Bauindustrie

Neue Schule
in 12 Wochen

Wenn es nach Kleusberg geht, können viele Schülerinnen und Schüler schon bald auf moderne Unterrichtsräume hoffen. In seinen Werken fertigt der deutsche Mittelständler hochwertige, komplett ausgestattete Module, die auf der Baustelle nur noch per Mobilkran eingeschwenkt und miteinander verbunden werden müssen. Individuell planen können Bauherren am Konfigurator. Der Clou: Statt Masse gibt es Klasse.

05/2024

So macht man Schule: Werkleiter Jörg Draschner, der Leiter der Produktentwicklung Jonas Beuth und Geschäftsführer Oliver Hartmann von Kleusberg und Berater Tobias Michels von Porsche Consulting (von links) wollen die Bauzeit von Jahren auf drei Monate verkürzen.Porsche Consulting/Marco Prosch

Die Zukunft des Schul­baus steht neben dem Park­platz von Werk 2 des Modul­bau-Unter­neh­mens Kle­us­berg im ost­deut­schen Kabel­s­ke­tal, nahe der Stadt Halle/Saale. Das Mus­ter­ge­bäu­de ist ein rie­gel­för­mi­ger, ein­ge­schos­si­ger Qua­der mit Flach­dach und Holz­fas­sa­de. Er stammt aus dem Schul­bau­kas­ten des Unter­neh­mens, der dank vor­de­fi­nier­ter Modu­le kür­ze­re Bau­zei­ten bei gleich­zei­tig hoher archi­tek­to­ni­scher Fle­xi­bi­li­tät ermög­licht. Die Ein­heit besteht aus moder­nem Klas­sen­zim­mer, Neben­räu­men und Sani­tär­be­reich. Neben der ver­kürz­ten Bau­zeit punk­ten die neuen Schu­len auch im Bereich Nach­hal­tig­keit: Sie las­sen sich bei Bedarf an einem ande­ren Ort neu errich­ten und am Ende ihrer Lebens­dau­er zu fast 100 Pro­zent recy­celn. Kle­us­berg und die Manage­ment­be­ra­tung Por­sche Con­sul­ting zei­gen hier ein gemein­sam ent­wi­ckel­tes bedarfs­ge­rech­tes und nach­hal­ti­ges Kon­zept. Klas­si­sche Pro­ble­me am Bau schei­nen damit lösbar.

Dank des Schulbaukastens von Kleusberg lassen sich neue Schulgebäude für 100 bis 420 Schülerinnen und Schüler künftig in kurzer Zeit aus vorgefertigten Modulen errichten. Sie folgen einem festen Raster und ermöglichen durch die unterschiedliche Kombination von Modulen verschiedenste Grundrisse, sodass sich eine Vielzahl von pädagogischen Konzepten umsetzen lässt – von der klassischen Flurschule mit gleich großen Räumen bis hin zu Schulen mit unterschiedlich geschnittenen Klassenzimmern oder einer zentralen Mitte, um die sich einzelne Räume gruppieren. Auch im Detail sind die Gestaltungsmöglichkeiten groß, etwa bei den Fenstern oder der Innenraumbeleuchtung. Und falls die Schule irgendwann nicht mehr gebraucht wird, kann man sie auseinandernehmen und woanders neu aufbauen.Porsche Consulting/Clara Nabi

Die Idee dahin­ter: Schu­len sol­len in Zukunft – tech­nisch gese­hen – nicht mehr als Uni­ka­te geplant und gebaut wer­den, son­dern sich ein­fach aus stan­dar­di­sier­ten Modul­seg­men­ten kon­fi­gu­rie­ren las­sen. Damit geht Kle­us­berg einen ent­schei­den­den Schritt über den bereits seit Jahr­zehn­ten eta­blier­ten Modul­bau hin­aus: Aus dem Pro­jekt- wird künf­tig ein Pro­dukt­ge­schäft. Bau­trä­ger kön­nen sich neue Schu­len dank des Bau­kas­ten­prin­zips aus einem Online-Kon­fi­gu­ra­tor aus­su­chen und in Auf­trag geben – und das, ohne Abstri­che bei den Gestal­tungs­mög­lich­kei­ten machen zu müssen.

