Mobilität

Eintracht in
Frankfurt

Gemeinsam entwickeln der deutsche Airport-Betreiber Fraport und die Lufthansa Group ein Zukunftsbild für das Terminal 1 des Frankfurter Flughafens. Porsche Consulting unterstützt die strategische Transformation auch mit Ideen und Vorbildern aus anderen Branchen.

 07/2023

Freundschaftsspiel: Nach dem Interview im Frankfurter Flughafenbüro von Porsche Consulting kicken die Geschäftsführer Dirk Schusdziara (links) und Jörg Harnisch fürs Titelfoto am Tischfußball der Managementberatung.Porsche Consulting/Marco Prosch

Frank­furt Air­port ist der größ­te Flug­ha­fen in Deutsch­land. Als inter­na­tio­na­les Dreh­kreuz gehört er welt­weit zu den Top 20 der wich­tigs­ten Start- und Lan­de­plät­ze für die zivi­le Luft­fahrt. Bei der Qua­li­tät ihrer Dienst­leis­tun­gen müs­sen sich die Frank­fur­ter mes­sen las­sen an dem, was Kol­le­gen in den Metro­po­len ande­rer Län­der bie­ten. Für jeden sicht­bar ist, wie der Ser­vice für Pas­sa­gie­re gestal­tet wird. Und der funk­tio­niert am bes­ten, wenn Flug­ha­fen­be­trei­ber und Flug­ge­sell­schaf­ten sehr gut koope­rie­ren. Hand in Hand, mit gemein­sa­men Zie­len. Schließ­lich pro­fi­tiert der Flug­gast, wenn seine Reise trotz unter­schied­li­cher Zustän­dig­kei­ten am Boden und in der Luft rei­bungs­los und kom­for­ta­bel ver­läuft. Diese Erkennt­nis soll jetzt viel stär­ker in den Vor­der­grund rücken – im Inter­es­se der Kun­den, aber auch um künf­tig gemein­sam wirt­schaft­li­cher arbei­ten zu können.

Im Frank­fur­ter Ter­mi­nal 1 hat die Zukunft bereits begon­nen. Check-in-Schal­ter wer­den moder­ni­siert. Die Sicher­heits­kon­trol­le für Pas­sa­gie­re wird mit neuen Com­pu­ter­to­mo­gra­phie-Scan­nern aus­ge­rüs­tet, die Hand­ge­päck auto­ma­tisch auf Fest- und Flüs­sig­spreng­stof­fe über­prü­fen. Im Abflug­be­reich wer­den so genann­te Secu­ri­ty-Slots ein­ge­führt, die Pas­sa­gie­re vor­her online buchen kön­nen und damit die läs­ti­ge War­te­zeit vor der Kon­trol­le auf maxi­mal fünf bis zehn Minu­ten redu­zie­ren. Das alles ist erst der Anfang. Gemein­sam wol­len die Flug­ha­fen­ge­sell­schaft Fra­port AG und die Luft­han­sa als größ­te deut­sche Air­line die Ser­vices und Abläu­fe opti­mie­ren und ihre Ange­bo­te ver­bes­sern. Pro­fi­tie­ren vom neuen Zukunfts­bild sol­len alle: Pri­vat- und Geschäfts­rei­sen­de, der Flug­ha­fen­be­trei­ber und die Airline.

Im Som­mer 2022 wurde für die enge Koope­ra­ti­on im ope­ra­ti­ven Geschäft am Frank­fur­ter Dreh­kreuz das Gemein­schafts­un­ter­neh­men Fra­Al­li­ance gegrün­det. Daran sind die bei­den Akti­en­ge­sell­schaf­ten Fra­port und Deut­sche Luft­han­sa mit je 50 Pro­zent betei­ligt. Die Idee für die neue Gemein­schaft war etwa drei Jahre zuvor ent­stan­den. Sie wurde wei­ter­ent­wi­ckelt und schließ­lich rea­li­siert. Dr. Pierre Domi­ni­que Prümm, Vor­stand Avia­ti­on und Infra­struk­tur der Fra­port, spricht von einer schnel­len und schlag­kräf­ti­gen Ein­heit, „mit der wir unse­re gemein­sa­men Inter­es­sen bün­deln“. Und Jens Rit­ter, CEO von Luft­han­sa Air­lines, betont die Ziel­rich­tung: „Wir wol­len unse­ren Gäs­ten ein zuver­läs­si­ges, pünkt­li­ches und erst­klas­si­ges Rei­se­er­leb­nis bie­ten. Durch gemein­sa­me inno­va­ti­ve und zukunfts­ori­en­tier­te Maß­nah­men wer­den wir einen deut­li­chen Mehr­wert schaffen.“

