Mobilität

Dieser Unternehmer tritt auf die Waschpreisbremse

Kundschaft und Personal gleichzeitig zu überzeugen, gehört zum Rezept des deutschen Mittelständlers Richard Enning. Stets am Puls der Zeit, reagiert er prompt und setzt auf Innovationen mit Blick fürs Detail.

10/2023

Familienunternehmer Richard Enning fährt mit seinem indischroten Porsche 964 Speedster (Baujahr 1993) regelmäßig durch die eigene Waschfabrik – und lässt sogar die Reifenflanken pflegen.Porsche Consulting/Marco Prosch

Für die meisten Unternehmer gehört „Transformation“ gerade zu den zentralen Themen. Besonders deutlich ist das im Bereich Mobilität. Einer schert aus: Richard Enning. „Uns trifft das nicht“, sagt der Mittelständler, dessen Familienunternehmen Mr. Wash AG in Deutschland inzwischen 38 Autowaschanlagen betreibt. Pardon, es sind riesige Waschfabriken mit langen Straßen, manche davon auf bis zu drei Etagen. Mehr als acht Millionen Autos reinigt das Unternehmen pro Jahr. 140 Millionen Euro Umsatz werden mit den Waschanlagen erzielt, weitere 110 Millionen Euro mit den angeschlossenen Tankstellen und nochmal 40 Millionen Euro mit den Sofort-Ölwechseln, die „mac Oil“ direkt neben der Waschanlage ohne Anmeldung anbietet.

Richard Enning ist Mister Wash. „Sauberkeit ist ein essentielles menschliches Bedürfnis“, sagt der Vorstandsvorsitzende. Und erfüllt genau die Wünsche, die autoverliebte Deutsche haben: ein blitzblankes Fahrzeug, innen und außen. „,Sauberes Auto – gute Laune‘ ist unser Slogan“, sagt der Familienchef der zweiten Generation. Enning macht daraus ein Erlebnis, schon ab zehn Euro inklusive Felgenreinigung. Die Kombination aus Preis und Leistung macht Mr. Wash so wettbewerbsfähig und sichert den Erfolg – bereits seit sechs Jahrzehnten. Denn Enning bietet mehr, als es typische Portalwaschanlagen an Tankstellen können. Und er geht mit der Zeit, reagiert sofort auf Entwicklungen, neue Autotypen und sich verändernde Kundenbedürfnisse. Von außen betrachtet gehört Transformation zum ganz normalen Geschäft, und zwar schon immer.

Außenwäsche, Innenreinigung, Tanken und Sofort-Ölwechsel: 38 Waschfabriken betreibt Mittelständler Richard Enning in Deutschlands Metropolen. Findet er passende Grundstücke, folgt die nächste Niederlassung. Porsche Consulting/Marco Prosch

Kosmetik und Cappuccino

Die derzeit neueste Anlage steht an Ennings Heimatort Mülheim an der Ruhr, im westdeutschen Nordrhein-Westfalen. „Es ist vermutlich die erste Großwaschanlage weltweit, die ihren gesamten elektrischen Energiebedarf aus selbsterzeugtem Solarstrom deckt“, sagt Enning, der ständig überlegt, wie er die gesamte Autoreinigung noch nachhaltiger gestalten kann. Außenwäsche, Innenreinigung, Wachspolitur des Lacks von Hand und Nachpolieren mit flauschigen, frischgewaschenen Handtüchern in Gelb – Autofahrers Herz muss hier höherschlagen. Sogar die Reifenflanken bekommen neuerdings auf Wunsch Make-up, wahlweise „tiefschwarz“ oder „edel glänzend“. Enning tüftelte dafür mit dem Chefchemiker eines Reifenfarben-Herstellers an einem umweltfreundlichen, schadstofffreien Exklusivprodukt. Aber damit nicht genug: Während sich das blitzsauber gekleidete, stets höfliche Team mit Sachverstand und dem nötigen Respekt um feinste Autokosmetik kümmert, dürfen Kundinnen und Kunden nicht nur zuschauen, sondern mögen entspannen: Enning lädt zu frischgebrühten Kaffeespezialitäten und heißer Schokolade aus weißen Porzellanbechern ein und hat für Kinder, die ihre Eltern begleiten, ein kostenloses Karussell aufgebaut.

