Einblick

Künstliche Intelligenz in der Konferenz

Immer häufiger klagen Mitarbeitende über zu viele Konferenzen – live oder inzwischen oft auch virtuell. Zeitverschwendung, qualitativ schwache Resultate und fehlende Entscheidungen dominieren die Kritik. Jetzt könnte Künstliche Intelligenz Meetings schneller und besser gestalten. 

08/2025

Viele Diskussionen, wenig Entscheidungen – das ist die Folge schlecht vorbereiteter Meetings. Richtig eingesetzt, kann Künstliche Intelligenz die Produktivität steigern und einen konkreten Beitrag zur Umsetzungskraft von Organisationen leisten.AdobeStock

Meetings sind der Taktgeber moderner Wissensarbeit. Doch in vielen Organisationen schlagen die Besprechungen aus dem Takt: schlecht vorbereitet, zu lang, ohne klare Entscheidungen. Einer redet, viele hören zu. Gerade in Zeiten strategischer Hochspannung, wirtschaftlicher Unsicherheit und Fachkräftemangel wird deutlich: Unproduktive Meetings sind nicht nur ein Ärgernis – sie sind ein strukturelles Risiko für Geschwindigkeit, Entscheidungsfähigkeit und Motivation. Das Instrument, um dieses Muster zu durchbrechen, liegt bereit: Künstliche Intelligenz, kurz KI. Richtig eingesetzt, kann KI helfen, Konferenzen effizienter, fokussierter und ergebnisorientierter zu gestalten. Nicht als Spielerei. Sondern als konkreter Beitrag zur Umsetzungskraft der Organisation.

Effizienz statt Endlosschleife

Führungskräfte verbringen durchschnittlich bis zur Hälfte ihrer Arbeitszeit in Meetings. Bis zu 72 Prozent dieser Zeit wird nicht effizient genutzt. Das berichtet der US-Softwarespezialist Atlassian als Resultat aus umfangreichen Analysen. Gleichzeitig zeigen Erhebungen von Porsche Consulting: Nur 27 Prozent der befragten Top-100-Unternehmen nehmen in ihrer Organisation eine gelebte High-Performance-Kultur wahr – mit klaren Zielen, bereichsübergreifender Zusammenarbeit und ergebnisorientiertem Handeln.

Das sorgt für eine doppelte Diskrepanz: zwischen Anspruch und Alltag, zwischen Aufwand und Wirkung. Der gezielte Einsatz von KI kann diese Lücke schließen. Erste Pilotprojekte zeigen: Die Effizienz von Meetings lässt sich bereits innerhalb weniger Wochen um rund 20 bis 40 Prozent steigern. Der Effekt wird unmittelbar deutlich: Mehr Fokus. Klare Entscheidungen. Eine verbindliche Umsetzung.

„Unproduktive Meetings sind nicht nur ein Ärgernis – sie sind ein strukturelles Risiko für Geschwindigkeit, Entscheidungsfähigkeit und Motivation“, sagt Dr. Wolfgang Freibichler, Partner bei Porsche Consulting.Porsche Consulting/Jörg Eberl

KI-Tools allein reichen nicht

Viele Unternehmen haben seit 2024 KI-Pilotprojekte gestartet. Die Tools sind eingeführt. Die Potenziale erkannt. Und doch: Im Alltag bleibt die Wirkung häufig aus. Der Grund ist selten die Technologie. Es fehlt die Integration in die Arbeitsroutinen. Die Tools werden oft isoliert genutzt, statt Teil des Systems zu werden.

Was jetzt anders ist: Mit der Verfügbarkeit von fortgeschrittenen, aber leicht nutzbaren KI-Funktionen – wie zum Beispiel Microsoft Copilot – wird der Zugang zur KI alltagstauglich. Es braucht keine spezialisierten IT-Teams oder großangelegte, zeitintensive Einführungen von Automatisierungstools mehr. Jede Wissensarbeiterin und jeder Wissensarbeiter kann heute – mit etwas Anleitung – KI-Tools zielgerichtet nutzen. Als einfache, pragmatische Helfer, die Zeit sparen und Fehler vermeiden.

Entscheiden statt diskutieren

Die Wirkung von KI entfaltet sich entlang des Meeting-Zyklus in drei Phasen: Vorbereitung, Durchführung und Nachbereitung. So lassen sich durch den Einsatz von KI fokussierte Briefings erstellen, Vorschläge für Agenden generieren und relevante Teilnehmerinnen und Teilnehmer identifizieren. In vielen Organisationen nutzen Teams heute KI-gestützte Agenten, um vorab in 60 Sekunden die wichtigsten Informationen zum Thema aufzubereiten. So startet jedes Meeting mit einem gemeinsamen Wissensstand.

