Einblick

Digitale Zeiten-
wende: Wann,
wenn nicht jetzt?

Die Coronakrise hat die digitale Transformation in vielen Sektoren beschleunigt, dabei Defizite aufgedeckt, aber auch Kräfte freigesetzt. Ein Blick auf fünf Branchen und ihre digitale Zukunft.

09/2020

Nicht nur Schüler und Lehrer haben während des Corona-Lockdowns viel hinzugelernt – wie zum Beispiel bei dieser virtuellen Schulstunde. In vielen Bereichen des öffentlichen und des Wirtschaftslebens führte er zu einem Digitalisierungsschub.Plainpicture

Gesund­heits­äm­ter, die Coro­na-Fall­zah­len per Fax über­mit­teln, Schu­len, an denen die tech­ni­sche Aus­stat­tung zum mobi­len Ler­nen fehlt, und Ein­zel­händ­ler, die im digi­ta­len Raum bis­her nicht exis­tier­ten: In vie­len Sek­to­ren des öffent­li­chen und des Wirt­schafts­le­bens deck­te die Coro­na­kri­se digi­ta­le Defi­zi­te scho­nungs­los auf. Doch sie hat auch Kräf­te frei­ge­setzt und gezeigt, was mög­lich ist – etwa wie ein wei­test­ge­hend ana­lo­ger Ver­wal­tungs­ap­pa­rat über Nacht und aus dem Home­of­fice her­aus kri­sen­re­le­van­te Leis­tun­gen digi­ta­li­sier­te. Oder wie Lehr­kräf­te erfolg­reich vir­tu­el­len Unter­richt impro­vi­sier­ten. Und wie Ein­zel­händ­ler ihr Geschäfts­mo­dell krea­tiv online erwei­ter­ten. Auch im Kul­tur­sek­tor wur­den die Akteu­re erfin­de­risch: Vir­tu­el­le Rund­gän­ge durch die Aus­stel­lungs­räu­me von Muse­en, Orches­ter im Live­strea­ming oder Lite­ra­tur­fes­ti­vals per Zoom-Kon­fe­renz erwei­tern das kul­tu­rel­le Ange­bot ver­mut­lich auf Dauer.

Es darf kein Zurück in den Vorkrisenmodus geben.

Achim BergAchim Berg
Präsident des IT-Branchenverbands Bitkom

Digitaler Wendepunkt

Die schnel­len Lösun­gen, die wäh­rend der Pan­de­mie gefun­den wur­den, machen ein­drück­lich klar, dass hoch­kom­ple­xe Pro­zes­se wie die Digi­ta­li­sie­rung inner­halb kür­zes­ter Zeit an Tempo gewin­nen kön­nen. „Dass mobi­les Arbei­ten und mobi­les Ler­nen zum Stan­dard wer­den könn­ten, schien bis­lang undenk­bar. Jetzt aber wer­den wie unter einem Brenn­glas die immensen Poten­zia­le sicht­bar, die digi­ta­le Tech­no­lo­gien grund­sätz­lich bie­ten“, sagt Achim Berg, Prä­si­dent des deut­schen IT-Bran­chen­ver­bands Bit­kom, in dem mehr als 2.700 Unter­neh­men orga­ni­siert sind. Für Berg ist die Krise ein digi­ta­ler Wen­de­punkt und ein Weck­ruf, Digi­ta­li­sie­rung nun mas­siv vor­an­zu­trei­ben. Es dürfe dabei kein Zurück in den Vor­kri­sen­mo­dus geben. Die Wei­chen dafür wer­den nun gestellt. Die Ant­wor­ten von Orga­ni­sa­tio­nen und Unter­neh­men auf den Digi­ta­li­sie­rungs­be­darf fal­len je nach Bran­che höchst unter­schied­lich aus.


