Mobilität

Business-Flüge:
Die Kleinen kommen groß raus

Kleinere Flughäfen, die Geschäftsreisenden kurze Wege und umweltschonende Mobilität bieten, könnten bald zu den Gewinnern der Luftfahrt zählen. Ebenso wie kleine Kurzstreckenflugzeuge.

11/2021

Das Kurzstreckenflugzeug Dornier 328. Mit wasserstoffelektrischem Antrieb soll es künftig bis zu 40 Geschäftsreisende schnell und nachhaltig zum nächsten Termin bringen und dafür Regionalflughäfen bevorzugen.STR Airport/H2Fly

Der süd­deut­sche Regio­nal­flug­ha­fen Baden-Air­park im Jahr 2026: ein Air­port der kur­zen Wege, den beson­ders Geschäfts­rei­sen­de schät­zen. Die stel­len ihre Autos an den E‑Ladestationen auf dem Flug­ha­fen­park­platz direkt vor dem Ter­mi­nal ab. Weni­ge Minu­ten spä­ter sit­zen sie – dank des kom­plett digi­ta­li­sier­ten Abfer­ti­gungs­pro­zes­ses – in einer mit Was­ser­stoff-Brenn­stoff­zel­len­tech­no­lo­gie aus­ge­stat­te­ten Maschi­ne vom Typ Dor­nier 328. Der Elek­tro­f­lie­ger hat 40 Pas­sa­gier­plät­ze und eine Reich­wei­te von 2.500 Kilo­me­tern. Auch klei­ne­re elek­tri­fi­zier­te Kurz­stre­cken­flug­zeu­ge ande­rer Her­stel­ler für zehn, 20 oder 30 Pas­sa­gie­re und Stre­cken bis 1.500 Kilo­me­ter ver­bin­den den Baden-Air­park mit ande­ren Flug­hä­fen in deut­schen und euro­päi­schen Regio­nen. Eine Visi­on ist wahr gewor­den: Regio­nal­flug­hä­fen agie­ren erfolg­reich in der Markt­ni­sche der Geschäfts­rei­sen mit klei­nen umwelt­scho­nen­den Flugzeugen.

Mit innovativen Geschäftsstrategien können Kurzstreckenflüge als schnelle Verbindung beibehalten werden.

Marc Landgraf  Marc Landgraf
Partner bei Porsche Consulting,
Experte für das Thema Luftfahrt

Kurze Stre­cken per Flug­zeug zurück­zu­le­gen wird ange­sichts der Bestre­bun­gen, die Kli­ma­schutz­zie­le zu errei­chen, seit gerau­mer Zeit mas­siv kri­ti­siert. Doch die Geschäfts­welt bleibt auf schnel­le Ver­bin­dun­gen ange­wie­sen. Regio­nal­flug­hä­fen, die zwar für ihr unmit­tel­ba­res Umland posi­ti­ve Effek­te haben, aber bis­her in der Mehr­zahl nicht wirt­schaft­lich betrie­ben wer­den kön­nen und des­halb skep­tisch betrach­tet wer­den, könn­ten künf­tig hier einen ent­schei­den­den Bei­trag leis­ten. „Mit inno­va­ti­ven Geschäfts­stra­te­gien kön­nen Kurz­stre­cken­flü­ge als schnel­le Ver­bin­dung bei­be­hal­ten wer­den“, ist sich Luft­fahrt­ex­per­te Marc Land­graf von Por­sche Con­sul­ting sicher.

Der süddeutsche Flughafen Karlsruhe/Baden-Baden liegt an der Grenze zu Frankreich inmitten eines großen Gewerbegebietes. Betrieben wird der Airport von einer Tochtergesellschaft des Stuttgarter Flughafens.Baden-Airpark GmbH