Alle Anfor­de­run­gen an die ver­schie­de­nen Funk­tio­nen einer Schu­le wur­den von Kle­us­berg wäh­rend der Pro­dukt­ent­wick­lung berück­sich­tigt. Kurz gesagt: Was Schü­ler und Leh­rer nicht sehen, ist stan­dar­di­siert. Alles ande­re rund um die Lay­out­kon­fi­gu­ra­ti­on und Aus­stat­tung lässt sich in wei­ten Gren­zen individualisieren.

„Die­ser Pro­dukt­ge­dan­ke ist für die Bau­bran­che neu, denn Bauen ver­langt eigent­lich nach Indi­vi­dua­li­tät – unter ande­rem wegen der jewei­li­gen Grund­stücks­zu­schnit­te und der unter­schied­li­chen Vor­ga­ben in den ört­li­chen Bebau­ungs­plä­nen“, erklärt Kle­us­berg-Geschäfts­füh­rer und Archi­tekt Oli­ver Hart­mann (Jahr­gang 1970). „Wir arbei­ten statt­des­sen mit 44 vor­de­fi­nier­ten Modul­seg­men­ten, mit denen wir fast jede denk­ba­re Kon­fi­gu­ra­ti­on rea­li­sie­ren kön­nen. Das macht es uns mög­lich, jede Schu­le trotz Stan­dar­di­sie­rung exakt an die Wün­sche unse­rer Auf­trag­ge­ber anzu­pas­sen. Wir zie­len mit dem Bau­kas­ten zunächst auf Schul­erwei­te­run­gen oder bis zu vier­zü­gi­ge Grundschulneubauten.“

Kleusberg GmbH: Den Anfang macht eine Schreinerei

Seit 1948 ist Kleusberg im Baugewerbe aktiv. Entstanden aus einer Bau- und Möbelschreinerei, entwickelte sich das Unternehmen zunächst zum Hersteller von Bauwagen, später von Baucontainern – genutzt für mobile Büros auf Baustellen, aber auch als temporäre Lösung für Schulen oder Kindergärten. Inzwischen hat Kleusberg 35.000 solcher Mietcontainer im Angebot. Zweites Standbein ist der Modulbau, der sich Ende der 80er-Jahre des vergangenen Jahrhunderts aus der sogenannten Stahlverbundsystembauweise entwickelt hat. Seit mehr als 30 Jahren errichtet Kleusberg im Projektgeschäft Schulen, Kindergärten, Bürogebäude und Krankenhäuser aus vorgefertigten Modulen für die dauerhafte Nutzung. Nun kommen Schulbauten als Produkte aus Standardmodulen hinzu. Die Kleusberg GmbH ist noch immer ein Familienunternehmen und beschäftigt 1.400 Menschen an 13 Standorten in Deutschland.

Mög­lich sind riegel‑, L- oder Z‑förmige Schul­ge­bäu­de mit vier bis 16 Räu­men und maxi­mal drei Stock­wer­ken. Auf rund 500 bis 2.500 Qua­drat­me­tern kön­nen zwi­schen 100 und 420 Schü­le­rin­nen und Schü­ler unter­rich­tet wer­den – und zwar mit ganz unter­schied­li­chen päd­ago­gi­schen Kon­zep­ten: Die Modul­seg­men­te des Schul­bau­kas­tens las­sen sich auf ver­schie­de­ne Weise kom­bi­nie­ren, sodass klas­si­sche Flur­schu­len mit gleich gro­ßen Räu­men eben­so rea­li­siert wer­den kön­nen wie Schu­len mit unter­schied­lich geschnit­te­nen Klas­sen­zim­mern oder einer zen­tra­len Mitte, um die sich ein­zel­ne Räume grup­pie­ren. So rea­li­siert Kle­us­berg zeit­ge­mä­ße Bil­dungs­land­schaf­ten – bei­spiels­wei­se mit Räu­men für indi­vi­dua­li­sier­tes Ler­nen oder die Inklu­si­on von Kin­dern mit Beeinträchtigungen.