Messen: Virtuelle Begegnungen

Sie traf es zuerst: Als Groß­ver­an­stal­tun­gen mit Hun­der­ten bis Tau­sen­den Teil­neh­mern muss­ten Mes­sen rund um den Glo­bus nach Aus­bruch der Coro­na-Pan­de­mie abge­sagt und ver­scho­ben wer­den. Glück­lich schät­zen konn­ten sich die Ver­an­stal­ter, die auf ein vir­tu­el­les Kon­zept umschwen­ken konn­ten. So wie die euro­päi­sche Leit­mes­se für Com­pu­ter- und Video­spie­le Games­com. Ein­mal im Jahr ver­sam­meln sich Fans und Fach­pu­bli­kum in Köln und tau­schen sich über neu­es­te Ent­wick­lun­gen aus. Erste digi­ta­le For­ma­te der Messe gab es schon 2019. „So haben wir Mil­lio­nen Fans online erreicht“, sagt Tim End­res, Lei­ter der Messe, und ergänzt: „Die Digi­ta­li­sie­rung der Mes­se­bran­che hatte auch schon vor der Coro­na­kri­se eine enor­me Bedeu­tung.“ Ende August 2020 fin­det das Bran­chen­tref­fen gänz­lich im digi­ta­len Raum statt. „Die Games­com 2020 ist das erste rein digi­ta­le For­mat der Koeln­mes­se“, sagt End­res. Nun ent­wi­ckeln er und seine Mit­ar­bei­ten­den die digi­ta­len For­ma­te wei­ter und arbei­ten unter Hoch­druck an wei­te­ren Shows. „Dass wir bei die­sen The­men nicht bei null star­ten muss­ten, hat sich aus­ge­zahlt“, so Endres.

Die Digitalisierung der Messebranche hatte auch schon vor der Coronakrise eine enorme Bedeutung.

Tim Endres
Director Gamescom

Ins­ge­samt aber tref­fen die Fol­gen der Coro­na­kri­se die welt­wei­te Messe- und Ver­an­stal­tungs­bran­che hart. Der Ver­band inter­na­tio­na­ler Mes­sen UFI rech­net für das zwei­te Quar­tal 2020 mit Ver­lus­ten durch Ver­an­stal­tungs­aus­fäl­le von bis zu 134 Mil­li­ar­den Euro. Doch: „Mes­se­ma­cher sind erfin­de­risch und fle­xi­bel. Künf­tig wer­den For­ma­te teils kom­pak­ter sein oder sich auf mehr Flä­che ver­tei­len, um Hygie­ne­vor­schrif­ten zu ent­spre­chen – und das ergänzt um digi­ta­le Ele­men­te für Kun­den, die wegen Rei­se­be­schrän­kun­gen nicht vor Ort sein kön­nen“, sagt Kai Hat­ten­dorf, Geschäfts­füh­rer des Mes­se­ver­bands UFI mit Sitz in Frank­reich, der die Inter­es­sen von rund 800 Mit­glieds­or­ga­ni­sa­tio­nen in 88 Län­dern und Regio­nen welt­weit vertritt.

Auch für End­res steht fest: „Der Kern von Mes­sen ist seit jeher der per­sön­li­che Kon­takt auf dem Mes­se­ge­län­de. Selbst wenn wir die wei­te­re Digi­ta­li­sie­rung natür­lich vor­an­trei­ben, kann und soll das digi­ta­le Ange­bot den rea­len Mes­se­be­such nicht erset­zen. Sobald wie­der Mes­sen vor Ort mög­lich sind, wer­den wir – da, wo es sinn­voll ist – auf hybri­de For­ma­te set­zen, also auf die Kom­bi­na­ti­on aus Vor-Ort-Mes­sen und digi­ta­len Angeboten.“

Im Zentrum von Messen steht das Zusammenkommen von Menschen und Unternehmen mit gemeinsamen Interessen. Das gilt selbst für so digitale Themen wie Computerspiele – wie hier bei der Gamescom 2019 in Köln. Künftig setzt die Messe auf hybride Formate. Franziska Krug/Getty Images