Rund zwei Dut­zend der gut 40 deut­schen Flug­hä­fen kom­men als Regio­nal-Air­ports für den neuen Geschäfts­rei­se­ver­kehr in Frage. Hier­zu zäh­len bei­spiels­wei­se Ros­tock-Laage, Mag­de­burg-Coch­stedt, Pader­born-Lipp­stadt, Bre­men, Dort­mund, Mem­min­gen und Karls­ru­he/­Ba­den-Baden. Kurze An- und Abfahrts­we­ge, schnel­le Abfer­ti­gung und gute Über­sicht­lich­keit sind die drei gro­ßen Stär­ken der Klei­nen. Trotz­dem man­gelt es heute noch an wirt­schaft­li­chem Erfolg. Land­graf: „Die oft nur gerin­ge Aus­las­tung der Flug­hä­fen sowie die hohen Betriebs- und Abfer­ti­gungs­kos­ten für klei­ne Flug­zeu­ge machen es schwie­rig, ver­nünf­ti­ge Erträ­ge zu erzie­len.“ Neue Geschäfts­mo­del­le müs­sen her. Die gibt es: Regio­nal­flug­hä­fen als Spe­zia­lis­ten für Geschäfts­rei­sen­de, die einen Bogen um die Dreh­kreu­ze machen wol­len und kön­nen. Wenn dann auch noch Flug­zeu­ge ein­ge­setzt wer­den, die Nach­hal­tig­keit beim Flie­gen ermög­li­chen, kön­nen Kurz­stre­cken der Schlüs­sel für den öko­no­mi­schen Erfolg sein. Moder­ne Elek­tro­mo­to­ren und immer leis­tungs­fä­hi­ge­re Akkus machen das mög­lich. Thors­ten Ertel, Exper­te im Nach­hal­tig­keits­team bei Por­sche Con­sul­ting: „Im Ide­al­fall kön­nen Regio­nal­flug­hä­fen viele Geschäfts­rei­sen­de ver­sor­gen und dabei gleich­zei­tig die Emis­sio­nen reduzieren.“

Die Geschäftskunden gewinnen Zeit, die Flughäfen steigern ihre Erträge, die Gemeinden erhalten Steuern, die CO2-Emissionen werden verringert.

Thorsten Ertel  Thorsten Ertel
Senior Manager bei Porsche Consulting,
Experte für das Thema Nachhaltigkeit

Für den Kurz­stre­cken­ver­kehr müs­sen keine neuen Air­ports gebaut wer­den, die bestehen­den Flug­hä­fen sind aus­rei­chend. Mit der Nut­zung der exis­tie­ren­den Infra­struk­tur und dem Ver­zicht auf Neu­bau­ten wer­den keine wei­te­ren Böden mehr ver­sie­gelt. Das ist ein Bau­stein für eine nach­hal­ti­ge­re Luft­fahrt – und die bie­tet viele wei­te­re Vor­tei­le. Thors­ten Ertel nennt eini­ge: „Die Geschäfts­kun­den gewin­nen Zeit, die Flug­hä­fen stei­gern ihre Erträ­ge, die Gemein­den erhal­ten Steu­ern, die CO2-Emis­sio­nen wer­den ver­rin­gert.“ Apro­pos Treib­haus­ga­se: 2019 – im Jahr vor dem Aus­bruch der Coro­na-Pan­de­mie – wur­den in Deutsch­land ins­ge­samt über 800 Mil­lio­nen Ton­nen frei­ge­setzt. Am gesam­ten Emis­si­ons­vo­lu­men der euro­päi­schen Luft­fahrt haben Kurz­stre­cken bis 1.500 Kilo­me­ter einen Anteil von 25 Pro­zent. Die Poli­tik for­dert, auf die Brem­se zu tre­ten. Tho­mas Jar­zom­bek, Koor­di­na­tor der Bun­des­re­gie­rung für Luft- und Raum­fahrt: „Ab 2035 muss hybrid-elek­tri­sches Flie­gen der neue Stan­dard in Deutsch­land sein.“ Damit nicht genug. Auch die Lärm­be­läs­ti­gung, ins­be­son­de­re in den Start- und Lan­de­kor­ri­do­ren, gilt es zu ver­rin­gern. Auch das ist mög­lich: Elek­tri­fi­zier­te Pro­pel­ler­ma­schi­nen sind rund 75 Pro­zent lei­ser als ihre älte­ren „Geschwis­ter“ mit Turbinenantrieb.

Ab 2035 muss hybrid-elektrisches Fliegen der neue Standard in Deutschland sein.

