­ger zu machen.“

Catena‑X wäre wie kein ande­res Sys­tem dazu in der Lage, die den Aus­tausch von Daten um ein Viel­fa­ches zu beschleu­ni­gen. Dass man Catena‑X bei ZF auch dar­über hin­aus eine Menge zutraut, ver­deut­licht die schlich­te Anwen­dungs­brei­te des Tools beim Zulie­fe­rer: Für ins­ge­samt sie­ben der zehn Use Cases von Catena‑X setzt ZF es auch ein: Von Nach­hal­tig­keits- und Lie­fer­ket­ten-The­men über Daten­er­he­bun­gen bei der Kreis­lauf­wirt­schaft und Demand- und Kapa­zi­täts­ma­nage­ment bis hin zum Geschäfts­part­ner­da­ten­ma­nage­ment und zum Qua­li­täts­da­ten­aus­tausch kom­men Apps des Kon­sor­ti­ums zum Ein­satz. Dar­über hin­aus simu­lie­ren Sturm und Kol­le­gen mit den Cate­na-X-Daten digi­ta­le Zwil­lin­ge: Durch Mus­ter bei der Fahr­zeug­nut­zung soll eine vor­beu­gen­de War­tung und Instand­hal­tung mög­lich werden.

Ungeahnte Konzepte

So viel­fäl­tig die Instru­men­te schon heute sind, die Part­ner erwei­tern die Anwen­dungs­be­rei­che von Catena‑X ste­tig und der Brü­cken­schlag zu ande­ren Indus­trien wie etwa mit dem gleich­ar­ti­gen Ansatz Manufacturing‑X in der Fer­ti­gungs­in­dus­trie ist vor­ge­zeich­net. So ver­spricht sich Sturm durch die Ver­net­zung von Catena‑X mit ande­ren Indus­trien in der Zukunft ganz neue Poten­zia­le für „unge­ahn­te Busi­ness-Kon­zep­te“. Vor allem in den Berei­chen Ver­net­zung von Infra­struk­tur, Mobi­li­tät, Ener­gie, Sicher­heit und bei­spiels­wei­se im Rah­men von inte­grier­ten Smart-City-Kon­zep­ten sieht der ZF-CIO Poten­zi­al. „Viele Lebens­be­rei­che ver­schmel­zen mehr und mehr mit­ein­an­der. Wenn ich die zugrun­de­lie­gen­den Daten durch Daten­raum­tech­no­lo­gie kon­text­sen­si­tiv mit­ein­an­der ver­schal­te, kann ich voll­kom­men neue Geschäfts­mo­del­le entwickeln.“


Frank Göller: „Wir schaffen das Netzwerk der Netzwerke“

Porsche Consulting/Andreas Laible

Frank Göl­ler ist seit 2019 Head of Digi­tal Pro­duc­tion & Pro­ces­ses bei Volks­wa­gen im nord­deut­schen Wolfs­burg. Er steu­ert die kon­zern­wei­ten Digi­ta­li­sie­rungs­ak­ti­vi­tä­ten in Pro­duk­ti­on und Logis­tik mit dem Ziel, einen auto­no­men und durch­gän­gig ver­netz­ten Pro­duk­ti­ons­pro­zess zu eta­blie­ren. Bis Mai 2023 ver­ant­wor­te­te er als Vor­stand des Ver­eins Catena‑X Auto­mo­ti­ve Net­work die inter­na­tio­na­le Ska­lie­rung des Daten­öko­sys­tems, um anschlie­ßend in der Rolle des Vice Pre­si­dent Inter­na­tio­na­liza­ti­on noch fokus­sier­ter den welt­wei­ten Roll­out zu beschleu­ni­gen. Vor sei­ner Zeit bei Volks­wa­gen war Göl­ler in ver­schie­de­nen Manage­ment-Posi­tio­nen in der Indus­trie tätig und hat sein eige­nes Start-up im Bereich grü­ner Ener­gien gegründet.

