Die Multiplikation aus
Struktur und Kultur
Viele Unternehmen stellen sich jetzt neu auf. Oft sind die Einschnitte hart, vor allem für die Menschen, die Mitarbeitenden. Es braucht eine starke, passende Kultur als Eckpfeiler, damit der strukturelle Umbau tragfähig und belastbar wird.
11/2024
Die schwierigen Zeiten in weiten Teilen der deutschen Wirtschaft seien „in erster Linie eine strukturelle Krise“, schreibt das Münchner ifo Institut für Wirtschaftsforschung in seiner „Konjunkturprognose Herbst 2024“. Die Welle der Restrukturierungen rollt, die Anspannung in den Firmenzentralen ist enorm. Kosten und Nutzen werden genauso hinterfragt wie Aufstellungen und Organigramme. Nach Beobachtungen der Managementberatung Porsche Consulting in Großunternehmen arbeiten die Top-Managements dort derzeit hart an strukturellen Veränderungen. Längst haben sie erkannt, dass Erfolgsrezepte vergangener Jahre nicht mehr funktionieren. Überall starten einschneidende Programme. Meist beinhalten sie neue Strukturen, die es zu schaffen gilt.
Neue Strukturen – was heißt das für die gesamte Organisation? Menschen auf allen Ebenen kommen aus ihren gewohnten Routinen heraus. Routinen, die Halt und Sicherheit bieten. Die aber vielleicht auch schon länger nicht mehr intensiv hinterfragt wurden. Doch dann kommt die Zäsur. Ein harter Einschnitt. Stellt sich ein Unternehmen nun neu auf, sind möglicherweise aber auch weniger Menschen an Bord. Das heißt: Die Mitarbeitenden müssen sich neu organisieren, produktiver werden und in aller Regel auch mehr Verantwortung übernehmen. Jeder Einzelne ist mehr gefragt denn je. Und obendrein wird oft ein völlig neues Denken erwartet.
Stichwort: High-Performance-Kultur
Auf viele Beteiligte wirken solche Phasen wie die Reise in ein unbekanntes Gewässer. Bedenken kommen auf. Unsicherheiten verbreiten sich. Wer gibt jetzt Halt? Woher kommt neue Zuversicht?
Die Unternehmen befinden sich in einer für die Unternehmenskultur entscheidenden Phase. Die strukturellen Einschnitte haben einen großen Einfluss auf das Verhalten im Unternehmen, auf einzelne Menschen, Teams und die Zusammenarbeit insgesamt. Unternehmenslenker sollten nun die Kultur aktiv so gestalten und aufbauen, wie es die Strategie und die Unternehmensziele bedürfen. Was keinesfalls passieren sollte: Eine ungesteuerte Entwicklung der Unternehmenskultur in die falsche Richtung. Sozusagen ein kultureller Betriebsunfall. Denn es gilt, das „Window of Opportunity“ zu nutzen.
Für den Erfolg struktureller Veränderungen ist die Kultur im Unternehmen von großer Bedeutung. Sie muss jetzt aktiv neugestaltet, besonders gepflegt und von den Führungskräften aller Ebenen vorgelebt werden. Vielen ist das durchaus bewusst. 83 Prozent der Vorstände in den Top-40-Unternehmen des Deutschen Aktienindex (DAX) streben nach einer High-Performance-Kultur, um die Wettbewerbsfähigkeit der Zukunft abzusichern. Das ergab eine Auswertung von Porsche Consulting. Doch die Teams der Managementberatung beobachten: In der Praxis versanden die meisten der angestrebten Aktivitäten noch zu oft.
Einfache Rechnung, starkes Ergebnis
Dabei trägt eine einfache und einleuchtende Rechnung zum Erfolg bei: „Strukturexzellenz multipliziert mit Kulturexzellenz ergibt Organisationsexzellenz.“ Schlanke Strukturen und Prozesse verbunden mit der Eigenverantwortung für Ergebnisse – diese Dualität ist ein tragfähiges Rezept. Natürlich muss Organisationsexzellenz oder „High Performance“ für den Einzelfall definiert werden. In der Arbeit mit Klienten hat Porsche Consulting eine Grundformel als Basis entwickelt und vielfach erprobt. Sie kommt in der Praxis an, erfährt breite Akzeptanz in Unternehmen und wirkt. Den Kern bilden „der Wille und die Fähigkeit einer Organisation und ihrer Mitarbeitenden, immer wieder auf den Punkt genau Spitzenleistungen zu erzielen – auf nachhaltige Art und Weise“.
