Bauindustrie

Intelligenter Bauen

Der Bau von Wohnraum kann mit dem steigenden Bedarf nicht Schritt halten. Hauptursache ist mangelnde Effizienz auf den Baustellen. Neue Technologien und Geschäftsmodelle könnten den gordischen Knoten lösen.

09/2020

Vision für den Bau: Die Baustelle der Zukunft ist sauber, leise, nachhaltig und effizient.Porsche Consulting/Andreas Mass

Vision für den Bau: Die Baustelle der Zukunft ist sauber, leise, nachhaltig und effizient. Porsche Consulting/Andreas Mass

Kein Zwei­fel, in den nächs­ten Jahr­zehn­ten wird es in vie­len Metro­po­len der Welt eng wer­den. Bis 2050 sol­len nach Schät­zun­gen der UN sie­ben von zehn Mil­li­ar­den Men­schen in Städ­ten leben. Neue Bal­lungs­zen­tren nie gekann­ten Aus­ma­ßes ent­ste­hen. Der­zeit gibt es schon mehr als 30 Mega­ci­tys mit über zehn Mil­lio­nen Ein­woh­nern. Wohn­raum wird immer mehr ein knap­pes Gut. Nach einer Ana­ly­se des Welt­wirt­schafts­fo­rums besteht allein in den nächs­ten 30 Jah­ren ein Bedarf von 1,6 Mil­li­ar­den zusätz­li­chen Häu­sern welt­weit. In vie­len urba­nen Zen­tren ist zudem eine Zei­ten­wen­de ange­bro­chen: Die Stadt­pla­ner wol­len weg vom Kon­zept der auto­ge­rech­ten Stadt, dafür grü­ner und nach­hal­ti­ger wer­den. Zugleich stei­gen unse­re Ansprü­che an die Gebäu­de: Smar­ter, ener­gie­ef­fi­zi­en­ter und bar­rie­re­frei­er sol­len sie sein. All das ist direkt mit der Frage ver­knüpft: Wie wer­den wir in Zukunft bauen?

Die Bau­stel­le von über­mor­gen kennt kaum Lärm und Abga­se, dafür mehr Ord­nung und Sicher­heit. Vor allem ist sie schnel­ler und effi­zi­en­ter: elek­tri­fi­zier­te Bag­ger, die per Kame­ra fern­ge­steu­ert wer­den und ver­netzt sind mit Bau­ma­schi­nen, die über aus­ge­feil­te Sen­so­rik pro­ak­tiv tech­ni­sche Pro­ble­me an den Her­stel­ler mel­den; Droh­nen, die den Bau­fort­schritt im Über­flug erfas­sen, wäh­rend von auto­nom fah­ren­den Lkw just in time ganze vor­ge­fer­tig­te Gebäu­de­mo­du­le gelie­fert und von Mon­ta­ge­ro­bo­tern inner­halb kür­zes­ter Zeit zusam­men­ge­setzt wer­den. Ein Groß­teil der Arbeit fin­det bereits vor dem ers­ten Spa­ten­stich in Fabrik­hal­len statt. Fach­kräf­te auf der Bau­stel­le über­neh­men vor Ort haupt­säch­lich koor­di­nie­ren­de Auf­ga­ben oder arbei­ten „Hand in Hand“ mit Robo­tern. Und sie kön­nen jeder­zeit den Bau­fort­schritt in Echt­zeit auf einem vir­tu­el­len Dash­board ver­fol­gen und steuern.

Die meisten Gebäude entstehen auf handwerkliche Weise.