Frank Göller war viel unterwegs in den vergangenen zwei Jahren: Tokio, Shanghai, Peking, Seattle. In Paris war er gleich dreimal. Seine Mission: die Catena-X-Vision bekannt machen, die Vorteile des Netzwerks herausarbeiten, neue Mitstreitende gewinnen. Als Vice President Internationalization des Catena-X Automotive Networks will er aus einem Netzwerk aus primär deutschen Automobil- und Zulieferunternehmen ein europäisches, ja internationales machen. Das Problem: „Viele Entscheider in der Automobilindustrie haben noch nicht das volle Potenzial verstanden, welches in Catena-X steckt.“ Das gelte es national und international stärker herauszuarbeiten. „Wir haben noch eine riesige Aufgabe vor uns.“
Frank Göller, Head of Digital Production & Processes bei Volkswagen, setzt auf Kooperation und will Catena-X noch stärker internationalisieren.Porsche Consulting/Andreas Laible

Dabei haben Göl­ler und sein Team in kur­zer Zeit schon viel erreicht. So ist unter sei­ner Feder­füh­rung in Frank­reich ein ers­ter euro­päi­scher Cate­na-X-Hub jen­seits der deut­schen Gren­zen ent­stan­den. Ein­fach war es nicht, die Fran­zo­sen dafür zu gewin­nen, sagt Göl­ler. Skep­sis schlug ihm anfangs vor allem bei zwei The­men ent­ge­gen: bei der Frage, wie die Unter­neh­men wei­ter­hin zu jeder Zeit sou­ve­rän über ihre Daten ver­fü­gen kön­nen und wie sich die bestehen­den fran­zö­si­schen Struk­tu­ren und Catena‑X ver­bin­den lassen.

Mit Blick auf die Daten­sou­ve­rä­ni­tät hat Göl­ler in Paris zunächst viel über Stan­dard­de­fi­ni­tio­nen dis­ku­tiert. Auch der Ein­satz von Block­chain-Tech­no­lo­gie oder die Inte­gra­ti­on von bestehen­den Mate­ri­al-Track­ing-Appli­ka­tio­nen waren den Fran­zo­sen wich­tig. Göl­ler und sein Team haben immer wie­der die Vor­tei­le des dezen­tra­len Daten­raums und des Prin­zips der kon­text­be­zo­ge­nen Zugriffs­rech­te betont – „schließ­lich haben wir unse­re Gesprächs­part­ner auf diese Weise für das gemein­sa­me Pro­jekt gewon­nen.“ Auch bei der Kopp­lung der bestehen­den Struk­tu­ren konn­te Göl­ler die fran­zö­si­schen Kol­le­gen auf seine Seite zie­hen. „Unse­re Idee ist es ja gera­de, kom­pa­ti­ble Schnitt­stel­len für bestehen­de Netz­wer­ke zu schaf­fen, um auf diese Weise unser Netz­werk auf­zu­bau­en“, sagt Göl­ler. „Catena‑X ist das Netz­werk der Netzwerke.“

Willkommen im Club der Willigen

Göl­lers Metho­de: „Wir spre­chen zual­ler­erst mit dem Club der Wil­li­gen.“ So nennt er die Auf­ge­schlos­se­nen. Die­sem „Club“ tra­ten in Frank­reich als ers­ter gro­ßer Part­ner Stellan­tis mit Mar­ken wie Peu­geot und Citro­ën, aber auch Opel, Fiat und Chrys­ler bei. Mit Valeo kam kurz dar­auf ein wich­ti­ger Zulie­fe­rer hinzu, der eben­falls inter­na­tio­nal tätig ist. Beide Unter­neh­men sind Mit­glie­der im wich­ti­gen fran­zö­si­schen Auto­mo­bil­ver­band Galia mit Sitz in Bou­lo­gne-Bil­lan­court. Durch ihre Ver­mitt­lung kam es zu meh­re­ren Tref­fen zwi­schen Göl­ler und den Ver­tre­tern des Ver­bands in Paris. „Zum Schluss hat­ten wir ein Ergeb­nis, mit dem alle sehr zufrie­den waren und sicht­ba­re Syn­er­gien geschaf­fen wor­den sind“, erin­nert sich Göl­ler. Und ein neues Cate­na-X-Mit­glied wurde gewon­nen: Renault. Heute ist ein Ver­tre­ter Renaults als gewähl­ter Vor­stand im Catena‑X e. V. aktiv.