„Wir arbeiten mit 44 vordefinierten Modulsegmenten, mit denen wir fast jede denkbare Konfiguration realisieren können“, sagt Geschäftsführer und Architekt Oliver Hartmann.Porsche Consulting/Marco Prosch

Per Konfigurator zum Unikat

Um sei­nen Kun­den die Aus­wahl zu erleich­tern, bie­tet Kle­us­berg die vier Aus­stat­tungs­pa­ke­te „Basis“, „Best Sel­ler“, „Design“ und „Natur“ an. Sie unter­schei­den sich unter ande­rem durch die Gestal­tung der Beleuch­tungs­ele­men­te, das Mate­ri­al der Fens­ter­rah­men, die ein­ge­setz­te Heiz­tech­nik und die Ener­gie­ef­fi­zi­enz der Gebäu­de. Wer sich durch den von Kle­us­berg ver­folg­ten Paket­ge­dan­ken und den Schul­kon­fi­gu­ra­tor an die Auto­mo­bil­in­dus­trie erin­nert fühlt, ist auf der rich­ti­gen Spur. „Wir hat­ten bei der Pro­dukt­ent­wick­lung die Auto­her­stel­ler im Hin­ter­kopf, die aus einer vor­ge­ge­be­nen Palet­te von Kon­fi­gu­ra­ti­ons­mög­lich­kei­ten höchst indi­vi­du­el­le Lösun­gen erzeu­gen, ihren Kun­den zur Ori­en­tie­rung eben­falls Aus­stat­tungs­pa­ke­te anbie­ten und ihre Pro­duk­te seri­ell auf einer Fer­ti­gungs­stra­ße pro­du­zie­ren“, sagt Hartmann.

Oliver Hartmann (Mitte) und Jonas Beuth (rechts) haben den neuen Schulbaukasten gemeinsam mit Berater Tobias Michels (Porsche Consulting) konzipiert und auf die Bedürfnisse des Marktes zugeschnitten.Porsche Consulting/Marco Prosch

Einen gro­ßen Unter­schied zur Auto­in­dus­trie gibt es aber auch: Es gel­ten nicht in jedem Bun­des­land ande­re Vor­schrif­ten für die Zulas­sung von Fahr­zeu­gen – wohl aber deutsch­land­weit 16 unter­schied­li­che Schul­bau­ord­nun­gen. Und so war es eine der größ­ten Her­aus­for­de­run­gen bei der Pro­dukt­ent­wick­lung, allen behörd­li­chen Vor­ga­ben gleich­zei­tig gerecht zu wer­den. „Wir woll­ten einen Schul­bau­kas­ten ent­wi­ckeln, der in allen Regio­nen funk­tio­niert“, berich­tet Jonas Beuth (Jahr­gang 1993), der bei Kle­us­berg die Pro­dukt­ent­wick­lung lei­tet. „Darum muss­ten wir den kleins­ten gemein­sa­men Nen­ner aus allen Vor­schrif­ten fin­den.“ Keine leich­te Auf­ga­be, schließ­lich ist die Zahl der Bau­vor­schrif­ten in Deutsch­land allein zwi­schen 2005 und heute von 5.000 auf 20.000 gestiegen.

Oliver Hartmann (links) und Jonas Beuth haben sich bei der Produktentwicklung von der Automobilindustrie inspirieren lassen, die aus einer Palette von Konfigurationsmöglichkeiten viele individuelle Lösungen erstellen kann.Porsche Consulting/Marco Prosch

Immer­hin muss­te Kle­us­berg nicht bei null anfan­gen. Nach über 160 im Pro­jekt­ge­schäft errich­te­ten Schu­len in Modul­bau­wei­se wuss­te man dort sehr genau, was sich die öffent­li­chen und pri­va­ten Bau­trä­ger wün­schen. Außer­dem holte sich das Unter­neh­men Rat bei Archi­tek­ten, Leh­rern und Haus­meis­tern. „Ein erfolg­rei­cher Über­gang zum Pro­dukt­ge­schäft setzt ein tie­fes Ver­ständ­nis des Mark­tes und der Kun­den vor­aus – ins­be­son­de­re, wenn der Pro­dukt­ge­dan­ke wie in die­sem Fall noch völ­lig neu ist“, sagt Tobi­as Michels (Jahr­gang 1989), Seni­or Mana­ger im Bereich Con­s­truc­tion & Real Estate bei Por­sche Con­sul­ting. Mit sei­nem Team unter­stütz­te er Kle­us­berg dabei, den Schul­bau­kas­ten für den All­tag in den Gebäu­den maß­zu­schnei­dern. Michels: „Dabei kommt es manch­mal auf ver­meint­li­che Klei­nig­kei­ten an: Je nach Plat­zie­rung des Leh­rer­pults im Klas­sen­zim­mer kann es zum Bei­spiel nur zwei oder bis zu zehn Minu­ten dau­ern, bis sich die Schü­ler am Unter­richts­be­ginn beruhigen.“