Verwaltung: Plötzlich im Netz

Der Digi­ta­li­sie­rungs­schub kam buch­stäb­lich über Nacht: Im Eil­ver­fah­ren stell­ten deut­sche Ver­wal­tungs­be­hör­den zu Beginn der Coro­na­kri­se im März 2020 Anträ­ge auf Kurz­ar­bei­ter­geld sowie auf Sofort­hil­fen für Unter­neh­men und Selbst­stän­di­ge online. Wie wich­tig ein digi­tal funk­tio­nie­ren­der Staat ist, hat sich durch die Pan­de­mie deut­lich gezeigt. „Ein Werk­zeug, um den Her­aus­for­de­run­gen durch die Coro­na­kri­se wirk­sam zu begeg­nen, ist die digi­ta­le Ver­wal­tung“, sagt Ernst Bür­ger. Er lei­tet die Ende Mai 2020 neu gegrün­de­te Abtei­lung „Digi­ta­le Ver­wal­tung“ im Bun­des­in­nen­mi­nis­te­ri­um, die den Digi­ta­li­sie­rungs­pro­zess beschleu­ni­gen soll.

Laut E‑Government Deve­lo­p­ment-Index 2018 der Ver­ein­ten Natio­nen, in dem alle zwei Jahre der Digi­ta­li­sie­rungs­stand von allen 193 Mit­glied­staa­ten welt­weit erfasst wird, steht Deutsch­land nach Schwe­den, Finn­land und Frank­reich auf Platz zehn. Spit­zen­rei­ter ist Däne­mark, das schon 2001 über eine Digi­ta­li­sie­rungs­stra­te­gie ver­füg­te. Dort kön­nen Bür­ge­rin­nen und Bür­ger über eine per­sön­li­che Iden­ti­fi­ka­ti­ons­num­mer etwa Rente oder Kin­der­geld online bean­tra­gen, aber auch Arzt­ter­mi­ne ver­ein­ba­ren oder Geld über­wei­sen. Unter den ers­ten zehn Plät­zen fin­den sich auch Aus­tra­li­en, das an der Ein­füh­rung einer digi­ta­len Iden­ti­tät arbei­tet, und Sin­ga­pur, des­sen vir­tu­el­le Ver­wal­tung per „Smart Nation“-Regierungsprogramm vor­an­ge­trie­ben wird.

Corona zwingt uns, die Chance der Digitalisierung zu ergreifen. Ab sofort muss gelten: Digital zuerst!

Ernst Bürger
Leiter der Abteilung „Digitale Verwaltung“ im Bundesinnenministerium

Bis Ende 2022 sol­len auch in Deutsch­land knapp 600 Ver­wal­tungs­dienst­leis­tun­gen der Behör­den digi­tal zugäng­lich sein. So will es das Online­zu­gangs­ge­setz, das 2017 ver­ab­schie­det wurde. Recher­chen des Repor­ta­ge­pro­jekts Docu­py des öffent­lich-recht­li­chen Fern­seh­seh­sen­ders WDR zei­gen: Anfang März 2020 konn­ten gera­de ein­mal für drei Leis­tun­gen online Anträ­ge abge­schickt wer­den, 17 konn­ten online aus­ge­füllt und aus­ge­druckt wer­den, voll­stän­dig online nutz­bar war zum genann­ten Zeit­punkt keine ein­zi­ge der Leis­tun­gen. Das hat sich rasant geän­dert, denn mitt­ler­wei­le kön­nen auch kri­sen­re­le­van­te Leis­tun­gen wie Wohn­geld, der Not­fall-Kin­der­zu­schlag oder Ent­schä­di­gungs­zah­lun­gen für Arbeit­ge­ber online bean­tragt wer­den (Stand: Mai 2020). Als Nächs­tes soll die Antrag­stel­lung für das Arbeits­lo­sen­geld II und für das BAföG – das För­der­geld für Schü­le­rin­nen und Schü­ler sowie für Stu­die­ren­de – digi­ta­li­siert wer­den. Bür­ger sagt: „Kri­sen erfor­dern schnel­les und ent­schlos­se­nes Han­deln. Coro­na zwingt uns, die Chan­ce der Digi­ta­li­sie­rung zu ergrei­fen. Ab sofort muss gel­ten: Digi­tal zuerst!“


