Life Sciences

Innovation:
Qualität hat Priorität

Pharmahersteller sind ein wichtiger Faktor für die Weltgesundheit – mit enormer Verantwortung. Qualität hat höchste Priorität – gerade bei bahnbrechenden Innovationen, wie das Beispiel Boehringer Ingelheim zeigt.

02/2022

Fokus auf „Q“ wie Qualität: Chief Quality Officer Dr. Lothar Halmer und Kollegin Dalia Elwakil (Head of Global Quality Strategy & Innovation) setzen überall auf höchstmögliche Qualität.Porsche Consulting/Marco Prosch

„Das Ver­trau­en unse­rer Pati­en­ten ist das größ­te Kapi­tal, das wir besit­zen“, sagt Dr. Lothar Hal­mer. Er ist Chief Qua­li­ty Offi­cer bei Boeh­rin­ger Ingel­heim. Er weiß, wie fra­gil die Repu­ta­ti­on eines Unter­neh­mens und sei­ner Erzeug­nis­se sein kann: „Es dau­ert lange, Ver­trau­en auf­zu­bau­en, es geht aber schnell, es zu zer­stö­ren.“ Boeh­rin­ger Ingel­heim, eines der 20 größ­ten Phar­ma­un­ter­neh­men der Welt, ent­wi­ckelt seit weit über 100 Jah­ren neue Medi­ka­men­te. Pati­en­ten, Ärzte und Apo­the­ker schät­zen die Qua­li­tät der Pro­duk­te. Und den Bei­trag des Fami­li­en­un­ter­neh­mens zum medi­zi­ni­schen Fort­schritt. Pro­dukt- und Pro­zess­qua­li­tät sind tief in den Genen von Boeh­rin­ger Ingel­heim verankert.

Ingelheim am Rhein (35.000 Einwohner) ist Stammsitz, Zentrale und weltweit größter Boehringer-Standort. Neue Wirkstoffe und Arzneimittel werden während der Markteinführungsphase hier produziert.Boehringer Ingelheim

In Zukunft gehö­ren zum Port­fo­lio des Unter­neh­mens auch digi­ta­le The­ra­pien. Zum Bei­spiel Apps, die Men­schen hel­fen, die an Schi­zo­phre­nie erkrankt sind. So ent­wi­ckeln Spe­zia­lis­ten aus den The­ra­pie­ge­bie­ten und dem Digi­tal­la­bor BI X von Boeh­rin­ger Ingel­heim in Zusam­men­ar­beit mit dem US-Medi­zin­tech­nik­her­stel­ler Click The­ra­peu­tics ein ver­schrei­bungs­pflich­ti­ges digi­ta­les The­ra­peu­ti­kum, das bei Men­schen mit die­ser Erkran­kung kogni­ti­ve und sozia­le Defi­zi­te redu­zie­ren soll. „Soft­ware as a medi­cal device“ nennt die Bran­che sol­che Inno­va­tio­nen. Wie auch bei ande­ren neuen digi­ta­len Medi­zin­pro­duk­ten hat Boeh­rin­ger Ingel­heim hier die beson­de­ren Qua­li­täts­an­for­de­run­gen von Anfang an im Blick. Dazu gehört auch die Erfül­lung regu­la­to­ri­scher Anfor­de­run­gen, bei­spiels­wei­se bei The­men wie Data Inte­gri­ty und der IT-Sicher­heit. Hal­mer: „Es gel­ten höchs­te Qua­li­täts­an­sprü­che. Eine App muss für Pati­en­ten genau­so zuver­läs­sig und sicher sein wie die Tablet­te gegen Herz­er­kran­kun­gen oder Diabetes.“

Simultan geht es schneller

Was bedeu­tet es für die Qua­li­tät, wenn das Tempo bei Inno­va­tio­nen beschleu­nigt wird? „Geschwin­dig­keit und Qua­li­tät gehö­ren zusam­men“, sagt Hal­mer und macht einen Ver­gleich: „Will man schnell sein, muss man genau sein. Einen Weg zwei­mal zu gehen, weil man schlecht vor­be­rei­tet war und gestol­pert ist, dau­ert län­ger, als den Weg gut vor­be­rei­tet ein­mal sicher zu beschrei­ten.“ Wenn ein­zel­ne Arbeits­ab­schnit­te nicht mehr in Sequen­zen, son­dern simul­tan aus­ge­führt wer­den, wird der Pro­zess beschleu­nigt. Hinzu kom­men agile Metho­den und intel­li­gen­te Abläu­fe, die im Weg lie­gen­de „Stei­ne“ besei­ti­gen. Hal­mer: „Mit der Kom­ple­xi­tät und dem tech­no­lo­gi­schen Fort­schritt stei­gen die Stan­dards. Tadel­lo­se Qua­li­tät und höchs­te Sicher­heit sind für uns der ent­schei­den­de Maß­stab. Und des­halb inte­gra­ler Bestand­teil jeder Innovation.“


