Bauindustrie

Anders kann besser sein

Bei der Goldbeck GmbH gibt es alles aus einer Hand: Das Bau- und Dienstleistungsunternehmen aus Bielefeld plant, errichtet und betreut Gewerbeimmobilien wie Hallen, Büros und Parkhäuser. Es fertigt die notwendigen Teile dafür in eigener Produktion. Mit dem Mut zur Individualität und zum Systembau etablierte sich das Familienunternehmen als einer der erfolgreichsten Mittelständler Deutschlands. 

07/2021

Jörg-Uwe Goldbeck nutzt die Abkürzung über die Dachterrasse seiner Unternehmenszentrale in Bielefeld: Eigene Wege gehen ist Firmentradition seit dem Gründungsjahr 1969.Porsche Consulting / Marco Prosch

„Wir haben schon immer Dinge anders gemacht als ande­re“, sagt Jörg-Uwe Gold­beck (53), geschäfts­füh­ren­der Gesell­schaf­ter des Bau- und Dienst­leis­tungs­un­ter­neh­mens Gold­beck in Bie­le­feld. Seit 2007 steht er zusam­men mit sei­nem Bru­der Jan-Hen­drik (44) an der Spit­ze des Tra­di­ti­ons­hau­ses. Gegrün­det wurde es 1969 von ihrem Vater Ort­win Gold­beck, heute 83 Jahre alt. Mitt­ler­wei­le beschäf­tigt die Fir­men­grup­pe mehr als 8.000 Mit­ar­bei­ten­de. Es ist das größ­te fami­li­en­ge­führ­te Bau­un­ter­neh­men Deutsch­lands. Der Auf­stieg des Tra­di­ti­ons­hau­ses zu einem der erfolg­reichs­ten Mit­tel­ständ­ler der Repu­blik basiert auf unter­neh­me­ri­schem Mut und Inno­va­tio­nen. 

Ob Bürogebäude oder Parkhaus: Musterobjekte im Maßstab 1:1 präsentiert Goldbeck seinen Kunden wettergeschützt gleich in der riesigen Eingangshalle des Unternehmens.Porsche Consulting/Marco Prosch

Wir bauen nichts, was wir nicht geplant haben, und wir planen nichts, was wir nicht selbst bauen.

Jörg-Uwe Goldbeck
Geschäftsführender Gesellschafter Goldbeck GmbH

Die Posi­tio­nie­rung der inha­ber­ge­führ­ten Bau­fir­ma klingt nüch­tern: Gene­ral­un­ter­neh­mer im gewerb­li­chen und kom­mu­na­len Hoch­bau. Dar­über hin­aus gebäu­de­na­he Ser­vice­leis­tun­gen. Der Clou ist die Arbeits­wei­se, denn Gold­beck stellt schlüs­sel­fer­ti­ge Hal­len, Büros und Park­häu­ser in Sys­tem­bau­wei­se her. Gebäu­de begrei­fen die Ost­west­fa­len als Pro­dukt. Sie ent­wi­ckeln und fer­ti­gen wesent­li­che Teile selbst, errich­ten die Bau­wer­ke und über­neh­men auf Wunsch auch Betreu­ung und Betrieb. Der Kunde bekommt alles aus einer Hand. Jörg-Uwe Gold­beck: „Wir bauen nichts, was wir nicht geplant haben, und wir pla­nen nichts, was wir nicht selbst bauen.“

Besser, schneller, günstiger

Der Sys­tem­ge­dan­ke des Indus­trie­un­ter­neh­mens im Bau­sek­tor geht auf die Auto­mo­bil­in­dus­trie zurück. Diese gilt als Vor­rei­ter der Pro­duk­ti­on ver­schie­de­ner Model­le auf einer Platt­form. „Zu Beginn wur­den wir für unse­ren Weg von vie­len Wett­be­wer­bern belä­chelt“, erin­nert sich Jörg-Uwe Gold­beck. Das änder­te sich schnell, denn der Erfolg gab der muti­gen Fami­lie recht. „Sys­te­ma­tik hat unse­re Arbeit bes­ser, schnel­ler und güns­ti­ger gemacht“, resü­miert der Fir­men­chef. 80 bis 90 Pro­zent der auf einer Gold­beck-Bau­stel­le ver­wen­de­ten Teile wer­den in eige­nen Wer­ken vor­pro­du­ziert – selbst sie­ben Ton­nen schwe­re Decken und 18 Meter hohe Beton­säu­len. Gold­beck hat ins­ge­samt zehn eige­ne Werke. Dar­un­ter Beton­fa­bri­ken, in denen Wände und Decken her­ge­stellt wer­den, sowie Alu­mi­ni­um- und Stahl­bau­wer­ke, aus denen Trag­wer­ke, Fens­ter und Türen kom­men. Euro­pa­weit ist das Unter­neh­men an über 70 Stand­or­ten mit Depen­dan­cen vertreten.