Berater Tobias Michels und Produktentwickler Jonas Beuth haben gemeinsam Pionierarbeit geleistet – denn der Produktgedanke „Schulbaukasten“ ist neu für die Bauindustrie.Porsche Consulting/Marco Prosch

In drei Monaten zur neuen Schule

Eine Zeit­er­spar­nis ganz ande­rer Art ermög­licht die Pro­duk­ti­ons­wei­se der Schul­bau­mo­du­le: Nur drei Mona­te sol­len in Zukunft zwi­schen Pro­duk­ti­ons­start und Schlüs­sel­über­ga­be ver­ge­hen – im kon­ven­tio­nel­len Schul­bau kön­nen hin­ge­gen schon ein­mal meh­re­re Jahre bis zum Ein­zug ver­ge­hen. Mög­lich macht das die seri­el­le Fer­ti­gung der Gebäu­de­be­stand­tei­le, die in einer 500 Meter lan­gen Halle auf dem Werks­ge­län­de in Kabel­s­ke­tal-Döl­bau statt­fin­det. Das heißt: Am einen Ende des Gebäu­des kom­men maß­ge­schnei­der­te Stahl­pro­fi­le für das Trag­werk an, am ande­ren Ende ver­las­sen pro Woche bis zu 80 kom­plet­te Modu­le – bestehend aus den gefor­der­ten Seg­men­ten – die Pro­duk­ti­ons­hal­le. Dazwi­schen ent­ste­hen an Vor­fer­ti­gungs­li­ni­en Kom­po­nen­ten wie Böden, Decken und Wände, die schritt­wei­se an der Grund­kon­struk­ti­on befes­tigt wer­den. Von oben betrach­tet erin­nert das Lay­out der Fer­ti­gung an eine Fisch­grä­te, wes­halb Exper­ten auch vom „Fisch­grä­ten-Ansatz“ spre­chen – eine wei­te­re Inspi­ra­ti­on aus den Fabri­ken der Automobilindustrie.

Kleusberg produziert Schulen in einer 500 Meter langen Fertigungshalle seines Werkes 2 im ostdeutschen Kabelsketal. Links werden die Metallträger angeliefert, rechts verlassen die kompletten Module das Gebäude. Porsche Consulting/Marco Prosch
Die zugelieferten Metallträger kommen bereits auf exaktes Maß geschnitten bei Kleusberg an. So entsteht bei der Fertigung der Module kaum Abfall. Einer der Pluspunkte mit Blick auf die Nachhaltigkeit der Gebäude.Porsche Consulting/Marco Prosch
Die tonnenschweren Stahlprofile lassen sich nur mit massiven Portalkränen bewegen. Porsche Consulting/Marco Prosch
Am Anfang des Modulbaus steht das Schweißen des Metallrahmens. Porsche Consulting/Marco Prosch
Qualitätskontrolle: Werkleiter Jörg Draschner vergleicht einen Stahlrahmen mit dem Plan. Porsche Consulting/Marco Prosch
Werkleiter Jörg Draschner, Berater Tobias Michels und Produktentwickler Jonas Beuth haben alle Schritte des Fertigungsprozesses gemeinsam erdacht und optimiert.Porsche Consulting/Marco Prosch
Die massiven Gewinde sind eine Spezialität: Beim Transport werden sie für das Anheben der vorgefertigten Module per Schwerkran benötigt.Porsche Consulting/Marco Prosch
Sobald der Metallrahmen als Grundgerüst fertiggestellt ist, kommen die Module in einen neuen Bereich der Fertigungshalle, …Porsche Consulting/Marco Prosch
… wo im nächsten Schritt der komplette Innenausbau erfolgt. Auftraggeber können unterschiedliche Ausstattungen wählen. Porsche Consulting/Marco Prosch
Die Module lassen sich in der Fertigungshalle maschinell kippen. So muss niemand beim Innenausbau über Kopf arbeiten. Die Vorrichtung ist eine Eigenentwicklung. Porsche Consulting/Marco Prosch
Nach dem Einbau der Dämmung und der Wände folgen Fenster und Rollläden.Porsche Consulting/Marco Prosch
Selbst Treppenelemente aus Betonfertigteilen werden bereits im Kleusberg-Werk in die Module passgenau eingebaut. Porsche Consulting/Marco Prosch
Damit die leistungsstarken Akkuwerkzeuge stets aufgeladen und verfügbar sind, werden sie an einer Zentralstation für die Produktionsteams bereitgehalten. Zugriff hat nur, wer am Monitor den richtigen Code eingibt.Porsche Consulting/Marco Prosch
Die frisch produzierten Kleusberg-Module werden in Kabelsketal neben der Fertigungshalle zur Abholung bereitgestellt. Zu ihrem Einsatzort kommen sie nachts per Schwertransport.Porsche Consulting/Marco Prosch