Eine Aufgabe für alle

Im Januar 2020 startete Boehringer Ingelheim die intensive Zusammenarbeit mit einem Team der Managementberatung Porsche Consulting. Das Life-Sciences-Unternehmen, das durch Fortschrittlichkeit und exzellente Qualität einen hervorragenden Ruf erworben hat, will Qualität auf allen betrieblichen Ebenen zukunftsfähig machen und als Wettbewerbsvorteil kontinuierlich ausbauen. Dabei gilt es, Veränderungen zu berücksichtigen, zum Beispiel mehr digitale Anwendungen, steigende Prozesskomplexität und höhere regulatorische Anforderungen an Pharmahersteller. Die Teams von Porsche Consulting und Boehringer Ingelheim begannen zunächst mit einer strategischen Analyse der Aktionsfelder und glichen die Resultate mit den bevorstehenden Entwicklungen und besonderen Notwendigkeiten in der Pharmaindustrie ab. Daraus wurde ein starkes Work-Package-Portfolio abgeleitet.


Es besteht aus elf Initiativen und mehr als 70 Arbeitspaketen. Sein Spektrum reicht von der Datenintegrität über Gesundheits-Apps bis zu Konzepten für klinische Fernstudien bei neuen Medikamenten. Zudem wurden ein Steuerungssystem aufgebaut und Best Practices aus der Pharma-Expertise von Porsche Consulting in die Arbeitspakete integriert. Die Fortschritte dieser Arbeit ließen sich mit Kennzahlen messbar und sichtbar machen. Gemeinsam mit dem Qualitätsteam von Boehringer Ingelheim konnte eine neue, zukunftsorientierte Qualitätskultur entwickelt und global ausgerollt werden. „Qualität ist eine Gemeinschaftsaufgabe. Sie zeichnet sich dadurch aus, dass sie wirklich von allen Unternehmensbereichen gelebt wird, und zwar aus Überzeugung“, sagt Marcel Geers, verantwortlicher Manager von Porsche Consulting.

Auch eine beson­ders aus­ge­präg­te Kul­tur der Qua­li­tät ist für den Phar­ma­her­stel­ler selbst­ver­ständ­lich. Diese Kul­tur erreicht alle Fach­ge­bie­te sowie alle Mit­ar­bei­ten­den. Und ihre Effek­ti­vi­tät lebt von ste­ti­ger Wei­ter­ent­wick­lung – ins­be­son­de­re bei Inno­va­tio­nen. Der kon­ti­nu­ier­li­che Aus­tausch über Abtei­lun­gen hin­weg spielt dabei eine bedeu­ten­de Rolle: „Unse­re Mit­ar­bei­ten­den den­ken Qua­li­täts­aspek­te gleich mit und grei­fen selbst ein, wenn kor­ri­giert wer­den muss. Und sie ler­nen von­ein­an­der, auch aus Feh­lern.“ Das führt zu einer ver­bes­ser­ten Ent­schei­dungs­fin­dung und einem opti­mier­ten Risi­ko­ma­nage­ment. Ergeb­nis: Arz­nei­mit­tel wer­den den Men­schen schnel­ler zur Ver­fü­gung gestellt. Dr. Hal­mer: „Klingt in der Theo­rie ein­fach. In der Pra­xis müs­sen aber auch orga­ni­sa­to­ri­sche Ver­än­de­run­gen zuerst der gefor­der­ten Qua­li­täts­prü­fung stand­hal­ten, bevor sie ein­ge­führt wer­den können.“


Vita: Dr. Lothar Halmer
Dr. Lothar Halmer im Corporate Center von Boehringer Ingelheim. Seit 1998 arbeitet der Biologe für das Pharmaunternehmen. Qualität ist sein Spezialgebiet, von Anfang an.Porsche Consulting / Marco Prosch
Nicht nur die Arbeitsumgebung ist bei Boehringer Ingelheim auf Zukunft ausgerichtet. Auch die hohen Qualitätsansprüche müssen Weltspitze sein – insbesondere im Zuge der Digitalisierung, betont Dr. Halmer. Porsche Consulting / Marco Prosch

Karriere im Konzern

Dr. Lothar Halmer ist seit dem Jahr 2020 Chief Quality Officer beim Pharmahersteller Boehringer Ingelheim. Der Biologe studierte an der süddeutschen Universität Konstanz. Dort promovierte er 1997 in molekularer Genetik. Im folgenden Jahr startete er seine berufliche Laufbahn bei Boehringer Ingelheim in der Qualitätskontrolle der Biopharmazie. 2008 wechselte er für das Unternehmen nach Österreich und war dort bis 2013 als Standortleiter der Biopharmazie mit Sitz in Wien tätig. Im Anschluss verantwortete Lothar Halmer verschiedene Rollen in der globalen Qualitätseinheit des Konzerns.