Jeder, der auf High Performance setzt, stellt fest: Exzellenz geht immer mit Veränderung einher. Die Notwendigkeit zur Veränderung ist in den meisten Unternehmen groß. Das belegt der Change Management Compass, in dessen Rahmen Porsche Consulting alle zwei Jahre Führungskräfte der Top-100-Unternehmen in Deutschland befragt. Zum Vergleich: 66 Prozent der Befragten gaben im Jahr 2022 an, ihr Unternehmen in den kommenden zwei Jahren grundlegend verändern zu wollen. Die jüngste Befragung, im Jahr 2024, ergab jedoch, dass in der Praxis 69 Prozent der Transformationsvorhaben scheiterten. Das ist kein gutes Zeichen für Organisationsexzellenz. Sie ist Maßarbeit. Und eine Aufgabe für Unternehmen, die nur dann erfüllt werden kann, wenn auf allen Ebenen mit hohem Einsatz und im Verbund daran gearbeitet wird.
Exzellenz beginnt bei jedem Einzelnen, beim Individuum. Zum Beispiel bei der Frage, mit welcher Einstellung Mitarbeitende und Führungskräfte zu Dienstbeginn an ihren Arbeitsplatz kommen. Und es zählt die Atmosphäre, die sie in der beruflichen Umgebung erwartet. Menschen sind motiviert, wenn sie einen Beitrag leisten, persönlich wachsen können, gesehen werden und Wertschätzung erfahren. Auch hier zeichnet die Führungskräftebefragung der Top-100-Unternehmen ein kritisches Bild: Nur 53 Prozent der Befragten gaben an, in ihrem Unternehmen die Bereitschaft jedes Einzelnen zu sehen, Tag für Tag die Extrameile zu gehen. Grundsätzlich motiviert und engagiert sind die Mehrzahl der Menschen, sagen ihre Vorgesetzten. Doch es gelingt nicht optimal, die Energie der Menschen für die Zusammenarbeit und die Arbeit an den Unternehmenszielen und Strategien zu nutzen.
„Wir vor ich“
Die nächste Ebene ist die der Teams. In Hochleistungsorganisationen gilt das Prinzip „Wir vor ich“. Jeder im Team muss wissen: Was ist meine Rolle innerhalb der Organisation, was ist unser gemeinsames Ziel? Die Beobachtungen der Consultants in der Praxis zeigen, dass die Zusammenarbeit innerhalb leichter überschaubarer bereichsinterner Teams weitestgehend reibungslos verläuft. Doch in Zeiten der Transformation sind immer häufiger interdisziplinäre Projektteams und crossfunktionale Zusammenarbeit gefragt. Die Allokation von Ressourcen sorgt allerdings oftmals für Auseinandersetzungen und Kontroversen: Nur 44 Prozent der befragten Führungskräfte gaben an, in ihrer Organisation eine gute bereichsübergreifende Zusammenarbeit zu beobachten.
Die Summe der Teams bildet die dritte Ebene, die Unternehmensebene. Hier geht es um unternehmerisches Denken oder „Ownership“. Jeder im Unternehmen sollte so handeln, als wäre es sein eigenes. Doch gerade in den oft komplexen Organisationen bleibt dieses Prinzip nicht selten auf der Strecke. Tatsächlich gaben nur 18 Prozent der Befragten der Top-100-Unternehmen an, Teams und Einzelnen mehr Entscheidungsbefugnisse zu übertragen, um das Unternehmertum zu fördern. Und nur 26 Prozent halten sich für flexibel und agil genug, um Ressourcen nach Bedarf zu allokieren.
Damit die Organisationsexzellenz gelingt und auf Dauer erhalten bleibt, müssen Strategie, Unternehmensziele und Kulturwerte transparent und kontinuierlich an alle Mitarbeitenden kommuniziert werden. Das kann auch stufenweise geschehen. Dafür eignen sich Management-Workshops, Townhall-Meetings und Teamdialoge zum Beispiel zunächst für das mittlere Management. Danach können alle Mitarbeitenden eingebunden werden. Führungskräfte aller Ebenen haben dann die Aufgabe, durch Gespräche, auch in kleineren Runden, zu erklären, auf Fragen zu antworten und zu überzeugen. Dabei sind zwei Dinge essenziell. Erstens: Keine Angst vor Wiederholungen – Kultur muss sich regelmäßig auf der Agenda wiederfinden, um sie beeinflussen zu können. Zweitens: Das Top-Management muss mit einer Stimme sprechen, einheitliche Botschaften senden und gegenüber der Belegschaft eine hohe Einigkeit demonstrieren.
Doch die Kommunikation ist nicht allein entscheidend. Es kommt vor allem darauf an, dass die Führungskräfte die Kulturwerte tatsächlich vorleben. Chefinnen und Chefs, die Teamgeist von ihren Mitarbeitenden einfordern, sollten diese Fähigkeit selbst besitzen und glaubwürdig ausstrahlen. Leider fehlt es daran noch zu oft in der Praxis: Bei Unternehmen ohne attestierte High-Performance-Kultur leben nur 42 Prozent der Führungskräfte Engagement und Zusammenarbeit selbst vor, bei Unternehmen mit dieser Kultur sind es immerhin 61 Prozent.
Mehr zu diesem Thema im Strategy Paper „High-Performance-Kultur“.