Uwe BrühlUwe Brühl
Leiter Digitales Bauen, Sto-Gruppe

Bauen nach dem Lego-Prinzip

Vie­les davon ist Zukunfts­mu­sik. „Auf der Bau­stel­le hat sich in den ver­gan­ge­nen Jahr­zehn­ten nicht viel ver­än­dert. Dabei geht immer noch häu­fig der Über­blick ver­lo­ren“, sagt Uwe Brühl, Lei­ter Digi­ta­les Bauen der Sto-Grup­pe, einem inter­na­tio­na­len Markt­füh­rer für inno­va­ti­ve Bau­stof­fe mit Sitz in Stüh­lin­gen im Schwarz­wald. „Bau­ma­schi­nen wer­den zwar effi­zi­en­ter und neue Ver­fah­ren set­zen sich durch, aber noch immer ent­ste­hen die meis­ten Gebäu­de auf hand­werk­li­che Weise.“ Die ter­min­ge­rech­te Fer­tig­stel­lung hängt vom Wet­ter und oft auch vom Zufall ab, Bau­män­gel sägen am Image. Stieg die preis­be­rei­nig­te Pro­duk­ti­vi­tät je Erwerbs­tä­ti­gen­stun­de im Durch­schnitt aller Wirt­schafts­sek­to­ren von 1991 bis 2018 bezo­gen auf das Arbeits­vo­lu­men um 44 Pro­zent, sta­gnier­te im sel­ben Zeit­raum die Bau­in­dus­trie quasi bei vier Pro­zent.  Nach Mei­nung von Brühl bremst die his­to­risch gewach­se­ne Tra­di­ti­on der Gewer­ke den Fort­schritt aus. „Für ein ein­fa­ches Ein­fa­mi­li­en­haus braucht man jeman­den für den Aus­hub, den Roh­bau, Flie­sen­le­ger, Pro­fis für die Sani­tär­an­la­gen, Fens­ter, das Dach – so kom­men mal eben 30 bis 40 Fach­leu­te zusam­men, jeder mit eige­nen Plä­nen und Ansich­ten. Dabei erge­ben sich für jedes neue Pro­jekt neue Kon­stel­la­tio­nen – effi­zi­en­te Abläu­fe sind unter die­sen Vor­aus­set­zun­gen oft unmöglich.“

Ein wei­te­res Pro­blem: der Man­gel an Fach­kräf­ten und Nach­wuchs. Die Knapp­heit zieht sich durch alle Berei­che. Ohne aus­län­di­sche Bau­trupps sind Groß­pro­jek­te in den Indus­trie­län­dern gar nicht mehr zu stem­men. Wan­der­ar­bei­ter fol­gen jedoch in bestimm­ten Regio­nen nur den Boom­märk­ten. Junge Hoch­qua­li­fi­zier­te wie Inge­nieu­re und Archi­tek­ten wech­seln nach ein paar Jah­ren gerne in ande­re Bran­chen. Und die Bau­kos­ten sind welt­weit stark gestie­gen. Das alles lässt Inves­to­ren nach Alter­na­ti­ven suchen. Eine Abkehr vom rei­nen Pro­jekt­den­ken hin zu einem Mas­sen­pro­duk­ti­ons­ver­fah­ren mit mehr Stan­dar­di­sie­rung und Modu­la­ri­sie­rung könn­te die erhoff­te Pro­duk­ti­vi­tät am Bau brin­gen. Der Vor­teil der Metho­de liegt darin, dass sich Gebäu­de wie Lego-Stei­ne zusam­men­fü­gen las­sen. Wie das Prin­zip funk­tio­niert, konn­te die Welt Anfang 2020 im chi­ne­si­schen Wuhan, dem Zen­trum der Coro­na-Epi­de­mie, bestau­nen. Dort wur­den in zehn bezie­hungs­wei­se zwölf Tagen zwei kom­plett aus­ge­stat­te­te Kran­ken­häu­ser modu­lar errich­tet. Seit Anfang des 20. Jahr­hun­derts ist die indus­tri­el­le Fer­ti­gung von Häu­sern aber ein Thema, das die Fach­welt spal­tet. Kri­ti­ker befürch­ten eine McDo­nal­di­sie­rung der Architektur.

Wir holen die Baustelle in die Fabrik.