Die Schwer­punk­te der stra­te­gi­schen Alli­anz sind kon­se­quen­te Aus­rich­tung auf die Erwar­tun­gen der Kund­schaft, zuver­läs­si­ge Infra­struk­tur, sta­bi­le Abläu­fe sowie mehr­wert­stif­ten­de Dienst­leis­tun­gen rund um die Rei­sen­den, die zusätz­li­che Ein­nah­me­quel­len eröff­nen sol­len. Die bei­den Geschäfts­füh­rer der neuen Fra­Al­li­ance haben ehr­gei­zi­ge Pläne. Jörg Har­nisch, bis­her Head of Pro­cess Impro­ve­ment bei der Luft­han­sa Group: „Wir wol­len das Rei­se­er­leb­nis für jeden Gast attrak­ti­ver machen – und den Flug­ha­fen als Gan­zes pro­fi­ta­bler.“ Dirk Schusdzia­ra, zuvor Lei­ter Wirt­schaft­li­che Steue­rung des Zen­tral­be­reichs Flug­be­triebs- und Ter­mi­nal­ma­nage­ment, Unter­neh­mens­si­cher­heit bei Fra­port, bringt den Kern der orga­ni­sier­ten Zusam­men­ar­beit auf eine kurze, tref­fen­de For­mel: „Jetzt lernt der Air­port zu den­ken wie eine Air­line und die Air­line wie ein Airport.“

„Jetzt lernt der Airport zu denken wie eine Airline und die Airline wie ein Airport“, sagt FraAlliance-Geschäftsführer Dirk Schusdziara. Bei Fraport war er zuvor Leiter Wirtschaftliche Steuerung des Zentralbereichs Flugbetriebs- und Terminalmanagement, Unternehmenssicherheit. Porsche Consulting/Marco Prosch

Die Kom­ple­xi­tät der ange­streb­ten Trans­for­ma­ti­on zeigt sich bereits bei der indi­vi­du­el­len Anrei­se der Pas­sa­gie­re zum Fra­port: Einer kommt mit dem Taxi, ein zwei­ter mit dem Zug, der drit­te mit dem Flug­zeug, der vier­te mit sei­nem Auto. Alle wol­len ange­mes­sen emp­fan­gen und zum Ziel geführt wer­den. Und das so ein­fach und unkom­pli­ziert wie mög­lich. Um den Mobi­li­täts-Hub zu ver­bes­sern, gilt es, Geschäfts­be­trieb, Infra­struk­tur, Inter­mo­da­li­tät, Nach­hal­tig­keit und Kun­den­er­leb­nis wei­ter­zu­ent­wi­ckeln. Dirk Schusdzia­ra: „Im Zen­trum allen Han­delns steht der Kunde.“

Durch die Ver­bes­se­rung der Abläu­fe und Pro­dukt­an­ge­bo­te ent­lang der gesam­ten Rei­se­ket­te der Flug­gäs­te werde man auch die Wett­be­werbs­fä­hig­keit des Stand­orts stär­ken. Ein Bei­spiel für die ers­ten Erfol­ge des Joint Ven­tures: Die Luft­han­sa-App infor­miert via Smart­phone in Echt­zeit über die aktu­el­len War­te­zei­ten an den Luft­si­cher­heits­kon­trol­len. Ein zwei­tes Bei­spiel: Durch die exak­te Ana­ly­se und die Opti­mie­rung der Pas­sa­gier­strö­me redu­ziert sich für etwa eine Mil­li­on Flug­gäs­te im Jahr künf­tig die Umstei­ge­zeit, weil dort dop­pel­te Sicher­heits­kon­trol­len ent­fal­len. Umstei­ger im Tran­sit, oft mit wenig zeit­li­chem Spiel­raum für den Wech­sel des Flug­zeugs, machen 60 bis 70 Pro­zent aller Flug­gäs­te am Dreh­kreuz Frank­furt aus.