Flexibler bei klinischen Studien

Ein Bei­spiel ist die Orga­ni­sa­ti­on kli­ni­scher Stu­di­en. Hier hat sich ein Wan­del voll­zo­gen. Die Ent­wick­lung neuer Medi­ka­men­te dau­er­te frü­her im Durch­schnitt etwa acht bis zehn Jahre, inklu­si­ve kli­ni­scher Stu­di­en. Das ändert sich: Nicht erst seit Beginn der Covid-19-Pan­de­mie wer­den kli­ni­sche Stu­di­en für neue Medi­ka­men­te nicht mehr mit Pati­en­ten in eini­gen weni­gen, spe­zia­li­sier­ten Zen­tren durch­ge­führt, son­dern dezen­tral an mehr Stand­or­ten. So kön­nen in kür­ze­rer Zeit auch mehr pas­sen­de Pati­en­ten gefun­den wer­den. Gera­de bei sel­te­ne­ren Krank­hei­ten kann die­ser Zeit­vor­teil viele Mona­te betragen.

Um gleich­blei­ben­de Qua­li­tät in der Vali­di­tät und Zuver­läs­sig­keit der Stu­di­en zu gewähr­leis­ten, sind neue Arten der Daten­er­fas­sung, ein gutes Daten­ma­nage­ment und die Ein­hal­tung des Stu­di­en­plans not­wen­dig. Boeh­rin­ger Ingel­heim hat dafür fle­xi­ble Lösun­gen geschaf­fen. So wurde zum Bei­spiel eine direk­te Medi­ka­men­ten­lie­fe­rung an die Stu­di­en­teil­neh­mer orga­ni­siert, der regel­mä­ßi­ge Besuch vor Ort von Fach­per­so­nal ein­ge­rich­tet und die Fern­über­wa­chung durch Video­an­ru­fe ermög­licht. Dadurch konn­ten kli­ni­sche Stu­di­en bei gleich­blei­ben­der Qua­li­tät trotz der Pan­de­mie fort­ge­setzt werden.

Sol­che Qua­li­täts­er­fol­ge sind für den deut­schen Phar­ma­her­stel­ler von enor­mer Bedeu­tung. Denn das Geschäft des Unter­neh­mens basiert auf einem umfang­rei­chen For­schungs- und Ent­wick­lungs­port­fo­lio, das sich auf Krank­hei­ten mit hohem unge­deck­ten Behand­lungs­be­darf kon­zen­triert. So befin­den sich zum Zeit­punkt die­ses Berichts (Anfang 2022) in der For­schungs- und Ent­wick­lungs-Pipe­line der Boeh­rin­ger-Human­phar­ma­zie mehr als 60 neue Wirk­stof­fe sowie rund 100 kli­ni­sche und prä­kli­ni­sche Pro­jek­te. Das Poten­zi­al: Bis 2025 könn­ten die Zulas­sun­gen für bis zu 15 neue Medi­ka­men­te bean­tragt wer­den. In der Phar­ma­bran­che ist das enorm. Zuletzt erziel­te Boeh­rin­ger Ingel­heim vor allem Fort­schrit­te in der Behand­lung von Herz­in­suf­fi­zi­enz, bei neu­ro­psych­ia­tri­schen Stö­run­gen sowie in der Immu­no­lo­gie und Pneu­mo­lo­gie. Auch in die Erfor­schung ver­schie­de­ner Krebs­ar­ten wird inves­tiert, eben­so in den Aus­bau des Port­fo­li­os für Haus- und Nutztiere.

Stichprobe in der Pharmazeutischen Entwicklung: Eine technische Mitarbeiterin kontrolliert die Flaschenabfüllung von Kapseln. Die Klinikmuster eines Medikaments zur Behandlung von Lungenkranken sind für Studien bestimmt. Peter Ginter, 2021

Bleibt ein abschlie­ßen­der Blick nach vorn, in die Zukunft des welt­be­kann­ten Phar­ma­un­ter­neh­mens: Boeh­rin­ger Ingel­heim hat her­vor­ra­gen­de Chan­cen. Sie lie­gen ins­be­son­de­re in der noch schnel­le­ren und ziel­ge­naue­ren Ent­wick­lung von Medi­ka­men­ten für Berei­che, in denen der medi­zi­ni­sche Bedarf hoch ist. Und: Als Fami­li­en­un­ter­neh­men ist Boeh­rin­ger Ingel­heim unab­hän­gig von kurz­fris­ti­gen Inter­es­sen – wie etwa dem Wunsch von Share­hol­dern nach Pro­fi­ten. In Ingel­heim am Rhein kann lang­fris­tig gedacht, geplant und ent­wi­ckelt wer­den. Es geht dem Manage­ment um Nach­hal­tig­keit für Gene­ra­tio­nen. Dabei bekom­men digi­ta­le Werk­zeu­ge wie Apps, künst­li­che Intel­li­genz, vir­tu­el­le Trai­nings, Pre­dic­ti­ve Ana­ly­tics oder Big Data bedeu­ten­de Rol­len. Und für Hal­mer steht fest: „Auch bei der Rea­li­sie­rung sol­cher tech­no­lo­gisch getrie­be­nen Inno­va­tio­nen ach­ten wir von Anfang an genau dar­auf, dass unse­re hohen Qua­li­täts­an­for­de­run­gen erfüllt werden.“

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