Keine halben Sachen –
aus Prinzip
Ein europaweit erfolgreiches Bauunternehmen verbindet gelebte Werte und Traditionen mit Innovation.
05/2023
Werte zu verankern, das allein reicht nicht. Sie müssen gelebt werden. Oft fällt das in traditionsreichen Familienunternehmen leichter. Und oft klingen dort die Formeln verblüffend einfach, erscheinen zeitlos und werden zu „Klassikern“. So wie beim 1902 als lokaler Maurerbetrieb gegründeten niederländischen Bauunternehmen Ten Brinke: „Von meinem Vater habe ich gelernt, dass man mit Liebe bauen soll“, sagt Geschäftsführer Wim ten Brinke. Auch er setzt auf Leidenschaft als zentralen Wert, weitergegeben von Generation zu Generation.
Leidenschaft? Geht das überhaupt noch, gerade in einer Branche mit besonders harten Bandagen? „Zugegeben, es wird immer schwieriger“, sagt Wim ten Brinke. Deshalb baut er auf ein solides strategisches Fundament. Das besteht aus festen Prinzipien: „Wir verwirklichen am liebsten und fast ausschließlich Projekte, bei denen unser Unternehmen alle Leistungsphasen übernimmt – von der Vorplanung und Grundstücksfindung bis zur Schlüsselübergabe“, sagt der Chef.
Solides Handwerk – der Grundstein des Erfolgs
Identifikation mit der eigenen Arbeit und dem gemeinsamen Ziel ist wichtig, wenn die Kundenzufriedenheit Bestnoten erreichen soll. Deshalb setzt Ten Brinke auf den Einsatz eigener Kompetenz über die gesamte Wertschöpfungskette. Für Bauherren sollen so Vorteile bei der Bauzeit, Qualität und beim Preis-Leistungs-Verhältnis entstehen. Und was am Bau schon immer als anscheinend unvermeidbar hingenommen wird, soll drastisch reduziert werden: unnötige Verzögerungen, kostentreibende Nachträge während der Errichtung, aufwendige Mängelbeseitigung nach Fertigstellung und damit verbundene Fehlerkosten sowie zermürbender Streit zwischen den Vertragsparteien – oft ausgelöst durch mangelnde Transparenz. „Wir betrachten das Objekt als Gesamtergebnis. Da müssen Projektentwicklung, Planung und das operative Bauen von Anfang an perfekt zusammenspielen, wenn das Resultat stimmen soll. Projektentwickler und Bauträger sind bei uns ein Team: Jeder hat sein eigenes Projekt, das auf das gemeinsame Objekt einzahlt – und darauf kommt es am Ende an“, sagt der Geschäftsführer und greift dabei auch auf den Rat der Managementberaterinnen und -berater von Porsche Consulting zurück.
Vertrauen auf Familienunternehmen
Solche Tugenden wissen Auftraggeber mit hohen Ansprüchen zu schätzen. Viele der Kunden sind selbst Familienunternehmen. Im Bereich Gewerbebauten errichtet Ten Brinke Filialen großer Lebensmitteldiscounter, Bau- und Fachmärkte oder Autohäuser. Hinzu kommen Logistikzentren großer Textilhändler, Krankenhäuser, Schulen, Studenten- oder Pflegeheime und Hotels. Auch der erfolgreiche deutsche Corona-Impfstoff-Hersteller BioNTech, der sich dringend räumlich vergrößern muss, setzt für seine neue Firmenzentrale auf die ganzheitliche Baukunst der Niederländer aus dem beschaulichen 6.000-Einwohner-Ort Varsseveld.
Doch kaum eine Branche muss so dynamisch und tiefgreifend auf Veränderungen des Wirtschaftsklimas reagieren wie die Bauindustrie. Ten Brinke, mit 1.300 Mitarbeitenden in 24 Niederlassungen in den Niederlanden, Deutschland, Spanien, Griechenland und Portugal vertreten, hat in den vergangenen neun Jahren den Anteil des Wohnungsbaus am Gesamtgeschäft ganz bewusst von einem auf zwei Drittel gesteigert.