Aber der Clou kommt erst noch: In der Kundenlounge mit bequemen Sitzgelegenheiten steht ein großes Büchertauschregal. Der Lesestoff unterschiedlichster Genres ist zum Mitnehmen gedacht. Die gepflegte Leihbibliothek, in die Kunden ausgelesene Bücher einliefern können, kommt an. So gut, dass Enning ständig auffüllen muss. „Wir kaufen bei Ebay kiloweise alte Bücher zu“, sagt er. Großzügigkeit gehört zum Geschäft. Und Qualität: Die rund 12 Tonnen Dallmayr-Kaffeebohnen pro Jahr lässt er für seine Kundschaft vor Ort in leistungsstarken Franke-Kaffeevollautomaten aus der Gastronomie professionell frisch aufbrühen. Jedes Gerät schlägt mit rund 16.000 Euro Listenpreis zu Buche, Wartung exklusive. Ach ja, und selbstredend sind die Bohnen bio und ihr Anbau fair. „Wenn wir etwas machen, dann muss es auch richtig gut sein“, sagt Enning.

Mülheim an der Ruhr ist der jüngste Standort. 300 Autos pro Stunde kann Mr. Wash hier reinigen. Gleich angeschlossen ist der eigene, hochspezialisierte Maschinenbau, der alle Niederlassungen versorgt. Porsche Consulting/Heiner von der Laden

Extras ohne Aufpreis

Das alles muss sich rechnen, darf den Waschpreis aber nicht in die Höhe treiben. Eher im Gegenteil. Kunden, die Zusatzkosten für die Innenreinigung sparen möchten, dürfen in der top gepflegten Staubsaugerhalle das Interieur ihrer Fahrzeuge direkt nach der Außenwäsche so lange, wie sie möchten, ohne Aufpreis reinigen. Als Helfer stehen – neben starken Saugern – eine Pressluftpistole (zum Entfernen eventuell verbliebener Wassertropfen und Staub im Innenraum), ein kleines Edelstahl-Waschbecken mit Warmwasser und eine Maschine zur intensiven Fußmattenreinigung bereit – jeweils für jeden Kunden separat, um Warteschlangen zu vermeiden. Sogar der Reifenluftdruck kann direkt beim Saugen überprüft werden. Nach dem Waschgang und der Innenreinigung rollen die Frauen und Männer mit ihren blanken Autos entspannt und vielleicht mit einem neuen Buch auf dem Beifahrersitz zurück in den Straßenverkehr.

Bei manchen Menschen scheint das Wascherlebnis eine Art Sucht auszulösen. Auch dafür hat Enning eine Lösung gefunden. Die Flatrate fürs Waschen. Wer eine Pauschale für mehrere Monate bucht, darf so oft zum Waschen vorfahren wie gewünscht – sogar mehrmals am Tag, wenn es Autofahrer glücklich macht. VIP-Status inklusive. Denn für Besitzer der Flatrate gibt es nicht nur eine eigene Fahrspur, sondern eine rot-weiße Schranke, die sofort hochschwenkt, wenn die kleine Kamera die dezente schwarze Klebeplakette mit dem kleinen Flatrate-Barcode am Frontscheibenrand erkennt. Wenige Meter weiter steht das Auto des Vorzugskunden dann schon unter dem ersten Sprühbogen des Waschanlagen-Laufbands und wird gleich shampooniert.

Während der Innenreinigung können Autofahrer in der Kundenlounge Bücher aus der gepflegten Bibliothek auswählen und mitnehmen. Nachschub kauft der Vorstandschef kiloweise bei Ebay.Porsche Consulting/Marco Prosch

Anschreiben wie in der Kneipe

Dennoch setzt Mr. Wash nicht auf Standesdünkel. Attraktive Angebote gibt es für jedermann. Wer montags bis freitags zwischen 18 und 19 Uhr zum Waschen und Trocknen kommt, erhält mit der Kassenquittung einen Gutschein für eine identische Gratiswäsche – ebenfalls zwischen 18 und 19 Uhr. Kein Wunder, dass sich schon kurz vor sechs stets eine nicht kleine Fangemeinde an der Zufahrt einfindet, um die Gratisleistung in Anspruch zu nehmen. Begleitet wird die saubere Stunde von Discobeleuchtung und passender Musik. „Fast wie in einer Bar“, freut sich Enning über den Zuspruch, insbesondere der jüngeren Klientel.

