Einblick

Die Multiplikation aus Struktur und Kultur

Viele Unternehmen stellen sich jetzt neu auf. Oft sind die Einschnitte hart, vor allem für die Menschen, die Mitarbeitenden. Es braucht eine starke, passende Kultur als Eckpfeiler, damit der strukturelle Umbau tragfähig und belastbar wird.

11/2024

Die Formel zur High Performance, die den Menschen in den Mittelpunkt rückt: Wer nach Organisationsexzellenz strebt, sollte Struktur und Kultur eng miteinander verzahnen.Porsche Consulting/Alexandra Kreidner

Die schwie­ri­gen Zei­ten in wei­ten Tei­len der deut­schen Wirt­schaft seien „in ers­ter Linie eine struk­tu­rel­le Krise“, schreibt das Münch­ner ifo Insti­tut für Wirt­schafts­for­schung in sei­ner „Kon­junk­tur­pro­gno­se Herbst 2024“. Die Welle der Restruk­tu­rie­run­gen rollt, die Anspan­nung in den Fir­men­zen­tra­len ist enorm. Kos­ten und Nut­zen wer­den genau­so hin­ter­fragt wie Auf­stel­lun­gen und Orga­ni­gram­me. Nach Beob­ach­tun­gen der Manage­ment­be­ra­tung Por­sche Con­sul­ting in Groß­un­ter­neh­men arbei­ten die Top-Manage­ments dort der­zeit hart an struk­tu­rel­len Ver­än­de­run­gen. Längst haben sie erkannt, dass Erfolgs­re­zep­te ver­gan­ge­ner Jahre nicht mehr funk­tio­nie­ren. Über­all star­ten ein­schnei­den­de Pro­gram­me. Meist beinhal­ten sie neue Struk­tu­ren, die es zu schaf­fen gilt.

Neue Struk­tu­ren – was heißt das für die gesam­te Orga­ni­sa­ti­on? Men­schen auf allen Ebe­nen kom­men aus ihren gewohn­ten Rou­ti­nen her­aus. Rou­ti­nen, die Halt und Sicher­heit bie­ten. Die aber viel­leicht auch schon län­ger nicht mehr inten­siv hin­ter­fragt wur­den. Doch dann kommt die Zäsur. Ein har­ter Ein­schnitt. Stellt sich ein Unter­neh­men nun neu auf, sind mög­li­cher­wei­se aber auch weni­ger Men­schen an Bord. Das heißt: Die Mit­ar­bei­ten­den müs­sen sich neu orga­ni­sie­ren, pro­duk­ti­ver wer­den und in aller Regel auch mehr Ver­ant­wor­tung über­neh­men. Jeder Ein­zel­ne ist mehr gefragt denn je. Und oben­drein wird oft ein völ­lig neues Den­ken erwartet.

Stichwort: High-Performance-Kultur

Unternehmen, in denen alle Beschäftigten den unbedingten Willen und die Fähigkeit besitzen, zu einer teamorientierten Zusammenarbeit und zum Geschäftserfolg beizutragen, haben die Organisationsexzellenz erreicht. Diese High Performance prägt die Kultur. Sie umfasst Mitarbeiterengagement, teamorientierte Zusammenarbeit und Ergebnisorientierung. Die Komponente Mitarbeiterengagement beschreibt das Maß an Energie, das Mitarbeitende aufbringen, um zur Realisierung der Unternehmensziele und zu guten Ergebnissen beizutragen. Teamorientierte Zusammenarbeit existiert, wenn die Beschäftigten effektiv und effizient in immer wieder neu geformten Teamkonstellationen arbeiten, dabei ihre Denk- und Arbeitsweise dem Teamgeist unterordnen und Silos strikt vermeiden. Ergebnisorientierung umfasst die Erfüllung der Unternehmensziele und -vorgaben sowie das Erreichen finanzieller Stabilität und Wachstum.

Auf viele Betei­lig­te wir­ken sol­che Pha­sen wie die Reise in ein unbe­kann­tes Gewäs­ser. Beden­ken kom­men auf. Unsi­cher­hei­ten ver­brei­ten sich. Wer gibt jetzt Halt? Woher kommt neue Zuversicht?