Bildung: „Endlich ein Schub“

Schon lange vor dem Aus­bruch der Coro­na-Pan­de­mie teil­ten pro­gres­si­ve Lehr­kräf­te unter den Hash­tags #twit­ter­leh­rer­zim­mer, #WeA­re­Te­a­chers oder #Edu­G­la­dia­tors krea­ti­ve Ideen und digi­ta­le Lehr­kon­zep­te auf Twit­ter. Sie waren klar im Vor­teil, als der Shut­down ab Febru­ar und März 2020 welt­weit auch Schu­len betraf. „Die Krise hat gezeigt, dass es unglaub­lich gute Bei­spie­le für digi­ta­le Kon­zep­te gibt, die kurz­fris­tig ent­stan­den sind. Wir haben gese­hen, sobald Schu­len Frei­räu­me haben, wer­den diese auch krea­tiv genutzt“, sagt Andre­as Schlei­cher, Direk­tor des Bereichs Bil­dung bei der Orga­ni­sa­ti­on für wirt­schaft­li­che Zusam­men­ar­beit und Ent­wick­lung (OECD). Im inter­na­tio­na­len Ver­gleich zeig­ten sich jedoch Unter­schie­de. So waren etwa Est­land, Däne­mark und Finn­land gut für das digi­ta­le Klas­sen­zim­mer gerüs­tet, da sie schon seit Jah­ren auf Inter­net­tech­no­lo­gien im Unter­richt set­zen, in Deutsch­land dage­gen mach­ten sich tech­nisch unge­nü­gen­de Aus­stat­tung sowie lang­sa­mes WLAN eben­so bemerk­bar wie der Man­gel an digi­ta­len Unter­richts­kon­zep­ten und Kom­pe­ten­zen der Lehr­kräf­te für diese Art Stun­den. Ein mög­li­cher Grund dafür: Im inter­na­tio­na­len Ver­gleich sind die Stun­den­de­pu­ta­te deut­scher Lehr­kräf­te laut Schlei­cher recht hoch, in vie­len ande­ren Län­dern kön­nen Leh­re­rin­nen und Leh­rer mehr Zeit mit der Ent­wick­lung und Gestal­tung digi­ta­ler Unter­richts­an­ge­bo­te verbringen.

Wir haben gesehen, sobald Schulen Freiräume haben, werden diese auch kreativ genutzt.

Andreas Schleicher
Direktor des Bereichs Bildung bei der OECD

„Für viele Schu­len war das ein regel­rech­ter Crash­test. Viele muss­ten impro­vi­sie­ren und ad hoc nach Lösun­gen suchen. Es hat sich gerächt, dass wir das Thema digi­ta­le Schul­bil­dung in den letz­ten Jah­ren nicht ent­schlos­sen genug vor­an­ge­trie­ben haben“, sagt Chris­toph Mei­nel, Direk­tor des Hasso-Platt­ner-Insti­tuts (HPI), das die vom Bun­des­bil­dungs­mi­nis­te­ri­um geför­der­te Lern­platt­form „HPI Schul-Cloud“ zur Ver­fü­gung stellt. Aktu­ell werde immer kla­rer, dass es kein Zurück zum alten Sta­tus quo geben wird. „Die Coro­na-Pan­de­mie ver­leiht der Digi­ta­li­sie­rung in der Hoch­schul- und Schul­bil­dung end­lich einen Schub“, so Mei­nel. Was künf­tig neben tech­ni­scher Aus­stat­tung und der Bereit­stel­lung von Lern­platt­for­men aller­or­ten wich­tig ist: „Wei­ter- und Fort­bil­dun­gen müss­ten inte­gra­ler Bestand­teil der Arbeits­um­ge­bung von Leh­ren­den wer­den. Wir kön­nen nicht von Schü­le­rin­nen und Schü­lern erwar­ten, lebens­be­glei­tend zu ler­nen, wenn sie das nicht auch bei ihren Lehr­kräf­ten sehen“, sagt Schleicher.

Für viele Schulen war die Coronakrise ein regelrechter Crashtest.