Natürlich zielt Enning darauf, seine Anlagen von 8.30 bis 19 Uhr mit hoher Frequenz auszulasten, damit das Geschäftsmodell funktioniert und aus eigener Kraft ausgebaut werden kann. Neben privater Kundschaft möchte er die großen Autoflotten von Firmen und Behörden bedienen. Dafür hat Enning sich „Flex Wash“ einfallen lassen. „Das funktioniert im Grunde wie in der Stammkneipe: waschen, anschreiben lassen, später bezahlen“, erklärt er. Das jeweilige Flottenfahrzeug wird samt amtlichem Kennzeichen einmal registriert und kann dann ohne Einzelzahlung beliebig oft an allen 38 Standorten gereinigt werden. Detailliert abgerechnet wird monatlich nachträglich, direkt mit dem Flottenbetreiber. Das spart Papierkram und Verwaltungsaufwand. Und Enning gewährt dem Empfänger der Sammelrechnung obendrein bis zu 20 Prozent Mengenrabatt, was die Standardwäsche auf 8 Euro vergünstigt. Das Angebot macht Mr. Wash auch für die expandierenden Car-Sharing-Betreiber interessant, die ihre mietbaren Fahrzeuge sauber halten wollen.

Pünktlich zur „Happy Hour“ um 18.00 Uhr stehen die Fahrzeuge Schlange. Die zweite Wäsche gibt es dann gratis. Richard Enning lässt Discobeleuchtung einschalten und Musik spielen. „Fast wie in einer Bar“, sagt er. Porsche Consulting/Marco Prosch

Inflationsausgleich für Kunden und Personal

Dass Enning stets am Puls der Zeit ist und schnell mit Minireformen unter plakativen Überschriften reagiert, zeigt seine „Waschpreisbremse“. „Dahinter verbirgt sich unser Versprechen, auf Preiserhöhungen für die Autowäsche im ganzen Jahr 2023 zu verzichten.“ Zugleich wird auch an die mehr als 1.800 Mitarbeitenden (Einstiegsstundenlohn: mindestens 14 Euro brutto) gedacht: Sie erhalten von April bis Dezember 2023 eine abgabenfreie Zusatzzahlung von monatlich 100 Euro – als Inflationsausgleich. „Das ist unser Beitrag gegen die Geldentwertung – und zwar auf beiden Seiten“, sagt Enning. Die Arbeitgeberattraktivität steigert er mit weiteren Extras. So bekommen alle Angestellten an ihrem Geburtstag arbeitsfrei – bei voller Bezahlung. Und er hat die Sonntagsöffnung, die an einigen Standorten möglich war, gestrichen. Im Interesse des Familienlebens seines Personals.

Seine Mitarbeitenden aus 73 Nationen sind sein wichtigstes Kapital. Jedoch nicht das einzige. Trifft man Richard Enning in seinem Büro, kann es gut sein, dass gerade Immobilien-Exposés und Katasterpläne auf seinen beiden Monitoren zu sehen sind. Das Unternehmen expandiert, ist deshalb ständig auf der Suche nach neuen Standorten. Pachten ist die Ausnahme. „Wenn es geht, dann kaufen wir die Grundstücke“, sagt Enning. Die eigenen Immobilien an wichtigen Tangenten großer Städte sind Filetstücke und bilden ein enormes Betriebsvermögen. Und geben Kostensicherheit. Kein Vermieter partizipiert dort an Umsatzsteigerungen.