Nach ihrer Fer­tig­stel­lung gelan­gen die Modu­le des Schul­bau­kas­tens per Schwer­trans­port vom ost­deut­schen Bun­des­land Sach­sen-Anhalt zu ihren Bestim­mungs­or­ten, wo sie von Kle­us­berg zum Schul­ge­bäu­de zusam­men­ge­setzt wer­den – im Wesent­li­chen per „Plug-and-Play“, weil Rohre und elek­tri­sche Lei­tun­gen schon ver­legt sind und nur noch mit­ein­an­der ver­bun­den wer­den müs­sen. Selbst die Toi­let­ten und Wasch­be­cken für WC-Räume sind bereits instal­liert, wenn die Modu­le an der Bau­stel­le ankom­men. „Wegen des hohen Vor­fer­ti­gungs­gra­des fällt vor Ort viel weni­ger Arbeit an“, erklärt Beuth. „Dort küm­mern wir uns vor allem um die Flur­be­rei­che, die Modul­stö­ße in den Klas­sen­zim­mern, die Fas­sa­de und das Dach.“

Geschäftsführer Oliver Hartmann und Produktentwickler Jonas Beuth stehen in vorgefertigten Modulen auf dem Kleusberg-Werksgelände. Die im Modulbau-Projektgeschäft gesammelten Erfahrungen sind in den Schulbaukasten eingeflossen.Porsche Consulting/Marco Prosch

Keine Verzögerungen, keine Mehrkosten

Die seri­el­le Fer­ti­gung spart aber nicht nur Zeit: Wegen der grö­ße­ren Stück­zah­len kann Kle­us­berg bei sei­nen Zulie­fe­rern, zum Bei­spiel den Sani­tär­her­stel­lern, auch güns­ti­ger ein­kau­fen und mit Nach­un­ter­neh­mern bes­se­re Kon­di­tio­nen aus­han­deln, wes­halb die Bau­kos­ten im Ver­gleich zum her­kömm­li­chen Pro­jekt­ge­schäft-Modul­bau um rund 15 Pro­zent sin­ken sol­len. Hinzu kommt, dass Kos­ten­ex­plo­sio­nen und Ver­zö­ge­run­gen dank des Pro­dukt­an­sat­zes künf­tig nahe­zu aus­ge­schlos­sen sein dürf­ten, eben­so wie Qua­li­täts­pro­ble­me: Da die Fer­ti­gung unter kon­trol­lier­ten Bedin­gun­gen im Werk abläuft, nach jedem Fer­ti­gungs­schritt eine Qua­li­täts­kon­trol­le statt­fin­det und alle Pro­dukt­ex­per­tin­nen und ‑exper­ten bei Fra­gen schnell greif­bar sind, soll­ten die Modu­le weit­ge­hend gleich­blei­ben­de Eigen­schaf­ten haben. „Autos kom­men ja auch aus einer Fabrik und wer­den nicht ein­zeln vor Ort in der Gara­ge des Kun­den gebaut – was mit Sicher­heit zu sin­ken­der Qua­li­tät füh­ren würde“, zieht Archi­tekt Hart­mann den nächs­ten Ver­gleich mit den Auto­her­stel­lern. „Und falls wir in der seri­el­len Fer­ti­gung auf ein Pro­blem sto­ßen soll­ten, kön­nen wir es schnell erken­nen und zuver­läs­sig abstel­len.“ Selbst dem zuneh­men­den Fach­kräf­te­man­gel auf dem Bau könn­te das Kon­zept ent­ge­gen­wir­ken: Immer weni­ger Men­schen wol­len bei Wind und Wet­ter Mau­ern errich­ten oder die Außen­däm­mung anbrin­gen. Bei Kle­us­berg fin­det die Pro­duk­ti­on hin­ge­gen haupt­säch­lich in einer Fabrik­hal­le statt, was die Attrak­ti­vi­tät der Bau­be­ru­fe deut­lich erhö­hen könnte.