Mikael HedbergMikael Hedberg
CEO Admares

„Dank moder­ner Tech­no­lo­gie ist die Modul­bau­wei­se auf einem neuen Level ange­langt. Wir kön­nen indi­vi­du­el­ler und auf einem weit­aus höhe­ren Niveau pro­du­zie­ren als je zuvor. So redu­zie­ren wir die Kom­ple­xi­tät um den Fak­tor 10 und über­win­den zum Teil die klas­si­sche Arbeits­tei­lung der Gewer­ke – und gehen statt­des­sen feste Wert­schöp­fungs­part­ner­schaf­ten ein“, sagt Uwe Brühl. Die Sto-Grup­pe fer­tigt bereits seit 2013 in den USA und Kana­da mit einem Part­ner­netz­werk modu­la­re Innen­wän­de und Fas­sa­den­bau­tei­le, die mit Dämm­ma­te­ri­al, Putz, Farbe, Klin­ker, Natur­stein oder Stuck­ele­men­ten beschich­tet für die Mon­ta­ge aus­ge­lie­fert wer­den. Was das für die Gesamt­bau­zeit bedeu­tet? Brühl: „Bei einem Hotel­pro­jekt bei­spiels­wei­se ver­kürzt sich die Bau­zeit von andert­halb Jah­ren auf sechs Monate.“

Inspiration aus Schiffsbau und Automobilindustrie

Geht es nach Mika­el Hed­berg, CEO des Start-ups Adma­res, soll die Bau­stel­le bis auf die Tätig­kei­ten für das Fun­da­ment und die Unter­ge­schos­se nur noch zum Mon­tie­ren ange­fah­ren wer­den. „Wir holen die Bau­stel­le in die Fabrik. Denn die auto­ma­ti­sier­te Pro­duk­ti­on von modu­la­ri­sier­ten Gebäu­de­kom­ple­xen ist der ein­zi­ge Weg, die Qua­li­tät signi­fi­kant zu ver­bes­sern und die Bau­kos­ten im Immo­bi­li­en­sek­tor zu sen­ken.“ Mit sei­ner Metho­de will Hed­berg Kos­ten­vor­tei­le von bis zu 30 Pro­zent gegen­über der kon­ven­tio­nel­len Bau­wei­se erzie­len. 80 bis 95 Pro­zent der gesam­ten Wert­schöp­fung am Bau wan­dern auf diese Weise in die indus­tri­el­le Fer­ti­gung in der Fabrik, das klas­si­sche Bau­ge­schäft würde sich mas­siv verändern.

Das Projekt mit Porsche Consulting

Admares: Gebäude wie Autos bauen

Das Gebäude in der Grattan Street 58 wird ein typischer urbaner Hochbau, mitten in Brooklyn. In einer Fabrik in Philadelphia vorproduziert, wird es vor Ort in New York zusammengebaut: Diese Visualisierung zeigt, wie das Admares-Projekt nach Fertigstellung aussehen wird.Coughlin Architecture
Kann modulare Bauweise helfen, Gebäude günstiger, schneller und mit einer höheren Qualität herzustellen? Der Gründer des finnischen Unternehmens Admares ist davon überzeugt: Mikael Hedberg will künftig Gebäude bauen, wie man heute Autos in Fabriken herstellt. Im Jahr 2021 wird im New Yorker Stadtteil Brooklyn das erste Pilotprojekt realisiert: ein dreigeschossiger Gewerbebau inklusive Dachterrasse auf Basis einer volldigitalisierten Planung. Die Modulbauweise von Admares erlaubt die Fertigung von 95 Prozent der 16 Gebäudemodule in der Fabrik. Der Zusammenbau soll nur 48 Stunden dauern. Berater von Porsche Consulting unterstützten die 2016 gegründete Firma bei der Ausgestaltung von Produkt, Prozessen, Organisation und bei der Planung der Smart Factory.