Christoph MeinelChristoph Meinel
Direktor des Hasso-Plattner-Instituts

Gesundheit: Erfahrungen von Ärzten nutzen

Die­ser Com­pu­ter riecht die Gefahr. Aus­ge­stat­tet mit leben­den Ner­ven­zel­len, sol­len Sen­so­ren in den Gerä­ten des US-ame­ri­ka­ni­schen Start-ups Koni­ku neben Spreng­stoff­res­ten künf­tig auch Viren im Kör­per­ge­ruch erkrank­ter Men­schen erken­nen. Wie wich­tig solch visio­nä­re Ideen im Kampf gegen Epi­de­mien sein kön­nen, weiß Julia Bela­ya gut. Als Lei­te­rin Busi­ness Deve­lo­p­ment für den Bereich Gesund­heit des Plug and Play Tech Cen­ter in Kali­for­ni­en bringt sie Start-ups, Inves­to­ren und große Unter­neh­men zusam­men. Im „Covid-19 Accelerator“-Programm arbei­ten Start-ups wie Koni­ku an digi­ta­len Lösun­gen gegen die Pan­de­mie. „Die Coro­na­kri­se beschleu­nigt die Digi­ta­li­sie­rung im Gesund­heits­we­sen unge­mein. Fand die vir­tu­el­le Inter­ak­ti­on zwi­schen Arzt und Pati­ent vor der Krise noch eher sel­ten statt, scheint sie inzwi­schen fast schon all­täg­lich“, sagt Bela­ya. Eine Ent­wick­lung, die auch Tho­mas Kos­te­ra, Exper­te für die Digi­ta­li­sie­rung des Gesund­heits­we­sens bei der Ber­tels­mann Stif­tung, beob­ach­tet. „In Deutsch­land, aber auch etwa in Frank­reich sind das Ange­bot und die Nach­fra­ge nach der Nut­zung von Video-Sprech­stun­den spür­bar gestie­gen. In vie­len Fäl­len kön­nen Sprech­stun­den ange­bo­ten wer­den, ohne dass Pati­en­ten wäh­rend der Pan­de­mie in die Pra­xis kom­men müssen.“

Durch Covid-19 sind Akzeptanz und Nachfrage virtueller Interaktionen zwischen Ärzten und Patienten gestiegen.

Julia Belaya
Global Head, Business Development – Health, Plug and Play Tech Center

Für Bela­ya ist klar, dass Berei­che wie Tele­me­di­zin und Pati­en­ten­fern­über­wa­chung auch nach der Krise gefragt sein wer­den. „Durch Covid-19 sind Akzep­tanz und Nach­fra­ge vir­tu­el­ler Inter­ak­tio­nen zwi­schen Ärz­ten und Pati­en­ten gestie­gen. Dem wird sich das Gesund­heits­we­sen anpas­sen müs­sen.“ Was Kos­te­ra dabei für uner­läss­lich hält: „Die Erfah­run­gen von Ärz­ten, Pati­en­ten und Pfle­ge­fach­kräf­ten müs­sen gründ­lich eva­lu­iert wer­den. Auf die­ser Basis soll­te ent­schie­den wer­den, wie bis­her genutz­te digi­ta­le Inno­va­tio­nen künf­tig wei­ter ange­wen­det oder ver­bes­sert wer­den können.“


Handel: Online im grünen Bereich

Einzelhändlerin Zelda Czok konnte die Pflanzen aus ihrem Hamburger Geschäft während des Corona-Lockdowns mit Hilfe von Instagram, Videotelefonie und Messenger-Apps verkaufen. Johannes Arlt