Viel Licht, viel Raum. Vom Atrium geht’s in wenigen Schritten ins Büro von Jörg-Uwe Goldbeck. Überall unter den Dächern sind die Fachwerkbinder aus Stahl sichtbar – eine Spezialität von Goldbeck.Porsche Consulting/Marco Prosch

Trotz der modu­la­ren Bau­wei­se ist jedes Gebäu­de indi­vi­du­ell, hat ande­re Geschoss­hö­hen, eine ande­re Fas­sa­de. Von den rund 500 Pro­jek­ten, die Gold­beck pro Jahr stemmt, sind etwa 50 Pro­zent Logis­tik­hal­len, die übri­ge Hälf­te ent­fällt auf Büros, Park­häu­ser und ande­re Gebäu­de. In die­sem Seg­ment ist das Bau­un­ter­neh­men unum­strit­te­ner Markt­füh­rer: Jedes zwei­te Park­haus in Deutsch­land ist „deve­lo­ped and made by Gold­beck“. Ein beson­de­rer Coup war der Groß­auf­trag für den Bau der „Giga­fac­to­ry“ von Tesla in Grün­hei­de bei Ber­lin. Den erhielt Gold­beck im Juni 2020, elf Mona­te spä­ter, im Mai 2021, konn­te das Werk an den Elek­tro­au­to­her­stel­ler aus Kali­for­ni­en über­ge­ben wer­den – ter­min­ge­recht und zu den ver­ein­bar­ten Kos­ten. Ein Leucht­turm­pro­jekt. „Mög­lich war das nur durch die indus­tri­el­le Vor­fer­ti­gung der Bau­ele­men­te in unse­ren Wer­ken“, erläu­tert Gold­beck.  

Was Bauleute im Silicon Valley lernen

Ein wei­te­res Erfolgs­re­zept des Unter­neh­mens: Inno­va­tio­nen. Dafür schau­en die Fir­men­in­ha­ber über den Tel­ler­rand hin­aus. Was machen Betrie­be in ande­ren Bran­chen bes­ser? Was kann neu dazu­ge­lernt und für das eige­ne Geschäft adap­tiert wer­den? Ein Bei­spiel: Ein klei­nes For­schungs- und Ent­wick­lungs­team kund­schaf­tet seit zwei Jah­ren im kali­for­ni­schen Sili­con Val­ley Koope­ra­ti­ons­mög­lich­kei­ten mit Start-ups aus, die Digi­ta­li­sie­rung und Bauen ver­bin­den. Das Unter­neh­men pflegt zudem einen engen Kon­takt mit der Stan­ford Uni­ver­si­ty, an der es einen Lehr­stuhl mit dem For­schungs­schwer­punkt digi­ta­li­sier­tes Bauen gibt. „Unse­re Visi­on ist, auf intel­li­gen­te Weise mit neuen Tech­no­lo­gien zu bauen“, sagt Jörg-Uwe Gold­beck. Stich­wort: Pro­duk­ti­on der Zukunft. Schon heute spie­len bei­spiels­wei­se Robo­ter auf den Gold­beck-Bau­stel­len eine Rolle. Sie wer­den aktu­ell test­wei­se für Bohr- und Maler­ar­bei­ten ein­ge­setzt, ein „hund­ar­ti­ger“ Robo­ter scannt und doku­men­tiert den Baufortschritt.

Auch die zweite Generation schreibt „Strategien mit Bleistift und Werte mit Füller“: Jan-Hendrik (links) und Jörg-Uwe Goldbeck führen das von Vater Ortwin gegründete Unternehmen gemeinsam.Goldbeck