Mika­el Hed­berg sieht darin zahl­rei­che Vor­tei­le: „Die Beein­träch­ti­gun­gen durch Lärm, Ver­kehr und Dreck neh­men für die Anwoh­ner ab. Und wir redu­zie­ren die Bau­ab­fäl­le um 60 bis 70 Pro­zent.“ Auch für die Bau­ar­bei­ter und Hand­wer­ker hat es laut Hed­berg posi­ti­ve Fol­gen. Mit­ar­bei­ter ohne Fach­kennt­nis­se könn­ten schnell ange­lernt wer­den. Und sie wür­den in wit­te­rungs­ge­schütz­ten Werk­hal­len arbei­ten, wo unter indus­tri­el­len Bedin­gun­gen und in hohen Stück­zah­len Bau­tei­le ent­ste­hen, die von Archi­tek­ten und Inge­nieu­ren nach einer eige­nen Sys­tem­lo­gik ent­wi­ckelt wur­den. Bis spä­tes­tens 2022 will er die welt­weit erste Fabrik anlau­fen las­sen, in der ganze Wohn­ge­bäu­de, Hotels und Kran­ken­häu­ser schlüs­sel­fer­tig ent­ste­hen. Alle Gebäu­de­tei­le ent­ste­hen in der Fabrik und auch Kern­ele­men­te wie fest ver­bau­te Aus­stat­tung, Fens­ter, Türen und Bade­zim­mer­mo­du­le. Alle vor­ge­fer­tig­ten Teile wer­den auf einer fina­len Mon­ta­ge­li­nie zusam­men­ge­baut und anschlie­ßend auf die Bau­stel­le gebracht. Dort wer­den nur noch die letz­ten klei­nen Schrit­te aus­ge­führt, etwa die Ver­bin­dung von Raum­mo­du­len und Gebäu­de­kern­ele­men­ten. Das sind zwei bis maxi­mal zehn Pro­zent des gesam­ten Bauprozesses.

Inspi­ra­ti­on holte sich Hed­berg vom moder­nen Schiffs­bau: Dort wer­den vor­ge­fer­tig­te Kabi­nen per Kran in den Schiffs­rumpf von Luxus­li­nern gehievt – Deck für Deck, bis sämt­li­che Sek­tio­nen zu einem Gan­zen ver­bun­den sind. Ein wei­te­res Vor­bild: die Auto­mo­bil­in­dus­trie. „Bei der Bestel­lung eines Por­sche-Sport­wa­gens kann der Kunde etli­che Kon­fi­gu­ra­ti­ons­mög­lich­kei­ten wäh­len. Kein iden­ti­scher 911er läuft vom Band. Auch unse­re Kun­den sol­len sich künf­tig am Kon­fi­gu­ra­tor ihr Gebäu­de indi­vi­du­ell zusam­men­stel­len und sehen, wie sich Preis und Zeit­plan je nach gewähl­ter Vari­an­te ver­än­dern“, so der Finne.

BIM: Zwilling mit Mehrwert

Ob in Hand­ar­beit oder indus­tri­ell gefer­tigt, die Digi­ta­li­sie­rung revo­lu­tio­niert den Pla­nungs­pro­zess im Bau­ge­wer­be. „Die Art, wie wir künf­tig pla­nen und gestal­ten, wird sich fun­da­men­tal ändern, dabei pro­fi­tie­ren wir von digi­ta­len Tech­no­lo­gien ande­rer Bran­chen“, sagt Uwe Brühl. Als Lei­ter für digi­ta­les Bauen bei Sto ist der Exper­te selbst mit der Trans­for­ma­ti­on kon­fron­tiert. Er moniert: „Nach wie vor sind auf dem Gros der Bau­stel­len 2D-gestütz­te Plan­un­ter­la­gen die Grund­la­ge.“ Ein moder­ner Ansatz ist der „digi­ta­le Zwil­ling“ eines Gebäu­des, auch als Buil­ding Infor­ma­ti­on Mode­ling – kurz BIM – bekannt. Das Herz­stück von BIM ist ein digi­ta­les, drei­di­men­sio­na­les Gebäu­de­mo­dell, das über den gesam­ten Lebens­zy­klus eines Bau­werks hin­weg alle Details ent­hält und sämt­li­che Vor­gän­ge wie den Bau­fort­schritt und spä­te­re Moder­ni­sie­run­gen doku­men­tiert. Schnitt­stel­len zu allen Gewer­ken und Stake­hol­dern sor­gen für den kon­zer­tier­ten Ein­satz. Eben­so las­sen sich Bau­ma­schi­nen in naher Zukunft mit ihren Daten ando­cken. Sol­che Tech­ni­ken eröff­nen enor­me Mög­lich­kei­ten. So könn­ten etwa von Deutsch­land aus ohne eine Prä­senz vor Ort Bau­stel­len in China geführt werden.