Während der Meetings können KI-basierte Transkriptionstools dabei unterstützen, Inhalte in Echtzeit zu dokumentieren. Zwischenzusammenfassungen, automatisierte Entscheidungspunkte und Hinweise zum Zeitmanagement halten die Diskussion fokussiert. Als besonders wirksam erweist sich die automatische Erinnerung an das „Entscheidungsfenster“ nach 45 Minuten – ein Impuls, der in Pilotprojekten nachweislich zu mehr Klarheit geführt hat.

Auch in der Nachbereitung agiert die KI als wirksamer Unterstützer: Sie erstellt automatisch Protokolle, verteilt Aufgaben und erinnert an Fristen. Statt manueller Nachverfolgung entsteht ein verbindlicher, automatisierter Folgeprozess. Ein Beispiel: In einem Pilotprojekt wurden offene To-dos automatisch in Microsoft Teams übertragen und priorisiert. Das Ergebnis: Die Erledigungsrate stieg um beachtliche 37 Prozent.

Mehr Fokus, klare Entscheidungen: Durch den Einsatz Künstlicher Intelligenz bei der Vorbereitung, Durchführung und Nachbereitung von Meetings, lässt sich die Effizienz innerhalb weniger Wochen um bis zu 40 Prozent steigern – das zeigen erste Pilotprojekte.Porsche Consulting/Andreas Wemheuer

Pilotieren, lernen, skalieren

Um die Meetingkultur nachhaltig zu verbessern, ist es entscheidend, den richtigen Fokus zu setzen: Als Ausgangspunkt sollte immer ein konkreter Anwendungsfall herangezogen werden, wie zum Beispiel die wöchentlichen Team- oder Bereichsmeetings. Dort wird über einen Zeitraum von zwei bis drei Wochen gezielt mit KI-Unterstützung gearbeitet. Wichtig dabei ist die richtige Herangehensweise. Das Credo sollte sein: „begleiten statt verordnen“. Die Einführung von KI-Tools muss immer im Dialog erfolgen: Was funktioniert gut? Wo braucht es Anpassung? KI soll Unterstützer sein, kein Mittel zur Kontrolle. Aufbauend auf der gewonnenen Erfahrung sollte dann im nächsten Schritt das Vorgehen auf weitere Bereiche übertragen werden. Dabei entstehen oft sogenannte „KI-Nudge-Bibliotheken“ – kleine Impulse, die Teams dabei helfen, produktiver zu arbeiten.

KI: der Kultur-Verstärker

Meeting-Exzellenz ist kein Selbstzweck. Sie ist ein Spiegel der Zusammenarbeit. Wenn Meetings gut vorbereitet, effizient durchgeführt und verbindlich nachgehalten werden, strahlt das auf die gesamte Organisation aus. KI ist dabei nicht der Treiber der Kultur, sondern ein Verstärker. Sie unterstützt Führungskräfte als verlängerter Arm, um Prinzipien wie Klarheit, Verantwortung und Verbindlichkeit im Alltag erlebbar zu machen.

Drei zentrale Fragen sollten sich Entscheider stellen: Nutzen die Teams das volle Potenzial der Meeting-Zeit? Gibt es in der Organisation klare Standards für die Vorbereitung, Moderation und Nachbereitung von Meetings? Haben die Führungskräfte Zugang zu den richtigen Werkzeugen, die ihnen helfen, gute Meeting-Gewohnheiten zu etablieren? Wenn eine dieser Fragen mit „nein“ beantwortet werden muss, so liegt hier ein konkreter Hebel. Für mehr Produktivität. Für eine schnellere Umsetzung. Und für eine Kultur, die eine maximale Leistung möglich macht.

Über den Autor

Dr. Wolfgang Freibichler, Partner bei der Managementberatung Porsche Consulting.Porsche Consulting/Jörg Eberl
Dr. Wolfgang Freibichler ist Partner bei Porsche Consulting und spezialisiert auf den Aufbau von Hochleistungsorganisationen. Als Berater des Top-Managements beschäftigt er sich seit vielen Jahren mit Rollen und Ansprüchen der Menschen im Berufsleben. Dem Rat des Experten für Unternehmensführung folgen vor allem Top-Manager aus den Branchen Automobilindustrie, Maschinenbau, Elektroindustrie, Bauzulieferindustrie sowie Banken und Versicherungen. Seine Erfahrung resultiert aus der strategischen Beratung von inzwischen mehr als 1.000 Führungskräften in 14 Ländern. Als Autor zahlreicher Bücher, Studien und Fachartikel zum Thema Unternehmensführung ist er maßgeblich an Forschungsprojekten zur Entschlüsselung der relevanten Erfolgsfaktoren beteiligt. Kontakt: wolfgang.freibichler@porsche-consulting.com
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