Thomas Jarzombek Thomas Jarzombek
Koordinator der Bundesregierung für Luft- und Raumfahrt

Wal­ter Schoe­fer, Spre­cher der Geschäfts­füh­rung der Flug­ha­fen Stutt­gart GmbH und Mit­glied im Auf­sichts­rat der Baden-Air­park GmbH, ist über­zeugt, dass Regio­nal­flug­hä­fen für den not­wen­di­gen Wan­del zu mehr Nach­hal­tig­keit gute Kar­ten haben. Er schaut dabei auch auf sei­nen regio­na­len Air­port zwi­schen dem Rhein und der A5: „Wir haben hier Platz, auch Neues aus­zu­pro­bie­ren: Pho­to­vol­ta­ik­an­la­gen und E‑Ladestationen.“ An Letz­te­ren fehlt es für Elek­tro­f­lie­ger bis­her bun­des­weit fast völ­lig. Auch gibt es noch keine ein­heit­li­chen Stan­dards für eine Lade­infra­struk­tur. Hinzu kom­men die Her­aus­for­de­run­gen der War­tung der flie­gen­den Stro­mer. Benö­tigt wird ein flä­chen­de­cken­des Netz an War­tungs­sta­tio­nen mit spe­zi­ell aus­ge­bil­de­ten Tech­ni­kern. Der Auf­bau wird Zeit und Geld kos­ten. Die War­tung eines Elek­tro­flug­zeugs dage­gen – und das ist das Posi­ti­ve daran – ist ver­gleich­bar mit dem eines E‑Autos: ein­fach und günstig.

Martin Nüsseler, CTO der Deutschen Aircraft (links), und Dr. Josef Kallo, Co-CEO von H2Fly entwickeln die Wasserstoff-Brennstoffzellentechnologie für Regionalflugzeuge. Die erste umgebaute Dornier 328 soll 2025 starten.STR Airport/H2Fly

Elektroflugzeuge auf dem Weg zur Startbahn

Etablierte Triebwerkshersteller wie Rolls-Royce forcieren die Entwicklung elektrischer Antriebe für Flugzeuge. Die Briten entwickeln derzeit den Antriebsstrang für den elektrischen Neunsitzer P-Volt der italienischen Firma Tecnam. Daneben gibt es eine Reihe kleinerer und junger Unternehmen, die mit nachhaltigen Antriebskonzepten den Himmel erobern wollen – insbesondere beim Geschäftsreiseverkehr. So plant die Deutsche Aircraft, das legendäre Kurzstrecken-Passagierflugzeug Dornier 328 mit elektrischem Antrieb auszustatten. Dafür hat das bayerische Unternehmen eine Absichtserklärung mit dem Start-up H2Fly unterzeichnet, eine Ausgründung des Deutschen Zentrums für Luft- und Raumfahrt. Gemeinsam wollen die beiden Firmen an der Erforschung und Entwicklung der Wasserstoff-Brennstoffzellentechnologie für kommerzielle Regionalflugzeuge arbeiten. 2025 soll ein erster Dornier-Wasserstoff-Demonstrator abheben. Bereits eine Zulassung der europäischen Flugsicherheitsbehörde EASA hat der slowenische Hersteller Pipistrel für sein zweisitziges Ultraleichtflugzeug Velis Electro. Das israelisch-amerikanische Start-up Eviation entwickelt „Alice“. Bereits zwölf Maschinen des elektrischen Frachtflugzeugs dieses Typs hat der deutsche Paket- und Brief-Expressdienst DHL bestellt. Acht Sitze soll der eFlyer 800 haben, an dem die Firma Bye Aerospace in Denver, USA, arbeitet. Anvisierte Höchstgeschwindigkeit der elektrisch betriebenen Maschine: 600 km/h. In Skandinavien fliegen Airlines bereits seit Jahren mit kleinen Maschinen regionale Flughäfen an, beispielsweise die norwegische Widerøe. Selbst die größere nationale Gesellschaft Finnair will demnächst ein elektrisches Propellerflugzeug des schwedischen Start-ups Heart Aerospace einsetzen