Kurz erklärt

Building Information Modeling: der „digitale Zwilling“

Rohrsysteme, Türen, Steckdosen, Kabel, die Energieeffizienz, Wärmedämmung oder die Fahrgeschwindigkeit des Lifts – jedes Gebäudeteil wird beim Building Information Modeling (BIM), zu deutsch Bauwerksdatenmodellierung, erfasst und dient zur Simulation. Es bezieht im Idealfall alle Beteiligten wie ausführende Gewerke, Lieferanten und Behörden in die Planung ein. Für den Bauherrn wird das Modell zum virtuellen Erlebnis: Mit einer VR-Brille kann er sämtliche Räume erleben, als stünde er mittendrin, er kann die Einrichtung von allen Seiten betrachten und Details heranzoomen. So bekommt er ein besseres Gefühl für die Planung. BIM ist in Skandinavien, Großbritannien und den USA schon weit verbreitet. In Deutschland ist die Methode seit 2020 bei neuen öffentlichen Infrastrukturprojekten verpflichtend.

Einblick

White Paper: Zwilling mit Mehrwert


Bagger ohne Brummen

Wenn es auf der Bau­stel­le end­lich zur Sache geht, dann kom­men sie zum Ein­satz: die Bag­ger, Rad­la­der, Pla­nier­rau­pe, Kräne, Kip­per und Spe­zi­al­bau­ge­rä­te. Sau­be­re­re, lei­se­re und effi­zi­en­te­re Maschi­nen mit inno­va­ti­ven Antriebs­kon­zep­ten: Das sehen viele Her­stel­ler als künf­ti­ges Geschäfts­feld. Längst haben alle nam­haf­ten Her­stel­ler erste Pro­to­ty­pen prä­sen­tiert. „Elek­tro­mo­bi­li­tät und alter­na­ti­ve Antrie­be sind nicht nur bei Autos und Trans­por­tern ein immer wich­ti­ge­res Thema, auch die Her­stel­ler von Bau­ma­schi­nen und ‑fahr­zeu­gen trei­ben die Elek­tri­fi­zie­rung ihrer Pro­duk­te voran“, so Patrick Scherr, Seni­or Vice Pre­si­dent der Busi­ness Unit Off­road Euro­pe bei Schaeff­ler. „Vor allem bei klei­ne­ren Bau­ma­schi­nen im unte­ren Leis­tungs­be­reich rüs­ten Her­stel­ler mit elek­tri­schen Antrie­ben auf. Auch hybri­de Antrie­be wer­den zuneh­mend inter­es­sant. So sind Sys­te­me gefragt, die leich­te Tätig­kei­ten unter­stüt­zen und bei gefor­der­ter Höchst­leis­tung wie­der­um den Sekun­där­an­trieb zuschal­ten, bei­spiels­wei­se bei Bag­gern oder mit­tel­gro­ßen Rad­la­dern“, erläu­tert Scherr. Schaeff­ler bie­tet hier rei­bungs­op­ti­mier­te und robus­te Wälz­la­ger­lö­sun­gen für her­aus­for­dern­de Betriebs­be­din­gun­gen an.

Als Takt­ge­ber für emis­si­ons­freie Bau­ma­schi­nen sieht Dr. Rüdi­ger Kaub staat­li­che Akteu­re und Ver­ord­nun­gen. Der Vor­sit­zen­de der Geschäfts­füh­rung von Bauer Maschi­nen jet­tet im All­tag von Bau­stel­le zu Bau­stel­le. Sein Kun­den­stamm ist das Who’s Who der Bau­kon­zer­ne, die sich für die Spe­zi­al­tief­bau­ge­rä­te des baye­ri­schen Welt­markt­füh­rers inter­es­sie­ren. „Bei unse­ren Nach­barn in den Nie­der­lan­den oder im fern­öst­li­chen Sin­ga­pur wird zum Bei­spiel bei Aus­schrei­bun­gen von Bau­pro­jek­ten ver­langt, dass die Maschi­nen einen mini­ma­len CO2-Foot­print haben und beson­ders wenig Lärm emit­tie­ren“, so Kaub. Immer­hin wür­den sie man­cher­orts nahe­zu rund um die Uhr lau­fen. Doch die Elek­tri­fi­zie­rung kommt nicht für alle Maschi­nen infra­ge. „Bei schwe­ren Tief­bau­ge­rä­ten mit knapp 1.000 PS lie­fert die Ener­gie der Die­sel – und das wird sich so rasch nicht ändern“, sagt Prof. Sebas­ti­an Bauer, Geschäfts­füh­rer für For­schung und Ent­wick­lung von Bauer Maschi­nen. „Für mit­tel­gro­ße Gerä­te im Tief­bau könn­ten aber kabel­ge­bun­de­ne Lösun­gen kom­men, dafür brau­chen sie aller­dings geson­der­te Strom­lei­tun­gen, sonst gehen auf der Bau­stel­le alle Lich­ter aus.“ Dane­ben ist ein Down­si­zing-Trend zu ver­zeich­nen: „Jahr­zehn­te­lang wurde unser Fuhr­park grö­ßer, leis­tungs­stär­ker, schwe­rer – zukünf­tig sind kom­pak­te­re, leich­ter trans­por­tier­ba­re Maschi­nen im beeng­ten, urba­nen Umfeld gefragt. Da kön­nen wir über den Maschi­nen­bau deut­lich die Lärm­emis­sio­nen redu­zie­ren“, erläu­tert Kaub. Dar­über hin­aus forscht das Unter­neh­men an dem Ein­satz von Brenn­stoff­zel­len und dem Wasserstoffantrieb.