Und noch etwas zeich­net das erfolg­rei­che Bau­un­ter­neh­men aus: Das Duo an der Spit­ze funk­tio­niert. Jan-Hen­drik Gold­beck ist vor­nehm­lich für Tech­no­lo­gie, Digi­ta­li­sie­rung und die Inter­na­tio­na­li­sie­rung des Unter­neh­mens zustän­dig, Jörg-Uwe Gold­beck küm­mert sich unter ande­rem um Finan­zen, Per­so­nal und Pro­duk­ti­on. „Wir ergän­zen uns sehr gut“, kon­sta­tiert er. Wich­tig ist den Brü­dern, im Team mit klu­gen und enga­gier­ten Mit­strei­tern zu arbei­ten. „Die unter­schied­li­chen Fähig­kei­ten und Kom­pe­ten­zen unse­rer Mit­ar­bei­ten­den im Unter­neh­men opti­mal zu nut­zen, ist uns extrem wich­tig”, betont Jörg-Uwe Gold­beck. Sie sol­len Pro­blem­lö­ser, Erfin­der, Weg­wei­ser und Aus­bil­der sein, enga­giert und zuver­läs­sig. Denn auch heute noch gilt die Maxi­me des Unter­neh­mens­grün­ders Ort­win Gold­beck: „Wir schrei­ben Stra­te­gien mit Blei­stift und Werte mit Fül­ler.“ Auf diese Werte wird auch beim Recrui­ting geschaut. Gold­beck: „Wir ach­ten dar­auf, eine große Band­brei­te an Talen­ten zu haben und Men­schen, die sich für das Unter­neh­men ein­set­zen wol­len.“ Füh­rungs­per­so­nen ent­wi­ckelt das Bau­un­ter­neh­men mit dem blau­en Fir­men­lo­go vor­wie­gend intern. Schlüs­sel­po­si­tio­nen im Pro­duk­ti­ons­be­reich besetzt Gold­beck dage­gen bewusst mit exter­nen Mana­gern – zum Bei­spiel aus der Auto­mo­bil­in­dus­trie: „Um auch künf­tig erfolg­reich zu sein, dür­fen wir nicht nur in den eige­nen Rei­hen schau­en, son­dern brau­chen unvor­ein­ge­nom­me­ne Spit­zen­kräf­te, die fri­sche Ideen einbringen.“

Transparent: Die Parkhäuser aus Bielefeld werden aus vorgefertigten Systembauteilen zusammengesetzt. Das eigene Mitarbeiterparkhaus in Hirschberg an der Bergstraße dient zugleich als Pilotprojekt: Ein Carbongewebe in den Deckenplatten ersetzt die herkömmliche Stahlbewehrung.Goldbeck

Stahl versus Carbon

Das gilt auch für das Thema Nach­hal­tig­keit. Das spielt bei den Bie­le­fel­dern, die 2019 von der Intes-Aka­de­mie zum „Fami­li­en­un­ter­neh­men des Jah­res“ gekürt wur­den, seit jeher eine wich­ti­ge Rolle. Bei­spiel: Stahl ver­sus Car­bon. Es geht um Kor­ro­si­ons­frei­heit, Leis­tungs­fä­hig­keit und Gewichts­re­du­zie­rung – ein Thema sowohl in der Flug­zeug- und Auto­mo­bil­in­dus­trie als auch im Bau­ge­wer­be. Die indus­tri­ell her­ge­stell­ten Fasern aus Koh­len­stoff-Ele­men­ten sind gut 20 Pro­zent leich­ter und 40-fach fes­ter als Stahl und hal­ten extre­men Belas­tun­gen stand. „Beim Ein­satz von Car­bon im Gebäu­de­bau benö­ti­gen wir klei­ne­re Fun­da­men­te und weni­ger Beton. Wegen sei­ner Kor­ro­si­ons­frei­heit ist Car­bon­be­ton zudem lang­le­bi­ger und war­tungs­arm“, betont Jörg-Uwe Gold­beck. 

Verbindung mit Weitblick: Bei Goldbeck werden Bauteile vorzugsweise miteinander verschraubt. Das erleichtert Demontage und sortenreines Recycling am Ende der Lebensdauer.Porsche Consulting/Marco Prosch

Die Halt­bar­keit der Bau­sub­stanz, Nach­hal­tig­keit und lang­fris­ti­ge Fle­xi­bi­li­tät durch eine Bau­wei­se, die den Rück­bau erleich­tert, wer­den immer wie­der hin­ter­fragt. „Wir haben vom ers­ten Ent­wurf an den gesam­ten ers­ten Lebens­zy­klus eines Gebäu­des von durch­schnitt­lich 30 bis 40 Jah­ren im Auge.“ So ver­wen­det Gold­beck beim Bau, wo immer mög­lich, mecha­ni­sche Ver­bin­dun­gen, die eine spä­te­re Demon­ta­ge und das sor­ten­rei­ne Recy­cling erleich­tern. Denn aus Nach­hal­tig­keits­grün­den und im Sinne des lebens­zy­klus­über­grei­fen­den Ansat­zes denkt man bei Gold­beck schon vor Bau­be­ginn auch über den Abriss eines Gebäu­des nach. 