Inmit­ten tief­grü­ner Mons­tera, Suk­ku­len­ten und fei­ner Luft­pflan­zen wächst und gedeiht „Win­kel van Sin­kel“, das Geschäft der Ein­zel­händ­le­rin Zelda Czok in Ham­burg. Nor­ma­ler­wei­se. Als die Unter­neh­me­rin die Nach­richt des bevor­ste­hen­den Shut­downs im März 2020 erhält, han­delt sie schnell. „Inner­halb von 24 Stun­den ent­wi­ckel­te und rea­li­sier­te ich die Idee einer vir­tu­el­len Pflan­zen­kauf­be­ra­tung“, sagt Czok. Dafür nutz­te sie bei­spiels­wei­se Video­te­le­fo­nie über Mes­sen­ger-Apps. Neben der Ein­däm­mung von Umsatz­ein­bu­ßen ging es für sie auch darum, den Ver­lust von Pflan­zen durch Ver­derb zu ver­hin­dern. Über den zusätz­lich auf­ge­setz­ten Insta­gram-Kanal „Plant­Sa­le“ konn­te Czok ihre Kund­schaft wei­ter­hin mit Pflan­zen ver­sor­gen. Ihr Vor­teil: Schon vor der Krise war sie auf Insta­gram und Face­book aktiv und hat eine treue Gefolg­schaft. „Eine gute Com­mu­ni­ty zu haben, ist das A und O“, sagt Frank Rehme, Geschäfts­füh­rer des Mit­tel­stand 4.0‑Kompetenzzentrums Han­del, das Ein­zel­händ­ler in Deutsch­land bei der Digi­ta­li­sie­rung unterstützt.

Wer die Digitalisierung in seinem Geschäftsmodell bisher vernachlässigt hat, ist jetzt im Nachteil.

Frank Rehme
Geschäftsführer Mittelstand 4.0-Kompetenzzentrum Handel

Das Bei­spiel von „Win­kel van Sin­kel“ zeigt: Auch für klei­ne Unter­neh­men gibt es Mög­lich­kei­ten, online prä­sent zu sein, etwa indem sie Social-Media-Kanä­le für ihre Zwe­cke nut­zen. Ande­re Ein­zel­händ­ler oder auch Restau­rants setz­ten auf die Kraft der Gemein­schaft, um schnell und digi­tal den Ver­kauf oder Bestel­lun­gen etwa über loka­le Shop­ping­platt­for­men anzu­bie­ten. So rie­fen bei­spiels­wei­se der sta­tio­nä­re Buch­han­dels-Markt­füh­rer in Deutsch­land Tha­lia May­er­sche und der im Süd­wes­ten akti­ve Regio­nal­fi­lia­list Osi­an­der die Kon­takt­bör­se „Shop daheim“ ins Leben, um Kun­den und Ein­zel­händ­ler aller Bran­chen zu ver­net­zen. In vie­len asia­ti­schen Län­dern ist der Online­ein­kauf etwa von Lebens­mit­teln längst All­tag. Ein Umstand, der bei­spiels­wei­se in China den kon­se­quen­ten Lock­down in eini­gen Städ­ten pro­blem­los mög­lich mach­te. Des­sen E‑Com­mer­ce-Markt ist einer der größ­ten welt­weit und wuchs 2019 um rund 20 Pro­zent auf ein Umsatz­vo­lu­men von 1,2 Bil­lio­nen US-Dollar.

Wer Digi­ta­li­sie­rung bis­her in sei­nem Geschäfts­mo­dell ver­nach­läs­sigt hat, ist laut Rehme jetzt im Nach­teil. Sei­ner Ein­schät­zung nach ver­fü­gen rund 30 Pro­zent der deut­schen Händ­ler nicht ein­mal über ein Waren­wirt­schafts­sys­tem. „Wie bedeu­tend es ist, ein Gesicht im digi­ta­len Raum zu haben, dürf­te nun jeder ver­stan­den haben“, so Rehme. Was für ihn bei der Digi­ta­li­sie­rung wich­tig ist: „Immer eng an den Kun­den­be­dürf­nis­sen zu blei­ben und zu inspi­rie­ren.“ So wie Zelda Czok. Auch wenn zuneh­mend wie­der die meis­te Kund­schaft in den Laden kommt, blei­ben die digi­ta­len Kauf­mög­lich­kei­ten eine Opti­on zum Pflan­zen­kauf. Auch nach der Krise will Czok ihr digi­ta­les Kon­zept wei­ter­ent­wi­ckeln. Dann soll es einen Web­shop geben, der die Ver­käu­fe auto­ma­tisch abwi­ckelt. „So bleibt uns mehr Zeit für die per­sön­li­chen Wün­sche unse­rer Kun­den“, sagt Czok.

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