Zahlen, Daten, Fakten

Der Bauboom in Zahlen

  • Das globale Bauvolumen wird für 2020 auf 9 Billionen US-Dollar geschätzt und soll bis 2025 auf 15 Billionen US-Dollar anwachsen.
 
  • Am meisten wird in China, Indien und den USA gebaut.
 
  • Von 2014 bis 2019 stieg der Umfang der Bauaktivitäten in der EU um 15 Prozent.
 
  • Mit 430 Milliarden Euro an nominalem Bauvolumen im Jahr 2019 ist Deutschland der größte europäische Markt.
 
  • Die 100 größten Baufirmen weltweit erwirtschafteten 2019 Gesamteinnahmen von mehr als 1,462 Billionen US-Dollar.
 
  • Chinesische Konzerne machen 44 Prozent des Umsatzes der Top 100 aus, sechs chinesische Unternehmen gehören den Top 10 an

Einig sind sich alle Bau­ex­per­ten: Um die Pro­duk­ti­vi­tät zu stei­gern, müs­sen Bau­ma­schi­nen stär­ker als bis­her auto­ma­ti­siert wer­den und mit­ein­an­der kom­mu­ni­zie­ren. Die teu­ren Maschi­nen kön­nen so effi­zi­en­ter und bei Bedarf rund um die Uhr ein­ge­setzt wer­den. „Zahl­rei­che Assis­tenz­sys­te­me unter­stüt­zen heute den Fah­rer – damit sind die Gerä­te jetzt schon halb­au­to­ma­tisch“, sagt Rüdi­ger Kaub. „Dank sol­cher digi­ta­len Assis­ten­ten sind auch weni­ger erfah­re­ne Arbei­ter imstan­de, Bau­ma­schi­nen zu bedie­nen.“ Das könn­te eine Ant­wort auf den Fach­kräf­te­man­gel am Bau sein. Ganz ohne Fah­rer im Cock­pit kom­men inzwi­schen Kipp­la­der am ande­ren Ende der Welt aus, wenn sie in den Minen von Aus­tra­li­en oder Süd­ame­ri­ka ihre Run­den dre­hen und Roh­stof­fe auf fest defi­nier­ten Stre­cken transportieren.

Wir bieten eine bereits erprobte Technologie für den autonomen Betrieb von Baumaschinen an.

Patrick ScherrPatrick Scherr
Senior Vice President Business Unit Offroad Europe, Schaeffler