Erst vor kurzem reiste der Firmenchef zu einem typischen Spatenstich nach Frankfurt am Main. Auf einem ehemaligen Gewerbeareal entstehen 207 Wohnungen und 67 Stadthäuser in moderner, geradliniger Architektur. Doch trotz des hohen Wohnungsbedarfs haben Inflation, Zinserhöhungen und nachlassende Konjunktur den Neubau jetzt abrupt eingebremst. „Wir spüren die Zurückhaltung, gerade bei den institutionellen Investoren“, sagt ten Brinke. „Investoren werden vorsichtiger. Ihre Renditeerwartungen sinken wegen stark steigender Kosten, höherer Kreditzinsen und weiterer Zusatzbelastungen, unter anderem durch den geforderten Einsatz regenerativer Energieträger bei der Beheizung und Stromversorgung oder weitere Anforderungen im Kontext der Nachhaltigkeit.“
Tempo und Transparenz
Wieder einmal muss das Management des Baukonzerns schnell umdenken und Flexibilität beweisen. „Wir müssen sehr genau wissen, was der Markt morgen verlangt“, sagt Peter Zents, der Chief Financial Officer des Unternehmens. Und Wim ten Brinke fügt hinzu: „Die Revitalisierung bestehender Gebäude wird mehr und mehr relevant.“ Sein Credo: „Ten Brinke ist immer früh am Ball.“ Damit das funktioniert, muss es in der Zentrale und in den Niederlassungen schnell gehen. Technologische Unterstützung ist als Beschleuniger gefragt.
Damit alle Mitarbeitenden, auch in den Servicefunktionen und der Verwaltung, perfekt zusammenarbeiten können, wurde eine gemeinsame Data Base entwickelt, die alle nutzen und die jedem ein Gesamtbild gibt. Das schafft nicht nur Transparenz, sondern beantwortet die meisten Standard-Fragestellungen „automatisch“. Wim ten Brinke: „Bei uns muss wirklich jeder im Unternehmen wissen, woran er ist. Das funktioniert nur, wenn die Data Base alles so einfach wie möglich darstellt, sie auch wirklich von jedem genutzt wird und jeder dafür Sorge trägt, dass die vorhandenen Informationen aktuell, vollständig und richtig sind. Unser gesamtes Wissen muss zentral geteilt werden können. Deshalb hinterlegen wir dort zum Beispiel auch jedes Protokoll, das unsere Leute schreiben.“
Ebenso wichtig ist ten Brinke die nachhaltige Unternehmensführung auf allen Ebenen, umgesetzt im hauseigenen ESG-Programm (Environmental, Social and Governance). Die Revitalisierung von Immobilien ist ein gutes Beispiel für die Anwendung in der Praxis. Sie geht weit über die reine Sanierung hinaus. Wim ten Brinke: „Gerade in Innenstädten kann die Revitalisierung oder die Umnutzung gegenüber Neubauten nicht nur die preiswertere Lösung sein, sondern zugleich diejenige mit der höheren Rentabilität für Investoren und spätere Nutzer. Gleichzeitig hilft Revitalisierung CO2 einzusparen. Auch beim Thema Energie kann ein gutes Konzept zur Erhaltung von Bestandsimmobilien beitragen, von der passenden Dachdämmung bis hin zum Einsatz des aus der Photovoltaik gewonnenen Stroms für den Betrieb der neuen Wärmepumpe.“ Zur exakten Kalkulation in puncto Rentabilität arbeiten die Niederländer mit ausgefeilten Standort- und Wirtschaftlichkeitsanalysen, um alle Aspekte abzuwägen und mit dem Nutzungskonzept abzugleichen. „Es ist wichtig, die Ergebnisse und die Liquidität der laufenden Projekte zu überwachen. Es muss sichergestellt werden, dass immer genügend Liquidität vorhanden ist, um auch in wirtschaftlich schwierigen Zeiten Chancen wahrnehmen zu können“, sagt CFO Peter Zents.
Auch wenn es für die Baubranche stürmisch werden könnte, strahlen die beiden Männer an der Unternehmensspitze die Gelassenheit eines erfahrenen Kapitäns auf hoher See aus. Mit ihrem Können finden sie den richtigen Kurs. „Wir sind nur uns selbst, unseren Kunden und Mitarbeitenden verpflichtet, nicht der Börse“, sagt Familienunternehmer ten Brinke zum Abschied, „und das hat in den vergangenen 120 Jahren recht gut funktioniert.“
Von Roland Sitzberger,
Partner, Porsche Consulting