Die Schule folgt den Schülern

Eine wei­te­re Eigen­schaft der Schu­len aus dem Bau­kas­ten ist den Kle­us­berg-Ent­wick­lern beson­ders wich­tig: ihre Nach­hal­tig­keit. Da Außen- und Innen­wän­de sowie Böden und Decken zum größ­ten Teil aus Holz bestehen, wei­sen die Modu­le eine posi­ti­ve CO₂-Bilanz auf. Sie bin­den also mehr Koh­len­di­oxid, als bei ihrer Pro­duk­ti­on ent­steht. Hinzu kommt: Die Modu­le las­sen sich auch nach vie­len Jah­ren noch pro­blem­los von­ein­an­der lösen und wie­der­ver­wen­den. „Wenn es in einer Gegend zu weni­ge Schü­ler gibt, kön­nen wir eine bestehen­de Schu­le demon­tie­ren und an einer ande­ren Stel­le mit grö­ße­rem Bedarf neu auf­bau­en“, so Hart­mann. „Nach­hal­ti­ger geht es wirk­lich nicht.“

So sieht der Neubau eines Gymnasiums aus, das Hersteller Kleusberg in 12 Wochen errichten kann. Laien werden nicht erkennen, dass die hochwertigen Gebäude aus industriell gefertigten Modulen bestehen – weder von außen noch von innen.Kleusberg
Am Kleusberg-Werk im ostdeutschen Kabelsketal bei Halle/Saale zeigt Jonas Beuth einen Prototyp aus dem Schulbaukasten. Die verschiedenen Deckenleuchten gehören zu drei unterschiedlichen Ausstattungspaketen, die per Internet-Konfigurator wählbar sind.Porsche Consulting/Marco Prosch
Rahmen aus Stahl, Ausbau mit Holz: Schulen aus Modulen sollen schnell errichtet werden und gleichzeitig mit natürlichen Baustoffen für ein gesundes Raumklima und eine positive Lernumgebung sorgen.Kleusberg

Poten­zi­el­le Kun­den reagie­ren bis­her sehr posi­tiv auf die Schul­bau­kas­ten-Idee. „Zuerst gibt es oft eine gewis­se Skep­sis, weil wir den kon­ven­tio­nel­len Weg ver­las­sen“, berich­tet Beuth. „Bis­her konn­ten wir aber alle Beden­ken aus­räu­men und Inter­es­sen­ten vom Schul­bau­kas­ten über­zeu­gen. Denn Vor­tei­le wie eine kurze Bau­zeit und Kos­ten­ein­spa­run­gen über­zeu­gen die Bau­trä­ger.“ Und deren Bedarf ist groß: Die KfW-Ban­ken­grup­pe, eine staat­li­che För­der­bank, hat Schul­ge­bäu­de als den größ­ten Inves­ti­ti­ons­be­reich der Kom­mu­nen in Deutsch­land iden­ti­fi­ziert und schätzt, dass rund 47 Mil­li­ar­den Euro in den Neu­bau und in die Moder­ni­sie­rung bestehen­der Schu­len flie­ßen müs­sen. Hinzu kommt, dass die Zahl der Schü­le­rin­nen und Schü­ler bis 2030 um rund neun Pro­zent stei­gen wird – eine Zunah­me um rund eine Million.

„Vorteile wie eine kurze Bauzeit und Kosteneinsparungen überzeugen die Bauträger“, fasst Produktentwickler Jonas Beuth die positive Resonanz der Kunden zusammen. Porsche Consulting/Marco Prosch

Die Idee ist übertragbar

Kein Wun­der also, dass Kle­us­berg bereits mit ers­ten Kun­den einig gewor­den ist. Ziel des Unter­neh­mens ist es, in den nächs­ten Mona­ten wei­te­re Auf­trags­ein­gän­ge für den Schul­bau­kas­ten zu ver­zeich­nen. Und natür­lich den­ken die Pro­dukt­ent­wick­ler bereits über die­sen ers­ten Markt hin­aus – denn die Idee hin­ter dem Schul­bau­kas­ten lässt sich auch auf den Bau von bei­spiels­wei­se Bet­ten­häu­sern in Kli­ni­ken, Stu­den­ten­wohn­hei­men oder Unter­künf­ten für Geflüch­te­te über­tra­gen. Es wäre darum keine Über­ra­schung, wenn auf das seri­el­le Klas­sen­zim­mer bald noch viele ande­re maß­ge­schnei­der­te Gebäu­de aus einem Kle­us­berg-Kon­fi­gu­ra­tor fol­gen würden.