Ähn­lich, wenn auch nicht iden­tisch, geht das Inter­na­tio­na­li­sie­rungs­team auf den wich­ti­gen asia­ti­schen Auto­märk­ten vor. Im Fokus: Japan und China. Göl­ler und eine Exper­ten­grup­pe ver­schie­de­ner Cate­na-X-Mit­glie­der waren erst Mitte 2023 in Shang­hai und Peking und haben dort inner­halb von nur vier Tagen mit Reprä­sen­tan­ten von acht ver­schie­de­nen Auto­mo­bil­ver­bän­den und Orga­ni­sa­tio­nen gespro­chen. Die Kon­tak­te haben Göl­ler in ers­ter Linie die her­vor­ra­gend ver­netz­ten Kol­le­gen von Volks­wa­gen China ver­mit­telt, aber auch die gute Prä­senz der deut­schen Indus­trie­ver­bän­de IHK und AHK im Reich der Mitte hat Türen geöff­net. Gleich­wohl schlägt Göl­ler mit sei­nen „deut­schen Ideen“ auch Skep­sis ent­ge­gen. „Wir müs­sen dann immer wie­der erklä­ren, dass Catena‑X aus­schließ­lich glo­bal erfolg­reich sein wird und nur der Start­im­puls aus Deutsch­land kommt.“

Europäische Werte überzeugen auch in Asien

Ande­rer­seits sind es oft gera­de die euro­päi­schen Werte, auf die sich Catena‑X stützt, mit denen Göl­ler punk­ten kann. „Vor allem das Prin­zip der Daten­sou­ve­rä­ni­tät über­zeugt auch außer­eu­ro­päi­sche Inter­es­sen­ten.“ Dass es vor allem export­ori­en­tier­te chi­ne­si­sche Unter­neh­men sind, die sich auf­ge­schlos­sen zei­gen, ver­wun­dert nicht: Auch sie müs­sen schließ­lich die recht­li­chen Bedin­gun­gen im Rah­men der Lie­fer­ket­te ein­hal­ten, die schon jetzt in Deutsch­land und ab 2024 euro­pa­weit gel­ten. „Viele Ansprech­part­ner haben schnell gemerkt, dass ihnen Catena‑X hier­bei wei­ter­hel­fen kann.“ Genau diese Ansprech­part­ner sind es, mit denen sich das Cate­na-X-Inter­na­tio­na­li­sie­rungs­team am aktivs­ten aus­tauscht. Mit ver­schie­de­nen Mit­glieds­fir­men wie zum Bei­spiel Sie­mens, BMW, SAP, Hua­wei und T‑Systems soll schon bald eine Alli­anz der Wil­li­gen in China auf­ge­baut werden.

In Japan ist das Inter­na­tio­na­li­sie­rungs­team bereits einen Schritt wei­ter. Brü­cken­bau­er waren hier die Kol­le­gen des deut­schen Soft­ware­kon­zerns SAP, selbst Cate­na-X-Mit­glied der ers­ten Stun­de. Inspi­riert von Catena‑X arbei­ten die Japa­ner unter dem Namen Oura­nos an ihrem eige­nen Lie­fer­ket­ten­netz­werk – eine spä­te­re Zusam­men­ar­beit mit den Euro­pä­ern ist daher bereits ange­dacht. Leit­idee ist auch hier der Gedan­ke vom „Netz­werk der Netz­wer­ke“: Wich­tig ist allein, dass am Ende der Daten­fluss vom Zulie­fe­rer in Deutsch­land zum Erst­aus­rüs­ter in Japan und umge­kehrt funk­tio­niert. „Ob auf dem Netz­werk nach­her ‚Catena‑X‘, ‚Oura­nos‘ oder mei­net­we­gen auch ‚Ich teile gerne Daten AG‘ drauf­steht, wäre uns letzt­lich egal.“