Gute Noten: Goldbeck errichtet Schulen wie diese im norddeutschen Büdelsdorf schnell und pünktlich. Der Bedarf an zeitgerechten Neubauten ist groß – bei privaten und bei öffentlichen Bildungsträgern.Goldbeck

Ein Zukunfts­feld für Gold­beck sind öffent­li­che Bau­vor­ha­ben. Bei der Rea­li­sie­rung von Schu­len und Ver­wal­tungs­ge­bäu­den hat sich das Unter­neh­men schon einen Namen gemacht. Dage­gen gehört der Woh­nungs­bau erst seit 2017 zum Port­fo­lio, hier gibt es erste Refe­renz­pro­jek­te. „Wir wol­len Erfah­run­gen sam­meln und mög­lichst viele Erkennt­nis­se aus ande­ren Berei­chen ein­brin­gen“, betont Jörg-Uwe Gold­beck. Das Unter­neh­men soll wach­sen – vor allem in Deutsch­land und den euro­päi­schen Nach­bar­län­dern. „Mit sehr guten Leis­tun­gen ist man über­all will­kom­men.“ 


Dr. Wulf Härtel vor 16 Meter langen und auch in der deutschen Tesla-Fabrik eingesetzten Fachwerkbindern. Der Geschäftsführer Goldbeck Bauelemente arbeitete 23 Jahre bei Benteler Automotive. 2020 wechselte er in die Bauindustrie.Porsche Consulting/Marco Prosch

Produktion der Zukunft

Die Entscheidung fiel im November 2020. Dr. Wulf Härtel, Geschäftsführer Goldbeck Bauelemente in Bielefeld, rief Experten von Porsche Consulting ins Haus, um mit ihnen und einem Team aus allen Unternehmensbereichen ein ehrgeiziges Projekt umzusetzen: eine Technologietransformation im Produktionsbereich Beton und Stahlbau, mit der die Weichen für die Zukunft des Branchenprimus gestellt werden. „Entscheidend für die Wahl war der gute Ruf, den Porsche Consulting insbesondere auf diesem Gebiet hat“, begründet Dr. Härtel, der selbst über langjährige Erfahrungen im Automotive-Bereich verfügt, den Zuschlag. 

„Es ging um die Beantwortung folgender Frage: Welche Technologien versetzen uns in die Lage, in unseren Werken künftig die Bauteile herzustellen, die notwendig sind, um unseren Vorsprung auszubauen und auch in Zukunft die Nummer eins in unserer Branche zu sein?“, sagt Dr. Härtel. Die Rolle, die Porsche Consulting zukam: Sparringspartner und Technologie-Scout. Zunächst wurden 27 Technologiesuchfelder definiert – von der Anlieferung über die Produktion bis zur Intralogistik und Auslieferung –, die für eine Produktion der Zukunft relevant sind. Dann wurden rund 200 Technologien unter die Lupe genommen. Dr. Manuel Schönwitz, Projektleiter bei Porsche Consulting: „Dafür haben wir in diversen Datenbanken intensiv recherchiert und so manch Neues aufgespürt.“ Ausgewählt wurden schließlich 33 Technologien, die kurzfristig genutzt werden sollen. Sie liegen im Werkzeugkasten der Bielefelder, wenn es darum geht, bestehende Fabriken modular zu erneuern oder neue Werke zu bauen. Diese Technologien haben einen hohen Reifegrad und können bereits eingesetzt werden. „Die Praxistauglichkeit, Robustheit, aber auch Zukunftsfähigkeit waren bei der Auswahl das A und O“, so Dr. Härtel.  

Im zweiten Teil des Projekts wurde ein Modell-Layout für die künftigen Beton- und Stahlbauwerke entworfen. „Schließlich geht es nicht nur um die Vision modular aufgebauter Fabriken, sondern auch um die Machbarkeit der Umsetzung“, sagt Dr. Wulf Härtel. Im Juni wurde das Projekt abgeschlossen. Was jetzt noch lediglich auf Papier zu sehen ist, könnte schon bald Realität sein: Goldbeck-Beton- und Stahlbauwerke, die aufgrund ihres modularen Aufbaus und innovativer Technologien flexibel auf sich ändernde Ansprüche reagieren können. 
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