Konsumgüter, Handel

Von der Garage
in die Fabrik

Für Gewinner des Deutschen Gründerpreises sind Trophäen Nebensache. Für sie zählt professionelle Starthilfe. Gute Beratung hat schon vielen Start-ups geholfen, sich zu profitablen Großunternehmen zu entwickeln. Ein Beispiel sind die Gründerinnen von Traceless Materials mit ihrer Alternative zum Kunststoff.

11/2024

Gründergeist wird belohnt: Für ihre innovative Produktidee wurden die Gründerinnen von Traceless Materials Dr. Anne Lamp (CEO, links) und Johanna Baare (COO, rechts) im Jahr 2022 mit dem Deutschen Gründerpreis ausgezeichnet. Mit dem entwickelten Bio-Granulat werden Kunststoffprodukte vollständig kompostierbar. Porsche Consulting/Andreas Laible

KI-optimierte Abfallwirtschaft. Digitale Hautarztpraxis. Mit diesen innovativen Geschäftsideen haben die Gründer-Teams von WeSort.AI und Dermanostic die Jury des Deutschen Gründerpreises überzeugt: Am 24. September 2024 wurde zum 22. Mal in Folge der Deutsche Gründerpreis in der deutschen Hauptstadt Berlin verliehen. Er ist die bedeutendste Auszeichnung für herausragende unternehmerische Leistung in Deutschland. Als Gewinner in der Kategorie „StartUp“ wurden die WeSort.AI-Gründer für das KI-unterstützte Hochgeschwindigkeits-Sortieren von Abfall gekürt. Die Gründerinnen und Gründer von Dermanostic wurden in der Kategorie „Aufsteiger“ für ihre Smartphone-App zur schnellen und hochwertigen dermatologischen Versorgung ausgezeichnet.

Bio-Start-up auf Erfolgskurs

Wie aus Gründerpreis-Gewinnern bedeutende Unternehmen werden und aus innovativen Ideen Wirklichkeit, zeigt das Start-up Traceless Materials. Die Idee für Traceless kam der Hamburgerin Dr. Anne Lamp 2019 während ihrer Promotionszeit an der Technischen Universität Hamburg. Für ihr herausragendes Produkt und den Beitrag zur globalen Bekämpfung der Plastikverschmutzung wurden Anne Lamp, CEO, und ihre Mitgründerin Johanna Baare, COO von Traceless, im Jahr 2022 mit dem Deutschen Gründerpreis in der Kategorie „StartUp“ ausgezeichnet. Seit der Gründung 2020 ist viel passiert. Hinter einem grauen Rolltor, in einer Werkhalle in der norddeutschen Kleinstadt Buchholz südlich von Hamburg, haben die zwei Gründerinnen weiter an der Verwirklichung ihres ambitionierten Ziels getüftelt: einer Welt ohne Plastikverschmutzung. Der Schlüssel ist ein innovatives Material, das in weiterverarbeiteter Form zur nachhaltigen Alternative für Kunststoff wird.

Auch Investoren konnten die Traceless-Gründerinnen von ihrem Produkt überzeugen: Investorengelder in Höhe von 36,6 Millionen Euro fließen in den Bau der ersten großtechnischen Produktionsanlage. Angeführt wurde die Finanzierungsrunde vom Private-Equity-Fonds UB Forest Industry Green Growth Fund (UB FIGG) und dem Fonds SWEN Blue Ocean.Porsche Consulting/Andreas Laible

Hergestellt wird das Bio-Granulat aus Reststoffen der Getreideverarbeitung. Die Besonderheit dabei: Unter natürlichen Kompostierbedingungen ist der Kunststoffersatz zu 100 Prozent biologisch abbaubar – laut den Gründerinnen in einer Rekordzeit von nur zwei bis zwölf Wochen, je nach Dicke des Materials. Eine Lösung also, wie der Name Traceless schon sagt, die keine schädlichen Spuren hinterlässt.

Neue Dimension in der Produktion

Anne Lamp und Johanna Baare am Tag der Schlüsselübergabe mit Vorbesitzerin Franziska Wedemann (Mitte), Inhaberin der Großbäckerei Wedemann, im März 2024: In Hamburg-Harburg wird die erste große Produktionsanlage von Traceless entstehen. Mit dem Bau der Anlage haben die Gründerinnen inzwischen begonnen. Traceless Materials GmbH
Hier soll nach dem Umbau die Serienfertigung des Traceless-Materials starten. Mit der neuen Anlage lassen sich jährlich mehrere Tausend Tonnen des Bio-Granulats herstellen.Traceless Materials GmbH