Die Unter­neh­men befin­den sich in einer für die Unter­neh­mens­kul­tur ent­schei­den­den Phase. Die struk­tu­rel­len Ein­schnit­te haben einen gro­ßen Ein­fluss auf das Ver­hal­ten im Unter­neh­men, auf ein­zel­ne Men­schen, Teams und die Zusam­men­ar­beit ins­ge­samt. Unter­neh­mens­len­ker soll­ten nun die Kul­tur aktiv so gestal­ten und auf­bau­en, wie es die Stra­te­gie und die Unter­neh­mens­zie­le bedür­fen. Was kei­nes­falls pas­sie­ren soll­te: Eine unge­steu­er­te Ent­wick­lung der Unter­neh­mens­kul­tur in die fal­sche Rich­tung. Sozu­sa­gen ein kul­tu­rel­ler Betriebs­un­fall. Denn es gilt, das „Win­dow of Oppor­tu­ni­ty“ zu nutzen.

Für den Erfolg struk­tu­rel­ler Ver­än­de­run­gen ist die Kul­tur im Unter­neh­men von gro­ßer Bedeu­tung. Sie muss jetzt aktiv neu­ge­stal­tet, beson­ders gepflegt und von den Füh­rungs­kräf­ten aller Ebe­nen vor­ge­lebt wer­den. Vie­len ist das durch­aus bewusst. 83 Pro­zent der Vor­stän­de in den Top-40-Unter­neh­men des Deut­schen Akti­en­in­dex (DAX) stre­ben nach einer High-Per­for­mance-Kul­tur, um die Wett­be­werbs­fä­hig­keit der Zukunft abzu­si­chern. Das ergab eine Aus­wer­tung von Por­sche Con­sul­ting. Doch die Teams der Manage­ment­be­ra­tung beob­ach­ten: In der Pra­xis ver­san­den die meis­ten der ange­streb­ten Akti­vi­tä­ten noch zu oft.

Der Branchenvergleich zeigt: Obwohl DAX-Unternehmen mehrheitlich nach einer High-Performance-Kultur streben, wird sie noch zu selten gelebt. Im Durchschnitt gaben nur 27 Prozent der von Porsche Consulting befragten Führungskräfte der Top-100-Unternehmen in Deutschland an, dass in ihrer Organisation bereits eine High-Performance-Kultur existiere.Porsche Consulting/Alexandra Kreidner

Einfache Rechnung, starkes Ergebnis

Dabei trägt eine ein­fa­che und ein­leuch­ten­de Rech­nung zum Erfolg bei: „Struk­tur­ex­zel­lenz mul­ti­pli­ziert mit Kul­tur­ex­zel­lenz ergibt Orga­ni­sa­ti­ons­exzel­lenz.“ Schlan­ke Struk­tu­ren und Pro­zes­se ver­bun­den mit der Eigen­ver­ant­wor­tung für Ergeb­nis­se – diese Dua­li­tät ist ein trag­fä­hi­ges Rezept. Natür­lich muss Orga­ni­sa­ti­ons­exzel­lenz oder „High Per­for­mance“ für den Ein­zel­fall defi­niert wer­den. In der Arbeit mit Kli­en­ten hat Por­sche Con­sul­ting eine Grund­for­mel als Basis ent­wi­ckelt und viel­fach erprobt. Sie kommt in der Pra­xis an, erfährt brei­te Akzep­tanz in Unter­neh­men und wirkt. Den Kern bil­den „der Wille und die Fähig­keit einer Orga­ni­sa­ti­on und ihrer Mit­ar­bei­ten­den, immer wie­der auf den Punkt genau Spit­zen­leis­tun­gen zu erzie­len – auf nach­hal­ti­ge Art und Weise“.