Expertise von Volkswagen bei Catena-X gefragt

Bei der Umset­zung pro­fi­tiert Catena‑X von frü­he­ren Erfah­run­gen der Unter­neh­men. So baut Volks­wa­gen bei­spiels­wei­se seit 2019 erfolg­reich eine eige­ne inter­ne digi­ta­le Pro­duk­ti­ons­platt­form auf. In einem ers­ten Schritt plant der welt­weit größ­te Auto­mo­bil­her­stel­ler, über 100 Stand­or­te in sei­ner digi­ta­len Pro­duk­ti­ons­platt­form (DPP) mit­ein­an­der zu ver­bin­den. Doch um den Pro­duct Car­bon Foot­print (PCF) für die eige­nen Fahr­zeu­ge „Ende zu Ende“ mit einem indus­trie­wei­ten Stan­dard zu ermit­teln, hätte der Kon­zern weit über das eige­ne Lie­fe­ran­ten­netz­werk hin­aus zusätz­li­che Part­ner anbin­den müs­sen. „Wir muss­ten uns ein­ge­ste­hen, dass das selbst für Volks­wa­gen eine Num­mer zu groß ist“, räumt Göl­ler ein.

Ihre Kennt­nis­se brach­ten die Exper­tin­nen und Exper­ten von Volks­wa­gen schließ­lich als eines der ers­ten Mit­glie­der im Ver­ein und zeit­gleich im Kon­sor­ti­um ein. Gemein­sam haben sie dort, im Kreis der 28 Part­ner, die erste Soft­ware auf Open-Source-Basis für das Pro­jekt ent­wi­ckelt. „Wir haben uns an die­ser Stel­le der gro­ßen Idee von Catena‑X sehr gerne geöff­net“, bestä­tigt Göller.

Futter für die App

Bereut hat den Schritt noch kei­ner im Kon­zern – die Fort­schrit­te, die die Part­ner in nur zwei Jah­ren erzie­len konn­ten, haben den anfäng­li­chen Skep­ti­kern den Wind aus den Segeln genom­men. Schon jetzt ste­hen zahl­rei­che Apps bereit, um das Lie­fer­ket­ten-Manage­ment deut­lich zu opti­mie­ren, die Report­ing-Pflich­ten zu erfül­len und die Kri­sen der Zukunft ohne grö­ße­re Bles­su­ren zu über­ste­hen. Mit zuneh­men­der Anzahl von Nut­ze­rin­nen und Nut­zern, wel­che die Daten bereit­stel­len, die für den Betrieb der Apps not­wen­dig sind, steigt auch der Wert­bei­trag für die Cate­na-X-Com­mu­ni­ty. Auf­grund der rasan­ten Ent­wick­lung steht für Göl­ler des­halb fest, dass es „durch Catena‑X bald mög­lich sein wird, Fak­ten und Zusam­men­hän­ge zu erken­nen, die wir uns heute noch gar nicht vor­stel­len können.“


Dr. Andreas Wollny: „Das gemeinsame Ökosystem hat uns vom Start weg fasziniert“

Porsche Consulting/Jörg Eberl

Dr. Andre­as Woll­ny ist Seni­or Mana­ger Digi­ta­liza­ti­on bei BASF und seit 2021 zudem Pro­ject-Lea­der Catena‑X beim welt­weit umsatz­stärks­ten Che­mie­kon­zern mit Haupt­sitz in Lud­wigs­ha­fen am Rhein. In die­ser Rolle unter­stützt er Catena‑X bei der Umset­zung digi­ta­ler Lösun­gen und sorgt für den dazu nöti­gen Daten­aus­tausch. Vor sei­ner Zeit bei BASF war Woll­ny fünf Jahre als Pro­duct Deve­lo­p­ment Mana­ger beim fran­zö­si­schen Che­mie­un­ter­neh­men Arke­ma tätig. Woll­ny hat in der süd­deut­schen Metro­po­le Stutt­gart und im fran­zö­si­schen Lyon Che­mie stu­diert. An der Uni­ver­si­tät Frei­burg, im äußers­ten Süd­wes­ten Deutsch­lands, hat er im Bereich „Poly­me­re Che­mie“ promoviert.