Vom Erfolg des Start-ups sind auch Investoren überzeugt: In einer groß angelegten Finanzierungsrunde sicherten sich die Jungunternehmerinnen im September 2023 Investorengelder in Höhe von 36,6 Millionen Euro. Ein wichtiger Meilenstein, um dem Unternehmen zum Durchbruch zu verhelfen. Aktuell produziert das inzwischen mehr als 50-köpfige Traceless-Team das Granulat noch in kleinen Mengen auf einer ersten Pilotanlage in Buchholz. Das soll sich jetzt ändern: Die Gelder fließen in den Bau der ersten großtechnischen Industrieanlage in Hamburg. Finanziell gefördert wird das Bauvorhaben auch vom Umweltinnovationsprogramm des Bundesministeriums für Umwelt, Naturschutz, nukleare Sicherheit und Verbraucherschutz (BMUV) in einer Höhe von mehr als fünf Millionen Euro. Mit dem Bau hat das Start-up bereits 2024 begonnen. Im Jahr 2025 soll dort die Serienfertigung des zum Patent angemeldeten Biomaterials starten.

„Durch die Skalierung unserer innovativen Technologie zeigen wir, dass eine klimafreundliche, zirkuläre, resiliente und regenerative Industrie möglich ist“, sagt Dr. Anne Lamp, CEO der Traceless Materials GmbH.Porsche Consulting/Andreas Laible

Mit der neuen Produktionsanlage lassen sich jährlich mehrere Tausend Tonnen des Granulats herstellen. Im Vergleich zu Plastik werden rund 90 Prozent der CO₂-Emissionen und des fossilen Energiebedarfs bei der Produktion und Entsorgung eingespart. Das eröffnet den Gründerinnen neue Möglichkeiten zur Realisierung ihrer Mission, Kunststoffe in großen Mengen zu ersetzen: „Durch die Skalierung unserer innovativen Technologie zeigen wir, dass eine klimafreundliche, zirkuläre, resiliente und regenerative Industrie möglich ist. Mit unserem neuartigen Biomaterial können wir einen wesentlichen Beitrag zur Lösung der Plastikverschmutzung leisten“, so Dr. Anne Lamp.

Die Kombination aus Innovation und Größe

Die Anwendungsfälle für den Einsatz des Bio-Granulats sind vielfältig: Es lässt sich zu flexiblen Folien, Beschichtungen, Klebstoffen und harten Formteilen verarbeiten. Einsatzzwecke sind Verpackungen und Einwegprodukte, wie zum Beispiel Strohhalme, Eislöffel, Einweggeschirr, Obst- und Gemüseverpackungen oder Versandverpackungen. Parallel zum Hochlauf der großangelegten Produktion entwickelt das Unternehmen mit seinen Kunden und Partnern Pilotprodukte aus Traceless-Materialien. Bereits früh startete Traceless mit dem Versandhändler Otto eine Kooperation zur Entwicklung von plastikfreien Versandverpackungen. Mit der Fluggesellschaft Lufthansa arbeitet das Start-up daran, Lebensmittelverpackungen und Einwegbesteck an Bord umweltfreundlicher zu gestalten. Und auch der Bekleidungshersteller C&A testet seit 2022 erfolgreich Kleiderhaken aus dem Biomaterial.

Eine Produktionsvorstufe des „Traceless“-Granulats. Hergestellt wird das Biomaterial aus Reststoffen der Getreideverarbeitung.Porsche Consulting/Andreas Laible
Aus dem fertigen Bio-Granulat lassen sich flexible Folien, Beschichtungen, Klebstoffe, aber auch harte Kunststoffalternativen, wie Einwegbesteck, herstellen.Traceless Materials GmbH

Im Juni 2024 verkündete Traceless die strategische Partnerschaft mit Mondi, einem weltweit führenden Verpackungs- und Papierhersteller. Ziel der Zusammenarbeit ist es, die Anwendung des Traceless-Granulats als Beschichtungslösung für die Papierindustrie in großem Maßstab voranzutreiben. Bei herkömmlichen Papierbeschichtungen kommen oft synthetische Kunststoffe zum Einsatz, die die Versiegelungs- und Barriereeigenschaften des Papiers verbessern. Diese Beschichtungen werden meist aus nicht erneuerbaren fossilen Ressourcen gewonnen und sind unter industriellen Kompostierungsbedingungen nicht biologisch abbaubar. Dr. Anne Lamp: „Unsere Zusammenarbeit mit Mondi ist mehr als nur eine Partnerschaft. Es ist eine leistungsstarke Kombination aus Innovation und Größe. Gemeinsam sind wir bereit, die Papierbeschichtungsbranche zu verändern, indem wir unsere Beschichtungsalternative Traceless in einem Umfang implementieren, den nur ein Unternehmen wie Mondi erreichen kann. Dies ist ein wichtiger Schritt in Richtung einer nachhaltigen Zukunft, in der unser Material in Alltagsprodukten zum Standard wird.“

Wer bei der im August 2024 vom Labor Tempelhof veranstalteten Konzertserie in Berlin zu Gast war, konnte ein weiteres Traceless-Produkt hautnah erleben: die Traceless-Pommesgabeln. Entwickelt hat sie das Unternehmen in enger Zusammenarbeit mit dem Gastronomiedienstleister GTB Gastro Team Bremen, der zum führenden Catering- und Servicemanagement-Unternehmen Aramark gehört.