Jeder, der auf High Per­for­mance setzt, stellt fest: Exzel­lenz geht immer mit Ver­än­de­rung ein­her. Die Not­wen­dig­keit zur Ver­än­de­rung ist in den meis­ten Unter­neh­men groß. Das belegt der Chan­ge Manage­ment Com­pass, in des­sen Rah­men Por­sche Con­sul­ting alle zwei Jahre Füh­rungs­kräf­te der Top-100-Unter­neh­men in Deutsch­land befragt. Zum Ver­gleich: 66 Pro­zent der Befrag­ten gaben im Jahr 2022 an, ihr Unter­neh­men in den kom­men­den zwei Jah­ren grund­le­gend ver­än­dern zu wol­len. Die jüngs­te Befra­gung, im Jahr 2024, ergab jedoch, dass in der Pra­xis 69 Pro­zent der Trans­for­ma­ti­ons­vor­ha­ben schei­ter­ten. Das ist kein gutes Zei­chen für Orga­ni­sa­ti­ons­exzel­lenz. Sie ist Maß­ar­beit. Und eine Auf­ga­be für Unter­neh­men, die nur dann erfüllt wer­den kann, wenn auf allen Ebe­nen mit hohem Ein­satz und im Ver­bund daran gear­bei­tet wird.

Dualität ist die Erfolgsformel für eine exzellente Organisation: Struktur und Kultur werden ideal miteinander verknüpft.Porsche Consulting/Alexandra Kreidner

Exzel­lenz beginnt bei jedem Ein­zel­nen, beim Indi­vi­du­um. Zum Bei­spiel bei der Frage, mit wel­cher Ein­stel­lung Mit­ar­bei­ten­de und Füh­rungs­kräf­te zu Dienst­be­ginn an ihren Arbeits­platz kom­men. Und es zählt die Atmo­sphä­re, die sie in der beruf­li­chen Umge­bung erwar­tet. Men­schen sind moti­viert, wenn sie einen Bei­trag leis­ten, per­sön­lich wach­sen kön­nen, gese­hen wer­den und Wert­schät­zung erfah­ren. Auch hier zeich­net die Füh­rungs­kräf­te­be­fra­gung der Top-100-Unter­neh­men ein kri­ti­sches Bild: Nur 53 Pro­zent der Befrag­ten gaben an, in ihrem Unter­neh­men die Bereit­schaft jedes Ein­zel­nen zu sehen, Tag für Tag die Extramei­le zu gehen. Grund­sätz­lich moti­viert und enga­giert sind die Mehr­zahl der Men­schen, sagen ihre Vor­ge­setz­ten. Doch es gelingt nicht opti­mal, die Ener­gie der Men­schen für die Zusam­men­ar­beit und die Arbeit an den Unter­neh­mens­zie­len und Stra­te­gien zu nutzen.

„Wir vor ich“

Die nächs­te Ebene ist die der Teams. In Hoch­leis­tungs­or­ga­ni­sa­tio­nen gilt das Prin­zip „Wir vor ich“. Jeder im Team muss wis­sen: Was ist meine Rolle inner­halb der Orga­ni­sa­ti­on, was ist unser gemein­sa­mes Ziel? Die Beob­ach­tun­gen der Con­sul­tants in der Pra­xis zei­gen, dass die Zusam­men­ar­beit inner­halb leich­ter über­schau­ba­rer bereichs­in­ter­ner Teams wei­test­ge­hend rei­bungs­los ver­läuft. Doch in Zei­ten der Trans­for­ma­ti­on sind immer häu­fi­ger inter­dis­zi­pli­nä­re Pro­jekt­teams und cross­funk­tio­na­le Zusam­men­ar­beit gefragt. Die Allo­ka­ti­on von Res­sour­cen sorgt aller­dings oft­mals für Aus­ein­an­der­set­zun­gen und Kon­tro­ver­sen: Nur 44 Pro­zent der befrag­ten Füh­rungs­kräf­te gaben an, in ihrer Orga­ni­sa­ti­on eine gute bereichs­über­grei­fen­de Zusam­men­ar­beit zu beobachten.