Wenn jeder selbst die Plattform sein will, ist es zum Schluss niemand. Auch Dr. Andreas Wollny kennt dieses Problem, mit dem viele seiner Kolleginnen und Kollegen vertraut sind. Umso begeisterter war der Senior Manager Digitalization bei BASF, als ihn das noch junge Catena-X-Konsortium 2021 einlud, gemeinsam mit der Autoindustrie am Aufbau eines dezentralen Datensystems mitzuwirken. „Wir hatten schon zuvor darüber nachgedacht, wie wir übergreifende Daten zu Themen wie Kreislaufwirtschaft, Nachhaltigkeit und dem Product Carbon Footprint erheben und mit unseren Kunden teilen können – die Idee eines gemeinsamen Ökosystems war deshalb äußerst spannend für uns.“
Andreas Wollny, Senior Manager Digitalization und seit 2021 Project-Leader Catena-X bei BASF. Aus seiner Sicht werden durch Catena-X neue Zukunftstechnologien entstehen.Porsche Consulting/Jörg Eberl

Zwei The­men waren dem Digi­tal­ex­per­ten von Anfang an wich­tig: dass die neue Platt­form die gesam­te auto­mo­bi­le Wert­schöp­fungs­ket­te abbil­det und dass sie sich vom zen­tra­len Kri­te­ri­um der Inter­ope­ra­bi­li­tät lei­ten las­sen soll­te. Die Bedeu­tung der bei­den Punk­te reflek­tiert die beson­de­re Stel­lung, die dem welt­weit täti­gen Che­mie­un­ter­neh­men für die Auto­mo­bil­in­dus­trie und dar­über hin­aus zukommt. So besetzt BASF in der auto­mo­bi­len Lie­fer­ket­te ver­schie­de­ne Posi­tio­nen: Das Unter­neh­men ist bei­spiels­wei­se Tier 1, also Modul- und Sys­tem­lie­fe­rant auf obers­ter Ebene, bei Lacken (Coa­tings). Bei Bat­te­rie­che­mi­ka­li­en und Kunst­stof­fen ist BASF hin­ge­gen als Tier 2–5 eher tie­fer in der Wert­schöp­fungs­ket­te der Auto­mo­bil­zu­lie­fe­rer ange­sie­delt. All diese Sta­tio­nen in der Wert­schöp­fungs­ket­te soll­ten natür­lich auch vom neuen Data Space erfasst werden.

Ähn­li­che Erwä­gun­gen ver­an­las­sen Woll­ny, den Aspekt der Inter­ope­ra­bi­li­tät in der Bedeu­tung stär­ker zu beto­nen. „Da wir in einer Viel­zahl von indus­tri­el­len Seg­men­ten tätig sind, wol­len wir die Daten zwi­schen den jewei­li­gen Platt­for­men auch hin- und her­schie­ben kön­nen.“ Die Daten müs­sen also mit den Stan­dards der ande­ren Sys­te­me kom­pa­ti­bel sein. Genau das ist es, wor­auf der Begriff der Inter­ope­ra­bi­li­tät in ers­ter Linie abzielt.