„Wenn wir im industriellen Maßstab produzieren, sind wir preislich wettbewerbsfähig“, sagt Johanna Baare, COO der Traceless Materials GmbH.Porsche Consulting/Andreas Laible

Durch die industrielle Fertigung des Materials verspricht sich das Start-up auch einen entscheidenden Kundenzuwachs. Mit der neuen Anlage lassen sich nicht nur erheblich größere Mengen des Biomaterials herstellen, sondern auch der Preis deutlich senken. Auch die neue Anlage in Hamburg ist nur ein Zwischenschritt zur vollen industriellen Produktionsanlage. „Wenn wir im industriellen Maßstab produzieren, sind wir preislich wettbewerbsfähig. So können wir die Preislücke im Vergleich zur herkömmlichen Plastikherstellung Schritt für Schritt verkleinern“, sagt Johanna Baare.

Kommentar

Von Michael Tribus,
Senior Partner, Porsche Consulting

Der Deutsche Gründerpreis: Gründergeist wird belohnt

Michael Tribus, Senior Partner und Branchenleiter für den Bereich Konsumgüter und Handel bei Porsche ConsultingPorsche Consulting
Unternehmertum heißt, den Mut zu haben, Dinge anzupacken. Und neuzugestalten. Ganz konkret: an den Innovationen von morgen zu arbeiten. Dafür braucht es nicht nur geniale Ideen, sondern auch die richtigen Persönlichkeiten dahinter. Menschen, die sich trotz hoher Risiken nicht scheuen, mit Herzblut und hohem Einsatz daran zu arbeiten, Visionen in Unternehmungen zu verwandeln. Dafür steht der Deutsche Gründerpreis. Im Verbund mit dem Magazin Stern (ab 2025: F.A.Z.), den Sparkassen, dem Zweiten Deutschen Fernsehen und Porsche kürt der Deutsche Gründerpreis jedes Jahr seit 2002 herausragende unternehmerische Leistungen in den Kategorien „Schüler:innen“, „StartUp“, „Aufsteiger“ und „Lebenswerk“. Es geht darum, die Talente zu finden, die die großen Unternehmer der Zukunft in Deutschland sein können. Davon gibt es nicht viele. Wir suchen die Besten jedes Jahr. Das ist uns mit einem Großteil der Unternehmen, die wir ausgezeichnet haben, auch gelungen. Viele der Gewinnerfirmen haben eine hohe Relevanz für den Standort Deutschland. Ganz vorne mit dabei, wenn es um Innovationsthemen geht, ist zum Beispiel Aleph Alpha, das größte deutsche KI-Unternehmen. Die Gründer haben eine eigene KI entwickelt, die durchaus mit OpenAI wettbewerbsfähig ist. Aber auch die Gründerpreisgewinner von Tonies haben mit ihrer Toniebox und ihren innovativen Hörspielen für Kinder das Marktsegment neu interpretiert. In nur sieben Jahren nach Gründung haben sie einen sehr erfolgreichen Börsengang hingelegt. Oder, um ein weiteres herausragendes Beispiel zu nennen, das Start-up Traceless Materials. Das Gründerteam leistet mit seinem innovativen Kunststoffersatz einen wertvollen Beitrag zu einer nachhaltigeren Welt. Wichtig ist uns, neben dem Aufspüren der besten Jungunternehmerinnen und -unternehmer in Deutschland, eine Community zu schaffen. Eine Community, in der sich die Toptalente vernetzen und den Unternehmergeist weitertragen können. Es ist inspirierend zu sehen, dass es Menschen in Deutschland gibt, die die Ärmel hochkrempeln. Die sich trauen, ins kalte Wasser zu springen. Die den Mut haben, gegen alle widrigen Umstände von außen, wie Bürokratie, Politik und Geldknappheit mit Blick auf die Finanzierung, durchzustarten – und erfolgreich damit sind. Diesen Unternehmergeist möchten wir von Porsche Consulting mit unserem Engagement fördern, indem wir unsere Expertise und Erfahrung weitergeben, wie man effiziente Unternehmen aufbaut. Alle sechs nominierten Finalisten der Kategorien „StartUp“ und „Aufsteiger“ erhalten eine vierwöchige Beratung von uns. Wir helfen den Gründerinnen und Gründern sehr zielgerichtet in ihrer jeweiligen Situation. Je nach Unternehmensgröße gibt es verschiedene Schwerpunkte. Aber meistens geht es um die folgenden Fragestellungen: Wie kann die Organisation skaliert werden? Wie gelingt es, Investoren zu überzeugen? Wie gelingt der Eintritt in neue Märkte? Wie schafft man es, die Organisation richtig zu strukturieren und aufzubauen?
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