Die Summe der Teams bil­det die drit­te Ebene, die Unter­neh­mens­ebe­ne. Hier geht es um unter­neh­me­ri­sches Den­ken oder „Owner­ship“. Jeder im Unter­neh­men soll­te so han­deln, als wäre es sein eige­nes. Doch gera­de in den oft kom­ple­xen Orga­ni­sa­tio­nen bleibt die­ses Prin­zip nicht sel­ten auf der Stre­cke. Tat­säch­lich gaben nur 18 Pro­zent der Befrag­ten der Top-100-Unter­neh­men an, Teams und Ein­zel­nen mehr Ent­schei­dungs­be­fug­nis­se zu über­tra­gen, um das Unter­neh­mer­tum zu för­dern. Und nur 26 Pro­zent hal­ten sich für fle­xi­bel und agil genug, um Res­sour­cen nach Bedarf zu allokieren.

Damit die Orga­ni­sa­ti­ons­exzel­lenz gelingt und auf Dauer erhal­ten bleibt, müs­sen Stra­te­gie, Unter­neh­mens­zie­le und Kul­tur­wer­te trans­pa­rent und kon­ti­nu­ier­lich an alle Mit­ar­bei­ten­den kom­mu­ni­ziert wer­den. Das kann auch stu­fen­wei­se gesche­hen. Dafür eig­nen sich Manage­ment-Work­shops, Town­hall-Mee­tings und Team­dia­lo­ge zum Bei­spiel zunächst für das mitt­le­re Manage­ment. Danach kön­nen alle Mit­ar­bei­ten­den ein­ge­bun­den wer­den. Füh­rungs­kräf­te aller Ebe­nen haben dann die Auf­ga­be, durch Gesprä­che, auch in klei­ne­ren Run­den, zu erklä­ren, auf Fra­gen zu ant­wor­ten und zu über­zeu­gen. Dabei sind zwei Dinge essen­zi­ell. Ers­tens: Keine Angst vor Wie­der­ho­lun­gen – Kul­tur muss sich regel­mä­ßig auf der Agen­da wie­der­fin­den, um sie beein­flus­sen zu kön­nen. Zwei­tens: Das Top-Manage­ment muss mit einer Stim­me spre­chen, ein­heit­li­che Bot­schaf­ten sen­den und gegen­über der Beleg­schaft eine hohe Einig­keit demons­trie­ren. 

Doch die Kom­mu­ni­ka­ti­on ist nicht allein ent­schei­dend. Es kommt vor allem dar­auf an, dass die Füh­rungs­kräf­te die Kul­tur­wer­te tat­säch­lich vor­le­ben. Che­fin­nen und Chefs, die Team­geist von ihren Mit­ar­bei­ten­den ein­for­dern, soll­ten diese Fähig­keit selbst besit­zen und glaub­wür­dig aus­strah­len. Lei­der fehlt es daran noch zu oft in der Pra­xis: Bei Unter­neh­men ohne attes­tier­te High-Per­for­mance-Kul­tur leben nur 42 Pro­zent der Füh­rungs­kräf­te Enga­ge­ment und Zusam­men­ar­beit selbst vor, bei Unter­neh­men mit die­ser Kul­tur sind es immer­hin 61 Pro­zent. 

Mehr zu die­sem Thema im Stra­tegy Paper „High-Per­for­mance-Kul­tur“.

Über den Autor

Dr. Wolfgang Freibichler, Partner bei der Managementberatung Porsche Consulting. Porsche Consulting/Jörg Eberl
Dr. Wolfgang Freibichler ist Partner bei Porsche Consulting und spezialisiert auf den  Aufbau von Hochleistungsorganisationen. Als Berater des Top-Managements beschäftigt er sich seit vielen Jahren mit Rollen und Ansprüchen der Menschen im Berufsleben. Dem Rat des Experten für Unternehmensführung folgen vor allem Top-Manager aus den Branchen Automobilindustrie, Maschinenbau, Elektroindustrie, Bauzulieferindustrie sowie Banken und Versicherungen. Seine Erfahrung resultiert aus der strategischen Beratung von inzwischen mehr als 1.000 Führungskräften in 14 Ländern. Als Autor zahlreicher Bücher, Studien und Fachartikel zum Thema Unternehmensführung ist er maßgeblich an Forschungsprojekten zur Entschlüsselung der relevanten Erfolgsfaktoren beteiligt. Kontakt: wolfgang.freibichler@porsche-consulting.com
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