Automobilindustrie als Blaupause für andere Branchen

Ein för­der­li­cher Fak­tor für die ange­streb­te Inter­ope­ra­bi­li­tät ist die Vor­bild­funk­ti­on, die Catena‑X ver­stärkt für Pen­dants in benach­bar­ten Indus­trie­zwei­gen hat: „Für ande­re dezen­tra­le Daten­öko­sys­te­me fun­giert Catena‑X schon jetzt als eine Art Blau­pau­se“, bestä­tigt Woll­ny die Ent­wick­lung. Grund für die Strahl­kraft von Catena‑X ist die früh­zei­ti­ge Eini­gung zahl­rei­cher Unter­neh­men der Auto­in­dus­trie auf den gemein­sa­men Ansatz – und sicher­lich auch die beglei­ten­de finan­zi­el­le För­de­rung von Catena‑X durch das deut­sche Minis­te­ri­um für Wirt­schaft und Kli­ma­schutz. Woll­ny: „Mit Catena‑X ver­fügt Deutsch­land über eine neue, ska­lier­ba­re Zukunfts­tech­no­lo­gie, die natio­nal und inter­na­tio­nal in immer mehr Bran­chen ste­tig an Rele­vanz gewin­nen wird.“ Schon heute ori­en­tie­ren sich die eben­falls in Deutsch­land ent­wi­ckel­ten Daten­räu­me Manufacturing‑X und Health‑X an den Prin­zi­pi­en, die Woll­ny und seine Kol­le­gin­nen und Kol­le­gen aus dem Kon­sor­ti­um erar­bei­tet haben.

Ein wei­te­rer Plus­punkt von Catena‑X ist das enor­me Tempo, mit dem die Betrei­ber der Platt­form ihre Ziele und Zwi­schen­zie­le umset­zen. „Über 1.000 Mit­ar­bei­te­rin­nen und Mit­ar­bei­ter aus 28 Häu­sern arbei­ten hier­bei agil zusam­men“, erklärt Woll­ny. Zwar sei so auch der Abstim­mungs­be­darf immens, doch das wech­sel­sei­ti­ge Ver­trau­en, das sich die eigent­li­chen Kon­kur­ren­ten durch die gemein­sa­me Tätig­keit erar­bei­tet haben, löst auch viele Schlei­fen. Schnel­ler als erwar­tet war so der erste Pro­to­typ fer­tig. Geht der anste­hen­de Go-live erfolg­reich über die Bühne, ste­hen die Zei­chen erst ein­mal auf Expan­si­on: „Sowohl inter­na­tio­nal als auch natio­nal durch eine ver­stärk­te Anspra­che von klei­ne­ren und mit­tel­stän­di­schen Unternehmen.“

Wäh­rend Catena‑X auf euro­päi­scher und inter­na­tio­na­ler Ebene bereits erstaun­li­che Fort­schrit­te gemacht habe, sieht Woll­ny die Schaf­fung einer ver­stärk­ten Akzep­tanz bei den klei­ne­ren und mit­tel­stän­di­schen Unter­neh­men (KMU) wei­ter­hin als Her­aus­for­de­rung. „Auch wenn wir aktu­ell auf vie­len Ver­an­stal­tun­gen prä­sent sind, Mes­se­be­su­che machen und Ein­zel­ge­sprä­che füh­ren, weist die Wert­schöp­fungs­ket­te wei­ter­hin Lücken auf – und die gilt es zu schlie­ßen.“ Immer­hin begrei­fen mehr und mehr Ent­schei­der, dass es Vor­tei­le hat, wenn sie ihre Daten nicht mehr von ver­schie­de­nen Platt­for­men mit unter­schied­li­chen Stan­dards zusam­men­su­chen müs­sen, son­dern sie an einem Ort in einem Stan­dard abru­fen können.

BASF hat große Ziele für die Kreislaufwirtschaft

Woll­ny selbst hat grö­ße­re Ziele mit Catena‑X. Beson­ders wich­tig für BASF: die The­men Nach­hal­tig­keit und der Pro­duct Car­bon Foot­print (PCF). „Wir schau­en hier auf die gesam­te Kreis­lauf­wirt­schaft begin­nend mit den Roh­stoff­her­stel­lern auf der einen Seite bis hin zu den Recy­cling­un­ter­neh­men am ande­ren Ende der Kette.“ Sind die Daten erst erho­ben und ana­ly­siert, sol­len sie mit dem Markt und den Kun­den geteilt wer­den. Eine pas­sen­de Lösung hier­zu erar­bei­tet BASF aktuell.