FraAlliance-Geschäftsführer Dirk Schusdziara (links) und Luftfahrtexperte Claus Lintz, Partner bei Porsche Consulting, in der Abflughalle, Terminal 1, des Flughafens Frankfurt. Sie wollen für Fluggäste und Besucher schon ab der ersten Sekunde des Aufenthalts ein positives Erlebnis schaffen. Porsche Consulting/Marco Prosch
„Für viele Menschen aus aller Welt ist der Flughafen Frankfurt das Eingangsportal nach Deutschland“, sagt Dirk Schusdziara. Die Hallen ließen sich künftig auch für kulturelle Veranstaltungen öffnen. Porsche Consulting/Marco Prosch
Managementberater Lintz (links) und Geschäftsführer Schusdziara analysieren mit ihren Teams alle Kontaktpunkte für Fluggäste und Besucher. Ihr Ziel: mehr Komfort, mehr Qualität und eine Top-Reputation. Porsche Consulting/Marco Prosch

Bis 2023 sol­len die Ser­vices am Ter­mi­nal 1, das von der Luft­han­sa und sei­nen Part­ner­flug­ge­sell­schaf­ten im Ver­bund der Star Alli­ance exklu­siv genutzt wird, ver­bes­sert wer­den. Dane­ben strebt die Fra­Al­li­ance mit­tel­fris­tig an, den Groß­flug­ha­fen mit aktu­ell täg­lich etwa 1.100 Starts und Lan­dun­gen, 500 Bus­ab­fahr­ten, 150 Zügen und gut 140.000 Pas­sa­gie­ren zu einer eige­nen „Klein­stadt“ mit einer Viel­zahl inter­es­san­ter Ange­bo­te zu machen. Dazu kön­nen attrak­ti­ves Shop­ping, Frei­zeit­ak­ti­vi­tä­ten und Kon­fe­renz­ge­le­gen­hei­ten gehö­ren. Das ermög­licht auch eine Stär­kung der Iden­ti­tät des Flug­ha­fens Frank­furt. „Wir wol­len ein noch bes­se­rer Gast­ge­ber wer­den“, ver­spricht Schusdzia­ra. Denk­bar ist vie­les. Warum nicht Kon­zer­te am Flug­ha­fen? Thea­ter? Par­tys? Schusdzia­ra: „Jeder Pas­sa­gier und auch jeder Nicht­rei­sen­de soll sich bei uns will­kom­men und wohl füh­len. Der Besuch des Flug­ha­fens soll für alle ein attrak­ti­ves Erleb­nis sein. Und das nicht nur ein­mal.“ Der Flug­ha­fen Frank­furt sei mehr als eine inter­na­tio­na­le Dreh­schei­be inklu­si­ve des öffent­li­chen Per­so­nen­nah- und ‑fern­ver­kehrs. Er sei „für viele Men­schen aus aller Welt das Ein­gangs­por­tal nach Deutschland“.

Wie bei vie­len Trans­for­ma­ti­ons­pro­jek­ten bil­det auch bei der Fra­Al­li­ance die Daten­land­schaft das Fun­da­ment. Des­halb haben Fra­port und Luft­han­sa aus­ge­wähl­te Daten aus ihren Kon­zer­nen zusam­men­ge­führt und ana­ly­siert. Das Wis­sen über die Pas­sa­gier­strö­me zu tei­len, ist ein wich­ti­ger Part der Alli­anz. Nur auf diese Weise steigt die Mög­lich­keit, den Kun­den indi­vi­du­el­le Leis­tun­gen anzu­bie­ten. Inte­griert in die IT-Land­schaft wer­den auch Ser­vice­un­ter­neh­men und Sys­tem­part­ner – rund 450 Fir­men haben ihren Stand­ort auf dem Flug­ha­fen –, um auch kom­ple­xe Lösun­gen zu ver­bes­sern, etwa die „Reise von Tür zu Tür aus einer Hand“.

