„Karriere passiert
nicht einfach“
Im deutschen Konsumgüterkonzern Henkel, besonders bekannt durch das Waschmittel „Persil“, verantwortet Vorstandsmitglied Sylvie Nicol weltweit Personal, Infrastruktur und Nachhaltigkeit. Die Französin, im dritten Jahrzehnt im Unternehmen, steht für Wandel und Transformation.
10/2024
„Wir werden in Zukunft nur wettbewerbsfähig bleiben, wenn wir uns als Unternehmen kontinuierlich verändern – kulturell als gesamte Organisation und damit letztendlich jeder einzelne“, sagt Sylvie Nicol, Personalvorständin des deutschen Konsumgüter- und Industriekonzerns Henkel. Für die Spitzenmanagerin ist unstrittig, dass Personalthemen eine entscheidende Rolle in der Transformation des Unternehmens spielen werden. Sie macht klar, dass sich niemand vor der Veränderung drücken kann. Es müsse sich aber auch niemand fürchten. Denn der tiefgreifende Wandel werde positiv wirken und alle fit für die Zukunft machen.
Seit die französische Managerin 2013 in die Henkel-Konzernzentrale im westdeutschen Düsseldorf wechselte, hat sie Personalverantwortung getragen, zunächst im Geschäftsfeld Beauty Care. Was ihr dabei nutzt, sind ihre Erfahrungen im Marketing, in der Markenentwicklung und als Vertriebschefin. Also in den von Betriebswirten gemeinhin als zahlengetrieben bewerteten Sektoren der Unternehmensführung. Da macht es Sinn, dass die Topmanagerin inzwischen auch Infrastruktur und Nachhaltigkeit steuert.
Mehr als Folien und Plakate
Gleich in ihrem ersten Jahr als Vorstandsmitglied wurden 2019 einheitliche Leadership Commitments eingeführt und in den internationalen Märkten ausgerollt. Doch bis die Transformation es global in alle Ecken geschafft hat, muss das Führungsteam den Kulturwandel intensiv begleiten. „Man kann diese Veränderungen nicht allein mit PowerPoint-Präsentationen, Videobotschaften oder Plakatkampagnen vorantreiben“, betonte Sylvie Nicol kürzlich im Interview mit der Fachzeitschrift „Personalführung“. Die Topmanagerin setzt auf überzeugende Methoden. Sie sagt: „Wir benötigen echten Austausch in Workshops, Diskussionen und Trainings, also kontinuierliche Kommunikation.“
Bei Henkel, dem traditionsreichen Familienunternehmen der Konsumgüter- und Klebstoffindustrie, treffen Erneuerer auf Strukturen und Traditionen, die national wie international in Jahrzehnten gewachsen sind. Und die wirtschaftlichen Erfolg einbrachten. Immerhin will Henkel 2026 sein 150-jähriges Bestehen feiern. Der Konzern erzielte 2023 einen operativen Gewinn von 2,6 Milliarden Euro, den der Verkauf des Russlandgeschäfts mit seinen Werken und dem Verlust des Marktes allerdings etwas schmälerte. Ein Blick zurück: Kaufmann und Unternehmensgründer Fritz Henkel lebte seine Passion für die Chemie zuerst zwei Jahre in Aachen, nahe der Grenze zu Belgien, aus. Vom Jahr 1878 an experimentierte er in Düsseldorf mit Waschmitteln. Henkels Bleich-Soda wurde sein erster Verkaufsschlager. Dem folgten Marken wie Persil (Waschmittel, 1907), Ata (Scheuerpulver, 1920) und Pril (Geschirrspülmittel, 1951). Neben dem Verbrauchersegment, zu dem auch die 1995 erworbene Haarkosmetikmarke Schwarzkopf gehört, steht im Familienkonzern die Technologiesparte fürs Kleben, Dichten und Beschichten. Verbraucher, aber ebenso auch Handwerksbetriebe und Industrie sind die Zielgruppen für die Produkte, die mit den Verbrauchermarken Pritt (1969), Pattex (1956) und Ponal (1979 als wasserfester Holzleim) anhaltend hohe Reputation erzielen.
Rund 48.000 Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen aus 124 Nationen erwirtschafteten in 79 Ländern 2023 einen Umsatz von 21,5 Milliarden Euro. Weniger als 2022, aber mehr als 2021. Seit 2005 stieg der Umsatz – nicht kontinuierlich, sondern mit Schwankungen, die der allgemeinen wirtschaftlichen und politischen Entwicklung folgten.
„Nicht jeder möchte sich verändern“
Warum also muss sich gerade jetzt etwas grundlegend ändern? Zum Beispiel, weil sich Billigprodukte weltweit Marktanteile sichern. Topmanagerin Nicol ist sich im Klaren darüber, dass kulturelle Veränderungen gerade in großen Organisationen Zeit brauchen. Dennoch: Der Wandel sei „unvermeidbar“. Die HR-Expertin: „Ich bin seit über 25 Jahren bei Henkel und wie viele meiner Kollegen sehe ich die Fortschritte.“ Sie schaut vor allem nach vorn. Im Jahr 2024 startete die globale Initiative ACT, Accelerate Cultural Transformation, in die zweite Phase: Der Fokus liegt auf der Förderung der Feedback-Kultur. Es gehe nicht darum, ein neues Tool zu implementieren, es gehe um die Veränderung menschlichen Verhaltens. „Nicht jeder möchte sich verändern, und das müssen wir anerkennen und respektieren“, so Sylvie Nicol. Vor allem aber müssen die Teams in offenen Dialogen und konkreten Aktionen herausfinden, womit sie sich in ihrer Arbeit identifizieren.