Kommentar

Perspektive mit Potenzial

Von Tobias Michels, Senior Manager, Porsche Consulting
Tobias Michels, Senior Manager bei der Managementberatung Porsche Consulting.Porsche Consulting/Marco Prosch
In der gegenwärtigen Wirtschaftslage – geprägt von Inflation sowie steigenden Baupreisen und Zinsen – steht die Bauindustrie vor großen Herausforderungen. Der deutliche Rückgang der Baugenehmigungen signalisiert einen kritischen Wendepunkt, und es zeichnet sich ab, dass kurz- bis mittelfristig keine wesentliche Besserung in Sicht ist. Es ist offensichtlich, dass die Hoffnung auf staatliche Unterstützung allein keine nachhaltige Strategie sein kann. Stattdessen müssen die Unternehmen ihre Geschäftsmodelle grundlegend überdenken und an die neuen Marktbedingungen anpassen. Besonders das traditionelle, margenschwache Projektgeschäft steht auf dem Prüfstand. Ein Beispiel für eine gelungene strategische Neuausrichtung ist Kleusberg. Trotz bereits bestehender Aktivitäten im Modulbau konnte das Unternehmen die Vorteile des industriellen Bauens nicht voll ausschöpfen – bedingt durch den projektbasierten Charakter des bisherigen Geschäfts. Produkte statt Projekte Die Lösung: der Übergang zum Produktgeschäft. Hier sind allerdings frühzeitige Entscheidungen über Zielmärkte wichtig, um länderspezifische regulatorische Anforderungen (zum Beispiel Bauordnungen) bereits in der Produktentwicklungsphase berücksichtigen zu können. Es ist zudem kritisch, die Bedürfnisse sowohl der Eigentümer als auch der Endnutzer zu verstehen. Nur dann kann man maßgeschneiderte Lösungen anbieten, die sich in der Betriebsphase bewähren. Die Entwicklung dieser modularen Produkte verlangt einen ganzheitlichen Ansatz, der Fertigung, Lieferung und Montage umfasst. Ein gut durchdachtes modulares Bau- und Produktionssystem – bestehend aus clever konzipierten, vorgefertigten Modulen – erhöht nicht nur die Qualität, sondern beugt auch Schnittstellenproblemen vor. Zudem adressiert es den Fachkräftemangel, die Materialknappheit sowie wetterbedingte Verzögerungen. Und schließlich gewährleistet es die Einhaltung des vereinbarten Budgets. Die Transformation vom projektbasierten zum produktorientierten Geschäftsmodell bringt aber auch tiefgreifende Veränderungen für ein Unternehmen mit sich. Wurden Gebäude bisher auf Basis individueller Leistungsvereinbarungen geplant, müssen nun Expertinnen und Experten produktoptimierte Lösungen erarbeiten. Der Vertrieb, der bisher reaktiv auf Ausschreibungen reagiert hat, muss nun proaktiv das Produkt am Markt positionieren. Der Einkauf, der bisher projektspezifisch agiert hat, kann nun langfristige Partnerschaften für das Seriengeschäft etablieren. Man sieht: Die Einführung eines neuen Produkts erfordert eine unternehmensweite Strategie, die sämtliche Funktionen und Prozesse umfassen und von der Geschäftsführung klar vorgegeben werden muss. Das Beispiel Kleusberg verdeutlicht, dass der Übergang zum Produktgedanken nicht nur theoretisch möglich ist, sondern auch praktisch erfolgreich umgesetzt werden kann. In einer Zeit, in der die Bauindustrie sich neu erfinden muss, bieten Modularisierung und industrielles Bauen eine vielversprechende Möglichkeit, auf die aktuellen Herausforderungen zu reagieren und zugleich Effizienz und Kundenzufriedenheit zu steigern. Unternehmen, die Modularisierung und industrielles Bauen heute als Chance sehen, werden darum in Zukunft die Gewinner sein.
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