Vor kurzem erst kam ein neuer Kauf zum Abschluss: An einer stark frequentierten Verkehrsader im ostdeutschen Leipzig sicherte sich Enning 22.100 Quadratmeter Grundstück, zentrumsnah. „Hier planen wir einen neuen Mr. Wash in attraktiver Architektur“, sagt der Unternehmer. Jeder Standort bekommt eine individuelle Gestaltung – in der Hafenstadt Hamburg beispielsweise im Stil eines Kreuzfahrtschiffes, im grünen Münster riesige Blätter an Decken und Wänden oder Graffiti-Kunstwerke im hippen Köln. Durchschnittlich 20 Millionen Euro investiert das Unternehmen in die Errichtung jeder neuen Waschfabrik.

Richard Enning besucht regelmäßig seine Waschfabriken, hier in Mülheim an der Ruhr mit Niederlassungsleiter Simon Kampermann. Ideen für Verbesserungen und Innovationen entstehen oft im Tagesgeschäft. Martin Möller/Funke Foto Services
Auf dem Waschband ziehen die Autos durch die Halle. Im Basisprogramm ist die gründliche Felgenreinigung enthalten. „Was wir machen, das muss richtig gut sein“, ist das Credo des Vorstandsvorsitzenden. Porsche Consulting/Marco Prosch
Frischgebrühte Kaffeespezialitäten gratis bekommt die Kundschaft in weißen Porzellanbechern. Nachhaltigkeit ist dem Firmenchef wichtig. Ökostrom, eigene Photovoltaikanlagen, Wassersparen und Abwasseraufbereitung gehören ebenso dazu. Porsche Consulting/Marco Prosch
Wie die kostenlose Bibliothek in der Waschfabrik funktioniert, hat Mr. Wash in einem aufgeschlagenen Buch beschrieben. Die Mitarbeitenden kümmern sich um stets gepflegte Regale. Porsche Consulting/Marco Prosch
Die Preise für Außenwäschen beginnen bei zehn Euro. Stammkunden können eine „Flatrate“ buchen und bekommen an allen 38 Standorten automatisch staufreie Vorfahrt über eine Sonderspur. Porsche Consulting/Marco Prosch
Richard Enning (rechts) mit Besuch vom Porsche Consulting Magazin in seiner Essener Kunden-Lounge: Tanja Krupp und Heiner von der Laden. Porsche Consulting/Marco Prosch

Nichts aus dem Katalog

Im Chefbüro gibt es noch mehr zu sehen, zum Beispiel Prototypen technischer Weiterentwicklungen, die kurz vor der Einführung stehen. Aber darüber herrscht Stillschweigen, genauso wie über die nächsten Grundstückskäufe. Die Branche beobachtet den kontinuierlich expandierenden Platzhirsch mit Argusaugen: Wie macht er das – herausragende Waschleistung plus Gratis-Extras für die Kundschaft zu wettbewerbsfähigen Preisen? Eine Besonderheit ist der Eigensinn – positiv gemeint: Mr. Wash konstruiert seine technischen Anlagen selbst, mit eigenem Personal – darunter Elektroniker, Mechatroniker und Fachleute für Automatisierungstechnik. „Hier kommt nichts aus dem Katalog“, sagt Enning beim Gang durch seinen Essener Betrieb. „Auf Basis unserer Erfahrungen im Alltagsgeschäft entwickeln wir unsere Maschinen und Abläufe technisch weiter und werden so immer noch ein wenig besser.“ Folgerichtig wurde am neuen Standort Mülheim gleich der eigene Maschinenbau mit seinem 15-köpfigen Team angegliedert, das die bestehenden und künftigen Niederlassungen ausrüstet und technologisch verfeinert.

Der Familienunternehmer liebt seine Unabhängigkeit in allen Bereichen, das spürt man. Damit die Freiheit bleibt, muss er immer am Ball bleiben, sich weiterentwickeln, mit der Zeit gehen. Transformation, kein Thema für Richard Enning? Vielleicht gehört stetes Transformieren für ihn ganz natürlich dazu, einfach als Tagesgeschäft. Jedenfalls erfindet der Sohn des Gründers sein Unternehmen ständig neu – mit einem scharfen Auge fürs Detail. Und mit allen Sinnen beim Kunden. „Das“, sagt Enning zum Abschied, „gehört doch auch bei Porsche zur Philosophie.“

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