Beim Bun­des­ver­band der Deut­schen Luft­ver­kehrs­wirt­schaft sieht man Maschi­nen mit elek­tri­schen Antrie­ben vor­nehm­lich im Zubrin­ger­ver­kehr zu Groß-Air­ports. Regio­nal­flug­hä­fen dien­ten als Anbin­dung der Regi­on an Dreh­kreu­ze. Hier könn­ten elek­tri­sche Senk­recht­star­ter – soge­nann­te Flug­ta­xis – eine Alter­na­ti­ve wer­den. Das Pro­blem sei, dass es in Euro­pa bis­her kei­nen stan­dar­di­sier­ten Zulas­sungs­pro­zess für Flug­ta­xis gibt. Die Regio­nal­flug­hä­fen müss­ten außer­dem bes­ser mit ande­ren Ver­kehrs­trä­gern ver­netzt sein, ledig­lich der klei­ne Air­port Fried­richs­ha­fen am Boden­see hat bis­her einen eige­nen Bahnhof.

Wir haben hier Platz, auch Neues auszuprobieren: Photovoltaikanlagen und E-Ladestationen.

Walter Schoefer Walter Schoefer
Sprecher der Geschäftsführung der Flughafen Stuttgart GmbH und Mitglied im Aufsichtsrat der Baden-Airpark GmbH

Wal­ter Schoe­fer betont zum einen, dass Regio­nal­flug­hä­fen wirt­schaft­lich nur erfolg­reich sein kön­nen, wenn sie alle For­men von Flug­ver­kehr anbie­ten: Geschäfts­rei­sen, Pri­vat- und Urlaubs­rei­sen sowie Luft­fracht­ver­kehr. „Der Trans­for­ma­ti­ons­pro­zess hin zum kli­ma­scho­nen­den Flie­gen wird auch unter die­sem Gesichts­punkt erheb­li­che Anpas­sun­gen von uns ver­lan­gen“, unter­streicht er. Die Ver­än­de­run­gen müs­sen par­al­lel zum – hof­fent­lich gut lau­fen­den – Tages­ge­schäft imple­men­tiert wer­den. Zum ande­ren ver­weist Schoe­fer auf die enor­men Inves­ti­ti­ons­kos­ten, die auf Regio­nal­flug­hä­fen zukom­men wer­den: „Die wer­den wir nur mit Part­nern stem­men kön­nen.“ Flug­ge­sell­schaf­ten und Ener­gie­un­ter­neh­men könn­ten sich betei­li­gen, weil auf Flug­plät­zen in Städ­ten wie Söl­lin­gen, Bie­le­feld, Lübeck und ande­ren abge­le­ge­nen Regio­nen lukra­ti­ve Geschäf­te auch für sie winken.


Der Blick auf den Flughafen von morgen

Wie können die Berater von Porsche Consulting mit Expertise in den Bereichen Luftfahrt und Nachhaltigkeit die Betreiber von Regionalflughäfen auf ihrem Weg in die Zukunft unterstützen?
„Immer wenn man ein Projekt intensiv betreibt, tut man gut daran, neutrale Fachleute draufschauen zu lassen, ob die technischen und ökonomischen Rahmenbedingungen tatsächlich stimmen“, sagt Stuttgarts Flughafenchef Walter Schoefer. „Nur wenn diese verlässlich sind, sollte man den eingeschlagenen Weg mit hohem Tempo weitergehen.“ Ein Luftfahrtexperte wie Marc Landgraf, Partner bei Porsche Consulting, kenne Airports auf der ganzen Welt und könne dort gewonnene Erkenntnisse einbringen und neue Impulse geben: „Diese Expertise ist enorm hilfreich“, betont Schoefer. Erfolgsentscheidend sei in jedem Fall ein kontinuierlicher vertrauensvoller Dialog zwischen Projektträger und Berater: „Vor allem zuhören!“ Wenn ein Unternehmen noch nicht perfekt in den „Anzug“ passe, der gerade geschneidert wird, „muss ein guter Berater mir sagen, wo ich abnehmen muss, welches Fitnessprogramm geeignet ist, um zukunftsfähig zu sein“. Die Ausgaben für so einen Berater seien gut angelegtes Geld: „Denn man spart später Arztkosten.“
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