„Wir spielen jetzt nicht mehr jeder für sich allein, sondern gemeinsam in einer Mannschaft“, beschreibt FraAlliance-Geschäftsführer Jörg Harnisch die neue Kooperation von Airline und Airport. Bei der Lufthansa Group war er zuvor Head of Process Improvement.Porsche Consulting/Marco Prosch

Für Jörg Har­nisch sind es Bei­spie­le für ein neues Den­ken und Han­deln am Flug­ha­fen Frank­furt. Die Grün­dung der Fra­Al­li­ance stel­le eine Zei­ten­wen­de dar: „Wir spie­len jetzt nicht mehr jeder für sich allein, son­dern gemein­sam in einer Mann­schaft.“ Das zeigt sich auch in einer klei­nen Pause beim gemein­sa­men Kicker-Trai­ning im Frank­fur­ter Flug­ha­fen­bü­ro von Por­sche Con­sul­ting. Eine gute Mög­lich­keit, zum Ende der Spiel­ein­la­ge nach der Rolle der Manage­ment­be­ra­ter bei der stra­te­gi­schen Trans­for­ma­ti­on zu fra­gen. „Por­sche Con­sul­ting“, ant­wor­tet Har­nisch, „steht für uns für das Ver­ste­hen des Kun­den und für intrin­si­sche Moti­va­ti­on mit dem Ziel, immer bes­ser zu werden.“

Managementberater Claus Lintz:

„Positive Überraschungen bis zum Einsteigen ins Flugzeug“

Auf Initiative von Claus Lintz, Luftfahrtexperte bei Porsche Consulting, wurde in Frankfurt ein „Lab Gate“ eingerichtet – ein Abflugbereich zum Erproben innovativer Angebote direkt in der Praxis. Porsche Consulting/Marco Prosch
Beim FraAlliance-Projekt gab es von vornherein drei Blickwinkel. „Die erste Sichtweise liegt auf den zukünftigen Anforderungen der Reisenden“, erklärt Claus Lintz, Partner bei Porsche Consulting im Ressort Luft- und Raumfahrt. Dieser Blick durch die Brille der Airport-Kunden führe zur zweiten Sichtweise: „Was will und kann der Flughafen seinen Kunden bieten?“ Schließlich habe man sich der dritten Sichtweise zugewandt: „Wie betreiben wir das Gesamtunternehmen so, dass es möglichst profitabel ist?“ Es gehe sowohl um Game Changer als auch um Quick Wins zur Steigerung von Effizienz und Erlös, so der Managementberater. Die FraAlliance-Partner waren auf der Suche nach Antworten offen dafür, weit über den Tellerrand ihrer beiden Unternehmen hinauszuschauen. Auf Initiative von Porsche Consulting wurde unter anderem ein Entwicklungsexperte des Onlinekonzerns Amazon dazugeholt. „Solche branchenfernen Impulse von außen haben erstaunliche Ideen freigelegt“, berichtet Lintz. „Zum Beispiel den Gedanken positiver Überraschungseffekte. Warum soll man einem Flughafengast nicht etwas anbieten, von dem er selbst noch gar nicht ahnt, dass er es gerne haben möchte? Bei Onlinehändlern folgen wir als Verbraucher diesem Phänomen doch regelmäßig.“ Auch aus Gesprächen mit dem Europachef von Walt Disney Imagineering und dem Kreativchef des europaweit agierenden Hamburger Shopping-Mall-Betreibers ECE entstanden positive Denkanstöße für den Flughafen von morgen. Die Erkenntnisse aus anderen Branchen wurden durch die Managementberater in verschiedene Workshops eingebracht und dort diskutiert und evaluiert. Lintz: „Daraus ist ein Programm entstanden mit vielen Einzelinitiativen.“ Das ist FraAlliance-Geschäftsführer Harnisch wichtig: „Die Stärke von Porsche Consulting ist es, nur realistische Vorschläge einzubringen. Solche, die tatsächlich umsetzbar sind.“ Ein Beispiel: das Lab Gate, ein besonderer Abflugbereich, der als Experimentierfeld für Innovationen direkt vor dem Einsteigen ins Flugzeug dient, etwa für wechselnde Pop-up-Stores und regionale Angebote. „Hier kann in der Praxis ausprobiert werden, was funktioniert und was nicht“, so Lintz. Er ist sicher, dass die FraAlliance das Zeug zu einem „Role Model“ für andere Airports auf der Welt hat: „Diese Kooperation schafft die Möglichkeit, das Eingangstor nach Deutschland für die Gäste aller Nationen attraktiver zu gestalten. Dafür müssen wir uns Fragen stellen, zum Beispiel diese: Welchen Eindruck wollen wir an unserem größten deutschen Flughafen vermitteln? Und welche Leistungen erwarten und benötigen Passagiere sowie Besucher von einem Mobilitätshub wie dem Frankfurter Flughafen?“
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