Aus Liebe zur Milch
Wer eine der größten Molkereien Europas führt, steht im Dreieck zwischen Erzeugern, Einzelhandel und Konsumenten. Stärke in der gesamten Struktur ist gefragt. Und die basiert auf Qualität. Ohne Kompromisse.
01/2024
Der Mann blickt auf die transparente Verpackung in seiner Hand: „Der Käse ist so frisch, als wäre er erst vor fünf Minuten aufgeschnitten worden“, sagt Ingo Müller, lässig in Hoodie und Jeans gekleidet. Er steht vor den langen, verglasten Kühlregalen in einem modernen Rewe-Supermarkt, im Mühlenviertel der norddeutschen Stadt Bremen. Die Nordseeküste ist nicht weit entfernt. Flaches, fruchtbares Land mit saftigen Wiesen, auf denen Kühe grasen, umrahmen die Hansestadt. Müller kennt das, ist auf dem elterlichen Bauernhof groß geworden. Mit Begeisterung. Die Kühe mochten ihn schon immer und er sie. Heute ist Müller der Chef einer der größten europäischen Molkereien – „aus Liebe zur Milch“, sagt er. Und aus Solidarität mit den Landwirten. 4.700 Bauern sind die gemeinsamen Eigentümer der genossenschaftlich organisierten Molkerei DMK Deutsches Milchkontor GmbH. Milram ist das bekannteste Markenzeichen des spezialisierten Lebensmittelherstellers.
Ein Treffen mit dem Porsche Consulting Magazin? Okay für Ingo Müller. „Aber statt im Büro am Flughafen lieber an der Basis, im Einzelhandel. Am besten gleich frühmorgens.“ Beste Laune, Tatendrang und bloß kein Chefgehabe. Müller krempelt die Ärmel hoch und füllt für den Magazinfotografen seinen Einkaufswagen: Obst, Gemüse und na klar: Milchprodukte aus eigener Herstellung. Da zeigt er gleich eine Innovation: „Der neue dünnere Deckel unseres Joghurtbechers ist sogar noch stabiler als der bisherige“, sagt er.
Ingo Müller: Erst das Eis, dann der Hof
„Qualität ist nicht verhandelbar“
Ingo Müller ist neugierig. Der Sprecher der Geschäftsführung will wissen, in welcher Qualität die Produkte aus seinem Unternehmen und denen der Wettbewerber im Einzelhandel angeboten werden. Was ist neu im Regal? Ist unsere Verpackung am besten recyclebar? Kann die Präsentation noch besser sein? Bei der größten deutschen Molkereigenossenschaft wird Qualität gelebt – in allen Unternehmensbereichen, von der Erzeugung über die Verarbeitung, Lagerung und den Transport bis hin zur Präsentation im Kühlregal des Einzelhändlers. Müller sagt: „Was dort steht, ist entscheidend. Qualität ist nicht verhandelbar.“
Die Verantwortung für die Gesamtqualität trägt bei DMK Müllers Kollege Dr. Marcus Krapp. Position: Global Head of Quality. Den hat der Chef gleich in den Supermarkt mitgebracht. „Die Zufriedenheit unserer Kunden steht an oberster Stelle. Wir wollen ihre Erwartungen an unsere Produkte erfüllen“, sagt Dr. Krapp. Dafür hat DMK als Teil seiner „Vision 2030“ eine Qualitätsstrategie erstellt. Beraten und begleiten ließ sich die Genossenschaft durch ein spezialisiertes Team von Porsche Consulting.
Landwirte ernähren die Bevölkerung. Statistisch sorgt in Deutschland ein einzelner Landwirt dafür, dass 139 Menschen mit Lebensmitteln aus der Agrarwirtschaft versorgt werden. Das sind dreimal so viele Abnehmer wie im Jahr 1960. Ein Produkt, das bei der Versorgung mit Lebensmitteln immer eine Schlüsselrolle spielte, ist Milch. Das Konsum- und Einkaufsverhalten hat sich in den vergangenen Jahrzehnten aber verändert. „Convenience“ betrat die Bühne. Die Kundschaft möchte es einfach haben, bequem, kleine Mengen und Verpackungen, komfortabel, ready-to-use. „Das widerspricht jedoch dem Nachhaltigkeitsgedanken“, gibt Müller zu bedenken. „Und der spielt bei der Diskussion um Lebensmittel aktuell eine große Rolle.“ Müller: „Im Verpackungsbereich wird noch eine Menge passieren.“
Sind Lebensmittel immer noch zu günstig?