Im Personalmanagement werden Effizienzpläne geschmiedet, die gleichzeitig rationalisieren und motivieren sollen. Etwa mit HarMoney, einem Projekt, das die weltweit 150 unterschiedlichen Systeme der Lohn- und Gehaltsabrechnung und der Zeiterfassung in Einklang bringen soll. „Das hört sich nach einer technischen Aufgabe an. Und es ist auch eine“, sagt Nicol. „Aber wir zielen damit auf eine rationalisierte und transformierte globale HR-Arbeit bei Henkel.“ Die Implementierung begann auf dem großen US-Markt und wurde dann in andere Werke und Niederlassungen getragen. Nicol ist überzeugt: „Mit jedem erfolgreichen Rollout bewegen wir uns auf ein vereinheitlichtes und effizienteres HR-Ökosystem zu. So fördern wir die Zusammenarbeit und machen das Unternehmen bereit für die Zukunft.“
Eigene Kultur, eigener Führungsstil
Gestrafft und zur Geschäftseinheit „Consumer Brands“ zusammengebunden wurden Anfang 2023 die zuvor separaten Bereiche Kosmetik, Wasch- und Reinigungsmittel. „In diesem Prozess war es überraschend zu entdecken, wie unterschiedlich die Kulturen beider Bereiche trotz des ,Daches’ Henkel waren“, erinnert sich Sylvie Nicol. „Die kulturelle Identität und die Führungsstile hatten sich über Jahrzehnte hinweg verschieden entwickelt.“ In vielen Diskussionen wurden gemeinsame Ziele und Wege geschaffen. Die Synergien führten zum Abbau von weltweit 2.000 Stellen. Zur Kostensenkung kündigte der Henkel-Vorstandsvorsitzende Carsten Knobel in einem Interview mit der „Süddeutschen Zeitung“ weltweit weitere Effizienzmaßnahmen in den Bereichen Einkauf, Logistik und Produktion an.
Mit Knobel steht ein familienfremder Manager an der Konzernspitze, wie durchgehend seit 1980, als Konrad Henkel, der Enkel des Firmengründers, in den Aufsichtsrat wechselte. Dennoch ist das Konsumgüter- und Industrieunternehmen in Familienhand geblieben. Die rund 200 Familienmitglieder halten über 60 Prozent der Aktien. Der Rest wird als Streubesitz auf dem Börsenparkett gehandelt. Im Aufsichtsrat und Gesellschafterausschuss agiert Fritz Henkels Ururenkelin Dr. Simone Bagel-Trah als Chefin. Sie begleitet den Wandel – auch den, den Sylvie Nicol im Personalmanagement anstößt und durchsetzt.
Acht Wochen bezahlte Elternzeit für alle
Schon vor Nicols Zeit war das Unternehmen aktiv in Fragen von Diversity, Geschlechtergerechtigkeit und Inklusion. 2024 führte der Familienkonzern weltweit eine vollvergütete achtwöchige Elternzeit ein – unabhängig von den länderspezifischen Regelungen. Und mit der HR-Talent-Cloud-Plattform sollen künftig firmenintern Talente und Jobs schneller zusammenfinden. Dabei wird KI-gesteuert die Übereinstimmung der Eignung aller Mitarbeitenden mit offenen Positionen vermessen.
Auf der Suche nach spezialisierten Experten, etwa für die Themen Digitalisierung und Datenanalyse, Lieferketten und IT, sollen im Unternehmen vorhandene Fähigkeiten entdeckt und Mitarbeitende entwickelt werden. Nicol: „Wir erwerben damit nicht nur neues Wissen über Talente, wir formen unseren Suchansatz im Personal fundamental um.“ Dies sei ohne digitale Lösungen in einer so großen und internationalen Organisation schier unmöglich. Es existiere bereits eine Global Job Architecture, die Lebensläufe der Beschäftigten werden damit abgeglichen. „Wir ermutigen alle Mitarbeitenden, ihr persönliches Profil aktuell zu halten“, beschreibt die Vorständin den Prozess. „Ergänzt wird das Profil in einem nächsten Schritt mit dem Feedback von Vorgesetzten und Kollegen.“ Ganz wichtig ist der Personalvorständin der Mix aus Eigeninitiative und Effizienzgewinn. „Wir stellen die Plattform bereit und garantieren die Funktionstüchtigkeit, aber jeder Beschäftigte muss vor allem selbst für sich aktiv werden“, fordert sie, nicht zuletzt aus eigenem Erleben: „Karriere ist nichts, was einem einfach passiert.“