Bereits erprobte Schlüsseltechnologien

Auto­ma­ti­sier­te Funk­tio­nen erhö­hen nicht nur die Sicher­heit auf der Bau­stel­le, sie ver­rin­gern auch die Ermü­dung des Fah­rers und hel­fen ver­gleichs­wei­se uner­fah­re­nen Anwen­dern, noch pro­duk­ti­ver zu sein. In die­sem Zusam­men­hang hat Schaeff­ler Para­van, ein Toch­ter­un­ter­neh­men des Kon­zerns, die pas­sen­de Basis­tech­no­lo­gie ent­wi­ckelt: die Drive-by-Wire-Tech­no­lo­gie „Space Drive“. Die digi­ta­le Steue­rungs­tech­nik über­nimmt sämt­li­che Fahr- und Lenk­vor­gän­ge ohne eine mecha­ni­sche Ver­bin­dung. Elek­tro­ni­sche Impul­se wer­den in Nano­se­kun­den­schnel­le ver­ar­bei­tet und über einen Aktua­tor an die Ach­sen über­mit­telt. Gas geben, Brem­sen und Steu­ern erfolgt über elek­tri­sche Impul­se. Dafür wer­den weder ein klas­si­sches Lenk­rad noch Peda­le oder eine Lenk­säu­le für die mecha­ni­sche Über­tra­gung auf die Räder benö­tigt. Der Vor­teil: Die Bau­fahr­zeu­ge las­sen sich mit einem Tablet, über eine App oder per Fern­be­die­nung bedie­nen, wäh­rend der Steu­ern­de dane­ben­steht oder per Remo­te-Zugriff aus der Ferne wal­tet. „Das Schaeff­ler ‚Space Drive‘-System ist seit vie­len Jah­ren erfolg­reich im Ein­satz sowohl auf der Stra­ße als auch zum Bei­spiel in Minen-Trucks. Somit bie­ten wir eine bereits erprob­te Tech­no­lo­gie für den auto­no­men Betrieb von Bau­ma­schi­nen an“, so Patrick Scherr.

„Bis es auf typi­schen Bau­stel­len voll­au­to­ma­ti­sche, fah­rer­lo­se Gerä­te gibt, ver­ge­hen jedoch noch 15 bis 20 Jahre“, schätzt Sebas­ti­an Bauer. „Wenn es so weit ist, wer­den die Fah­rer ande­re Auf­ga­ben über­neh­men – sie wer­den die auto­no­men Maschi­nen im Kon­troll­zen­trum über­wa­chen, koor­di­nie­ren und jeder­zeit kor­ri­gie­rend ein­grei­fen kön­nen.“ Als Vor­sit­zen­der des Vor­stands der For­schungs­ver­ei­ni­gung Bau­ma­schi­nen und Bau­stoff­an­la­gen e.V. (FVB) und Prä­si­dent der Arbeits­ge­mein­schaft indus­tri­el­ler For­schungs­ver­ei­ni­gun­gen „Otto von Gue­ri­cke“ e.V. (AiF) forscht er an der Schnitt­stel­le zwi­schen Mensch und Maschi­ne. „Selbst­stän­di­ges Steu­ern als teil­au­to­no­me Stufe wird in den nächs­ten zehn bis 15 Jah­ren den Fah­rer ent­las­ten und zu einer höhe­ren Sicher­heit und Per­for­mance bei­tra­gen – dafür sorgt High­tech in Form von KI, 5G, GPS, Kame­ra­tech­nik, Radar und Software.“