Es mute indes skurril an, wenn die gesamte Landwirtschaft als klimaschädlich diskreditiert werde, „denn zum einen sind sich Bauern ihrer Verantwortung für die Natur bewusst, und außerdem stellen sie Lebensmittel her, also Mittel zum Leben“. Ein zweites Spannungsfeld ist das Delta zwischen hart umkämpftem Lebensmittelpreis und Ansprüchen an die Lebensmittelqualität. Zur Einordnung: In den 1950er- und 1960er-Jahren musste ein Bundesbürger etwa 50 Prozent seines Gehaltes für Lebensmittel ausgeben, heute nur noch etwa zehn Prozent. „Und die Qualität ist gleichzeitig gestiegen. Wir haben noch nie so qualitativ hochwertige, so gesunde Lebensmittel in den Regalen gehabt wie heute“, sagt Müller. „Diese Verbesserungen müssen bezahlt werden. Qualität hat ihren Preis. Das gilt auch für Bioprodukte. Wenn sich deren Erzeugung nicht lohnt bzw. ein Großteil der Bevölkerung dafür heute noch nichts extra zahlen möchte – dann investiert keiner mehr.“
Als Chef eines genossenschaftlichen Lebensmittelunternehmens bewegt sich Müller zudem im Spannungsfeld zwischen herkömmlichen Milchprodukten und veganen Alternativen. Die Ernährungsgewohnheiten der Konsumenten haben sich verändert, der Anteil derer, die als Flexitarier Wert auf pflanzliche Produkte legen oder sich vegan ernähren möchten, wird bis 2030 weiter steigen. „Da können wir als Erzeuger nicht sagen, das ist aber schlecht, das machen wir nicht mit“, stellt Müller klar. Im Gegenteil: Die Molkerei bringe die nötige Expertise auch für alternative Produkte mit. Langfristig gehe es darum, dass Landwirte als Rohstofflieferanten an Innovationen partizipieren können. „Klar ist aber auch“, sagt Müller, „dass wir nach wie vor eine Molkerei sind und auch bleiben.“
DMK Group
Ausgleichend muss er sein, der Geschäftsführer der DMK. Den vielen, häufig konträren Anforderungen an seine Position versucht Müller durch „Kommunikation auf Augenhöhe“ gerecht zu werden: „Menschen als Menschen begegnen, ob Reinigungskraft oder CEO – das ist mir wichtig. Und ich will Feedback, möchte hören, wenn etwas nicht läuft oder jemand sich an etwas stört.“ Diese Offenheit für Kritik erwartet Müller auch von seinen Führungskräften: „Dafür haben wir auch Strukturen verändert. Was etwa der Qualitätssicherungs-Ingenieur sagt, hat heute höchstes Gewicht.“ Diese Unternehmenskultur komme, davon ist Ingo Müller überzeugt, „der Qualität unserer Produkte zugute“. Die steht im Zentrum des Zukunftsbildes der DMK Group. „Wir tragen als Lebensmittelerzeuger eine große Verantwortung. Die lässt sich nicht allein durch Arbeitsabläufe regeln, sondern nur, indem jeder Mitarbeiter Freude daran hat und in der Lage ist, das Beste zu geben, um die Qualität zu steigern. Und das bekommen Sie nur hin, wenn Qualität im gesamten Unternehmen den höchsten Stellenwert hat, Sie den Menschen auf Augenhöhe begegnen und ihn auf ihre Reise mitnehmen.“ Ein Beispiel dafür: Die DMK-Qualitätsstrategie. „Sie stärkt ein unternehmerisches Handeln, das zu risikobasierten und präventiven Entscheidungen führt“, sagt Dr. Krapp. Er hat die Strategie mit einem umfangreichen Continuous-Improvement-Projekt verknüpft, bei dem die Produktion genau beobachtet wird und diverse Sensoren an den Maschinen helfen, sofort noch mehr relevante Informationen über die Milch, den Käse und den Quark zu erhalten.
Auf dem Hof fängt es an
Auch bei den Landwirten, als Genossen, ist Qualität oberstes Gebot. Dr. Krapp: „Unser Fachbereich Landwirtschaft ist im engen Austausch mit unseren Landwirten. Wir bieten Schulungen, Weiterbildungen und Informationen an. Im seltenen Fall von Qualitätsproblemen gehen wir direkt auf den Erzeuger zu, um Ursachen zu klären und Korrekturmaßnahmen zu besprechen.“ Er betont, dass DMK seit 2021 insbesondere von der Expertise und Erfahrung von Porsche Consulting bei der Prozess- und Kostenoptimierung sowie der Weiterentwicklung von Qualitätsmanagementsystemen profitiert habe: „Uns kommt zugute, dass Porsche Consulting 25 Jahre Erfahrung in der Lebensmittelbranche hat. So erhalten wir ein Benchmarking, das uns hilft, uns weiter zu verbessern.“ Die Berater von Porsche Consulting seien bei den DMK-Mitarbeitern „absolut anerkannt und respektiert“. Das sei auch darauf zurückzuführen, „dass sie uns nicht nur theoretische Konzepte geliefert, sondern vor allem auch bei der praktischen Umsetzung von Maßnahmen begleitet haben“.
Mit Blick auf die Zukunft gerichtet, sagt Ingo Müller: „Wir wollen auch morgen und übermorgen überragende Produkte anbieten und gleichzeitig die Herstellungskosten im Auge behalten. Dafür gilt es, ständig darüber nachzudenken: Was können wir optimieren? Wie können wir zusätzliche Effizienzen heben? Wie können wir im Labor die richtigen Analysen vornehmen, damit wir Ergebnisse erhalten, die uns wirklich weiterhelfen?“ Den Erfolg in den unterschiedlichen Handlungsfeldern lässt Müller messen. Er sagt: „Die Kundenzufriedenheit ist gestiegen und unsere Qualitätskosten sind gesunken.“ Und dann dreht er sich beim Abschied noch einmal um. „Die Milch“, sagt er, „ist meine Leidenschaft. Die begleitet mich mein Leben lang.“