Beson­ders stolz ist Woll­ny auf den „Bat­tery Pass­port“, eine App, die BASF feder­füh­rend mit den Part­nern bei Catena‑X ent­wi­ckelt hat. Laden sich Inter­es­sier­te die App her­un­ter und inte­grie­ren diese ins eige­ne Sys­tem, sehen sie auf einen Blick, wie die aus­ge­wähl­te Bat­te­rie che­misch zusam­men­ge­setzt ist. Auch der Sta­tus der Bat­te­rie lässt sich durch die App abru­fen. „Die Daten wer­den vor allem zum Ende des Lebens­zy­klus der Bat­te­rie wich­tig“, sagt Woll­ny, „dann, wenn die Recy­cler bewer­ten müs­sen, ob die Bat­te­rie noch ein­mal ver­wen­det wer­den kann oder wie­der­ver­wer­tet wer­den muss.“ Dank Woll­ny und dem Kon­sor­ti­um wird dazu bald nicht mehr nötig sein als ein Blick in den Bat­tery Passport.

Kommentar von Ole Sassenroth

Transparenz schaffen — nicht nur in Krisenzeiten

Ole Sassenroth, Associate Partner bei Porsche Consulting, Experte für digitale Industrienetzwerke.Porsche Consulting
Engpässe und Krisen führen der europäischen Industrie vor Augen, wie anfällig sie ist, wenn Lieferanten plötzlich ausfallen oder blockierte Transportwege den Warenstrom stoppen. In Fabrikhallen geht dann nichts mehr, weil zum Beispiel Halbleiter oder Kabelstränge fehlen. Es ist eher nicht davon auszugehen, dass Europa und der europäischen Wirtschaft demnächst ruhigere Zeiten bevorstehen. Resilienz ist deshalb das Gebot der Stunde – und diese stärkere Widerstandsfähigkeit führt über transparente Lieferketten. Mit Catena-X hat die deutsche Automobilindustrie ein passendes Modell entwickelt, das funktioniert und das auf Prinzipien beruht, die alle Unternehmen unterschreiben können. Welche Strahlkraft das Ökosystem hat, zeigen die vielen Interessierten anderer Branchen an dem Konzept – und das noch vor dem eigentlichen Marktstart von Catena-X Ende 2023. Die hohe Aufmerksamkeit ist berechtigt, denn mit Catena-X ist die Lieferkette bei internationalen Krisen nicht mehr die Achillesferse der Unternehmen. Mit den Tools aus dem Catena-X-Marktplatz lässt sich künftig in Krisensituationen auf Knopfdruck und in Echtzeit ausloten, welcher Lieferant die Kapazitäten hat, um entstandene Lücken in der Logistik wieder aufzufüllen. Produktionsausfälle können damit reduziert oder sogar vermieden werden. Große Marktteilnehmer, die schmerzlich erfahren haben, welche Kosten es mit sich bringt, wenn die Förderbänder in den Produktionsstätten auch nur einen Tag stillstehen, sind bereits bei Catena-X engagiert. Sie profitieren auch im normalen Tagesgeschäft, ohne Krise: Die Nutzung des gemeinsamen Datenökosystems reduziert Kosten, beschleunigt Prozesse, steigert die Produktqualität und liefert die Daten, um den eigenen und den gesetzlich verordneten Nachhaltigkeitszielen entsprechen zu können. Ein branchenübergreifendes Industrienetzwerk schafft also zu jeder Zeit Mehrwerte für seine Nutzer. Bei kooperativen Modellen gilt das gleichermaßen für internationale Konzerne wie für Mittelständler und kleinere Spezialisten. Durch die gute Vorarbeit des Catena-X-Konsortiums ist der technische und administrative Aufwand für den Aufbau ähnlicher Netzwerke in anderen produzierenden Branchen deutlich reduziert worden.
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