Einblick

Studie: Die Zukunft der Baumaschinen


Daten als neues Geschäft

Für auto­no­mes und ver­netz­tes Fah­ren auf der Bau­stel­le der Zukunft spielt Pre­dic­ti­ve Main­ten­an­ce eine zen­tra­le Rolle in Sachen Sicher­heit, Pro­duk­ti­vi­tät und Maschi­nen­ver­füg­bar­keit. Wäh­rend die einen Sen­so­ren am moder­nen Bag­ger, Rad­la­der oder Tief­bau­ge­rä­ten die Umge­bung scan­nen, über­wa­chen wei­te­re Sen­so­ren die inne­ren Bau­tei­le der Maschi­ne wie etwa Lager oder Ven­ti­le und regis­trie­ren jede noch so klei­ne Abwei­chung vom Nor­mal­be­trieb. Dar­über hin­aus wer­den Motor­dreh­zah­len und ‑geräu­sche oder Tem­pe­ra­tu­ren von Ölen und ande­ren Betriebs­mit­teln auf­ge­zeich­net. Die Kom­bi­na­ti­on und Ana­ly­se der Daten ermög­li­chen Rück­schlüs­se auf den Zustand einer Bau­ma­schi­ne. Dar­über lässt sich früh­zei­tig ermit­teln, wel­che Bau­tei­le wann ermü­den und aus­ge­wech­selt wer­den soll­ten, um somit Repa­ra­tur­kos­ten oder unge­plan­te Still­stands­zei­ten zu ver­mei­den. Bei der vor­aus­schau­en­den War­tung sind – anders als bei der vor­beu­gen­den Instand­hal­tung – die War­tungs­in­ter­val­le nicht schon im Vor­hin­ein fest­ge­legt, son­dern wer­den anhand der Sen­sor­da­ten ter­mi­niert. Schaeff­ler bie­tet mit „Opti­me“ bereits eine kos­ten­güns­ti­ge kabel­lo­se Plug-and-play-Lösung zur Über­wa­chung sta­tio­nä­rer Aggre­ga­te an. Der Sen­sor über­wacht die Vibra­tio­nen an der Mess­stel­le und lie­fert voll­kom­men auto­ma­ti­siert Ana­ly­sen und Hand­lungs­emp­feh­lun­gen an den Maschi­nen­an­wen­der. Basie­rend auf die­ser Erfah­rung und mit digi­ta­len Ser­vice­leis­tun­gen ist Schaeff­ler bes­tens für die Her­aus­for­de­run­gen im Bau­ma­schi­nen­be­reich gerüstet.

Die Inge­nieu­re bei Bauer kön­nen sich der­zeit auf rund tau­send Gerä­te schal­ten, egal wo diese gera­de im Ein­satz sind. Regel­mä­ßig schi­cken die Maschi­nen Over-the-Air-Daten­pa­ke­te an die Zen­tra­le. „Mit Big-Data-Anwen­dun­gen unter­stüt­zen wir den Kun­den bei der Aus­wer­tung und opti­mie­ren kon­ti­nu­ier­lich unse­re Pro­duk­te mit Upgrades und Fern­war­tung. So erhö­hen wir Qua­li­tät, Funk­tio­na­li­tä­ten und Lebens­zeit“, sagt Rüdi­ger Kaub. Künf­tig sol­len zudem Live-Schal­tun­gen ins Cock­pit mög­lich sein, um den Fah­rer zu unter­stüt­zen. Durch die hohe Daten­ver­füg­bar­keit wan­delt sich das Geschäfts­mo­dell für Unter­neh­men wie Bauer. Sie wer­den eine immer wich­ti­ge­re Erlös­quel­le und die­nen als Basis für neue, daten­ba­sier­te Dienst­leis­tun­gen. Und auch Alt­ma­schi­nen erhal­ten bei Bauer ein zwei­tes Leben: Sie wer­den so weit wie mög­lich mit Hard- und Soft­ware digi­tal fit gemacht. So hat ein altes Bau­stel­len-Credo doch noch Gül­tig­keit: Was nicht passt, wird pas­send gemacht.

Auf einen Blick

Baubranche in Corona-Zeiten

Wie sich die Coronakrise auf die Branche auswirkt, ist derzeit noch nicht absehbar. Sie gilt als Spätzykliker. Die vollen Auswirkungen auf die Baukonjunktur werden erst in den kommenden Jahren spürbar sein. Mitte 2020 zehren viele Firmen noch vom hohen Auftragsbestand der Vergangenheit. Die Bauwirtschaft erlebte zudem keinen kompletten Shutdown wie andere Industrien. Es wurden lediglich regional Baustellen geschlossen, weil Lieferketten unterbrochen waren oder aufgrund von Quarantänebestimmungen, Grenzschließungen und Flugausfällen Baupersonal fehlte. In Deutschland rechnet allerdings mehr als die Hälfte der Bauunternehmen mit einer nachhaltigen Gefährdung der Auftragslage bei Gewerbeimmobilien. Es wird auch damit gerechnet, dass ein Großteil öffentlicher Bauvorhaben auf Eis gelegt wird. Der globale Markt für Baumaschinen und -fahrzeuge wird sich abkühlen und dadurch das Mietgeschäft in den Vordergrund rücken. Dagegen könnte die Covid-19-Pandemie den verstärkten Einsatz neuer industrieller bzw. digitaler Technologien wie die Modulbauweise oder das Building Information Modeling begünstigen.
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